Terror oder psychisch gestört – was darf es sein?

Ab und an hat auch die Psychiatrie mit dem islamistischen Terror zu tun. Die wesentlichen Anlässe dafür sollen hier diskutiert werden. Ausgenommen davon bleiben die psychischen Folgen, die der islamistische Terror bei den direkten Opfern, ihren Angehörigen und der Allgemeinbevölkerung verursacht. Immerhin steht in einer 2017 durchgeführten, repräsentativen Umfrage von Personen ab 14 Jahren unter den Ängsten die Furcht vor Terroranschlägen mit Abstand auf Platz 1 (71 Prozent).


Im einschlägigen Politikbetrieb und den ihm nahestehenden Medien ist die Messlatte für einen islamistischen Terrorakt so dieser Begriff überhaupt noch verwendet wird – recht hoch gehängt. Besonders gilt das für Einzeltäter. Teils ist diese Zurückhaltung, wie noch zu zeigen sein wird, durchaus berechtigt, teils aber bloß Strategie zur Relativierung und Bemäntelung der schrecklichen Tat.


Wenn sich ein irgendwie südländisch aussehender, mehr oder weniger junger Mann auf bekannte Weise und mit unterschiedlichem Erfolg bemüht hat, andere umzubringen, wird das für die Klassifizierung als islamistischer Terrorakt gemeinhin als nicht ausreichend angesehen. Auch Allahu akbar als akustische Begleitkulisse ist nach den offiziellen Maßstäben noch nicht geeignet, Restzweifel zu beseitigen. Ähnlich verhält es sich mit der Inanspruchnahme des Terroraktes durch den IS. Man müsse, so heißt es dann, zunächst noch die Ergebnisse der polizeilichen Ermittlungen abwarten, also die Ausleuchtung von Biografie und persönlichem Umfeld sowie die Auswertung von Computer und Smartphone.


Allerdings bedarf die für Terrorakte relevante Kernbotschaft des IS, nämlich möglichst viele Ungläubige zu töten, nicht zwingend des steten digitalen Studiums von IS-Quellen. Das Gleiche trifft auch auf die dabei anzuwendenden Methoden zu, jedenfalls, wenn man sich – wie es aktuell in Deutschland meistens der Fall ist – für Messer oder Auto entschieden hat. Nicht selten ist der Vorfall bereits im medialen Orkus weitgehend entsorgt, bis das Ganze ausermittelt ist. Schwebt über der Tat noch der Verdacht, es könne sich um einen irgendwie psychisch gestörten Täter handeln, nehmen die Medien das dankbar auf und verstärken so die Zweifel an einer islamistischen Genese des Terroraktes. Sinnvoller wäre es, sich jeweils an der aktuell wahrscheinlichsten Erklärung zu orientieren, die bei neuen Erkenntnissen dann gegebenenfalls zu korrigieren ist.

Prototypische Muster der Berichterstattung

Das oben skizzierte Muster lässt sich prototypisch nachzeichnen anhand der medialen, behördlichen und politischen Reaktionen auf den kürzlich erfolgten Terrorakt in einem Lübecker Linienbus. Der Täter, ein Iraner ganz offenbar muslimischen Glaubens – ob Schiit oder Sunnit scheint für Ermittler und Medien nicht von Bedeutung zu sein –, habe laut Staatsanwaltschaft sich zur Tat noch nicht geäußert. Bisher hätten die polizeilichen Ermittlungen im Umfeld keine Belege für eine islamistisch motivierte Tat ergeben, wobei interessanterweise auch keine anderen Motive genannt werden können.


Die Angaben des Vaters, dass sein Sohn sich durch Nachbarn verfolgt gefühlt habe, wurden von den Medien gerne aufgenommen, ließen sich ganz offensichtlich aber nicht weiter erhärten. Denn ansonsten wäre der Täter eher nicht in U-Haft genommen, sondern einstweilig in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden.


Auch bei einer sich im Laufe der Ermittlungen abzeichnenden hohen oder gar bereits sehr hohen Wahrscheinlichkeit, dass es sich tatsächlich um einen islamistisch motivierten Täter handelt, nehmen Journalisten gerne noch eine psychiatrische Spur auf. Vielleicht ist oder war der Attentäter ja doch kein fanatisierter Gewalttäter oder Massenmörder, sondern bloß eine verlorene Seele. Und vielleicht liegt die Schuld gar bei uns oder zumindest den verantwortlichen Behörden, die trotz einer Traumatisierung abschieben statt therapieren wollten.


Ein halbes Jahr nach dem Messerattentat in einer Edeka-Filialein Hamburg-Barmbek haben sich Georg Mascolo und Kollege für die SZ auf psychiatrische Spurensuche begeben. Sie verwursten dabei äußerst schüttere Informationen einer in ihrer Funktion und Beziehung zum Täter nicht näher erläuterten „Psychologin“ und resümieren: „Die Grenze zwischen Terror und Wahn ist schmal und muss differenziert betrachtet werden.“ Und: Der Attentäter „ist ein Grenzfall“.

Was ist Wahn, was Fanatismus?

Dass die genannte Grenze schmal sei, ist allerdings exklusives psychiatrisches Fachwissen der beiden Journalisten. Die Psychiatrie hat gemeinhin keine Schwierigkeiten, einen Wahn als solchen zu erkennen, auch bei islamistischen Attentätern nicht. Hilfreich sind dafür allerdings – neben einschlägiger Erfahrung und der Fähigkeit zum vorurteilsfreien logischen Denken – auch bestimmte Definitionen. Demnach imponiert ein Wahn als eine Fehlbeurteilung der Realität, die mit erfahrungsunabhängiger Gewissheit auftritt und an der mit subjektiver Gewissheit festgehalten wird, auch wenn sie im Widerspruch zur Wirklichkeit und zur Erfahrung der gesunden Mitmenschen und zu ihrem kollektiven Meinen und Glauben steht.


Abzugrenzen ist davon der Fanatismus, also das rigorose Eintreten für eine Idee oder Sache, die man kompromisslos durchzusetzen versucht, wobei nicht selten der Tod von Andersdenkenden oder auch nur Nicht-Fanatikern billigend in Kauf genommen oder systematisch herbeigeführt wird. Auch der Weg ins irdische Paradies, in dem Gleichheit und Reichtum für alle herrschen, rechtfertigt(e) ja bekanntlich Zwangs- und Terrormaßnahmen gegen Zweifler und Abweichler.


Der in der forensisch-psychiatrischen Begutachtung von islamistischen Terroristen besonders erfahrene Psychiater Norbert Leygraf war sich trotz des angeblich schmalen Grats sicher, dass bei dem Edeka-Täter keine relevante psychische Störung vorlag. Dementsprechend erfolgte kürzlich die Verurteilung zu lebenslanger Haft in Verbindung mit einer besonderen Schwere der Tat. Den beiden SZ-Wahnforschern sei empfohlen – sozusagen als psychiatrische Fingerübung –, sich einmal an der Frage abzuarbeiten, ob die Äußerung der Berliner Migrationsforscherin Naika Foroutan, dass sich Deutschland in eine präfaschistische Phase entwickle, nun wahnhaft ist, oder ob die Dame vielleicht bloß einen Knall hat.


Beim Sprengstoffanschlag von Ansbach am 24.07.2016 bestand zwar rasch Klarheit über den islamistischen Hintergrund. Zusätzlich geisterten aber verschiedene Hinweise auf eine ernste psychische Störung des Täters durch Medien und Politik. Da der Täter bei dem Anschlag ums Leben kam und bald geklärt war, dass es sich vor Ort letztlich um einen Einzeltäter handelte, schloss die Bundesanwaltschaft bald die Akten, ebenso die Medien. Auch deshalb ist bisher niemand den Ungereimtheiten im Vorfeld der Tat konsequent nachgegangen, obwohl diese den dringenden Verdacht begründen, dass hier die Psychiatrie durch Flüchtlings-Aktivisten instrumentalisiert wurde. Eine bereits rechtskräftige Abschiebung des späteren Täters konnte dadurch verhindert werden.

Auf bekannte Art und Weise orchestrierte Aktion

Was war im Einzelnen geschehen? Im Dezember 2014 ordnete das Bamf die Abschiebung des Syrers nach Bulgarien an. Dazu kam es aber nicht, weil dieser, nachdem er sich oberflächlich am Unterarm geritzt und in seinem Zimmer das Waschbecken herausgerissen hatte, für zehn Tage im psychiatrischen Bezirkskrankenhaus aufgenommen wurde. Bald nach Entlassung, nachdem er gegenüber dem Ausländeramt angedroht hatte, sich vor dem Bundesamt in Zirndorf mit Benzin zu übergießen und anzuzünden, kam er im Januar 2014 erneut wegen Suizidgefährdung in die Psychiatrie und blieb dort bis Mai.


Und, oh Wunder, die Abschiebung war zwischenzeitlich aus gesundheitlichen Gründen zurückgenommen worden. Stattdessen lag seit Februar eine Duldung für die Dauer einer zu beginnenden ambulanten Therapie vor.

Entscheidend mitgewirkt dabei hatte der Nürnberger Bundestagsabgeordnete der Linken, Harald Weinberg, durch ein entsprechendes Schreiben an die Stadt Ansbach, nachdem er von der lokalen Flüchtlingshilfe – offenbar gleich zu Beginn des zweiten Psychiatrieaufenthaltes – auf die drohende Abschiebung des angeblich schwer psychisch Gestörten aufmerksam gemacht worden war.


Aus der Tatsache, dass die Stadt Ansbach dann die Kosten für eine ambulante Therapie bei einem (selbst ernannten) eng mit der Refugee-Welcome-Szene verbundenen Traumatherapeuten im 250 KIlometer (!) entfernten Lindau übernommen hatte, kann der Kundige mit hoher Wahrscheinlichkeit ableiten, dass die Krankenhaus-Entlassungsdiagnose in etwa „Suizidalität bei schwerer depressiver Episode auf dem Boden einer posttraumatischen Belastungsstörung“ gelautet haben dürfte.



Nicht nur, weil der Syrer von seinen Mitbewohnern als „heiter und aufgeräumt“ geschildert wurde, dürfte es eher unwahrscheinlich gewesen sein, dass der spätere Täter tatsächlich ernsthaft psychisch gestört war. Sondern auch, weil mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass es sich hier um eine von dem regiolokalen Netzwerk der Flüchtlingshelfer und ihrer Unterstützer auf die bekannte Art und Weise orchestrierte Aktion handelte, um die drohende Abschiebung zu verhindern.

Was man den Ärzten erzählt und was nicht

Lediglich eine Traumatisierung oder Depression zu attestieren, reicht dafür allerdings nicht aus. Es muss schon ein bisschen akuter und dramatischer sein. Allerdings lernt der Psychiater in Nacht- und Notdienst eigentlich rasch, dass bei Männern oberflächliches Geritze am Unterarm in aller Regel nichts mit Suizidalität zu tun hat, schon gar nicht mit akuter. Und erst recht nicht, wenn gleichzeitig so viel Energie vorhanden ist, ein Waschbecken herauszureißen.



Denn ein tatsächlich Lebensmüder hätte diese Energie vorrangig gegen sich gerichtet. Aber die Geschichte mit dem Waschbecken macht natürlich Eindruck, ebenso wie die Drohung, sich anzuzünden. Aber wer sich von Patienten erpressen lässt, begibt sich meist auf eine abschüssige Ebene. Da der aufnehmende Krankenhauspsychiater ja wohl kaum Arabisch sprach, dürften begleitende Flüchtlingshelfer ihn über ihren vermeintlich traumatisierten Schützling dahingehend „gebrieft“ haben, dass sich dessen psychischer Zustand angesichts drohender Abschiebung noch einmal dramatisch zugespitzt habe.



Da mag man sich als diensthabender Psychiater durchaus schwer tun, den Patienten nicht aufzunehmen und ihn gleich wieder nach Hause zu schicken. Und wer weiß schon, wie ein so offenbar aggressiver arabischer junger Mann wirklich tickt. Man malt sich aus, was wohl passiert, wenn der Patient sich kurz nach Entlassung wider Erwarten doch suizidiert oder sich nicht nur an einem Waschbecken vergreift.


Aber vielleicht schlug unter dem weißen Kittel ja auch ein Willkommens- oder gar Anti-Abschiebeherz. Offenbar ging die Rechnung für den Patienten zunächst aber noch nicht ganz auf, denn nach zehn Tagen war schon Schicht und die vom Krankenhaus mitgeteilten Diagnosen reichten für eine Duldung wohl noch nicht sicher aus. Besser, man versucht es noch einmal. Zumal der Patient jetzt natürlich auch eher weiß, was man den Ärzten erzählt und was nicht.


Die Psychiatrie kann für einen solchen Instrumentalisierungsversuch zunächst einmal nichts, jedenfalls solange sie selbst ausschließlich nach fachlichen Gesichtspunkten handelt und sich dabei zumindest nicht, sagen wir mal, übermäßig naiv anstellt. Leider ist aus den medizinischen Unterlagen kaum etwas nach außen gedrungen, obwohl die Inhalte im Hinblick auf Attentäter, Umfeld und dazwischen agierende Ärzte sicherlich hochinteressant wären.

Sind islamistische Attentäter häufig psychisch krank?

Beschäftigt man sich mit der Bedeutung von psychischen Störungen bei islamistischen Terroristen, geht es um zwei eng zusammenhängende Fragen: Welche Risikofaktoren bahnen den Weg dorthin und welche Störungen lassen sich bei Tätern nachweisen? Die erste Frage ist verknüpft mit dem Problem der Früherkennung, die zweite möglicherweise mit strafrechtlichen Konsequenzen für den Täter. Der bereits erwähnte Gerichtspsychiater Leygraf äußert sich zu beiden Problemkreisen erfrischend klar und direkt: Islamistische Terroristen seien „in der Regel nicht psychisch krank“. Und: „Wir kennen auch keine spezifischen Persönlichkeitsmerkmale, mit denen man aus der großen Gruppe der Verdächtigen einzelne besonders gefährliche Kandidaten herausfiltern könnte.“


Der weltweit wohl renommierteste psychiatrische Terrorismusforscher, Marc Sageman, sieht das ganz ähnlich und weist zusätzlich auf neuere internationale Erkenntnisse hin: „Laien – und auch Journalisten – neigen dazu, solche Täter zu psychologisieren. Dabei sind politische Täter, die in Gruppen organisiert sind, selten psychisch krank. Unter Einzeltätern ist der Anteil derer, die pathologische Störungen haben, zwar höher, aber auch nicht höher als unter Einzelgängern in der Gesamtbevölkerung.“ Eine Übersicht über die einschlägigen internationalen Studienergebnisse zeigt, dass im Vergleich zur Normalbevölkerung terroristische Einzeltäter häufiger an Schizophrenie erkrankt sind und deutlich seltener an Depressionen und Posttraumatischen Belastungsstörungen.


Weist ein Täter eine schwere psychische Störung auf, stellt sich die Frage, ob dadurch die Voraussetzungen für eine aufgehobene Schuldfähigkeit erfüllt sind. Im Gegensatz zu einer solchen Schuldunfähigkeit sind die Kriterien für eine bloß verminderte Schuldfähigkeit – grob vereinfachend: die sprichwörtliche „schwierige Kindheit“ – vergleichsweise schwammig. Auch deswegen konnte sich ihre Geltendmachung vor Gericht in den letzten Jahrzehnten inflationär ausweiten.



Eine Schuldunfähigkeit dagegen – also die krankheitsbedingte Unfähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln – basiert meist auf Psychosen im Rahmen von Schizophrenien, manisch-depressiven Erkrankungen oder, seltener, auf Hirnverletzungen oder Hirntumoren. Auch schwere Rauschzustände durch Alkohol oder Drogen können in Deutschland eine Schuldunfähigkeit bedingen. Eine bloß vorhandene Störung, auch sehr schweren Grades, reicht allerdings nicht aus. Es gilt für den Gerichtspsychiater, den überzeugenden Nachweis zu führen, dass die Erkrankung zur Tatzeit aktiv war, indem sie eine Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit verhinderte.

Eine Art psychiatrischer Kollateralschaden

Die Frage nach Schuldunfähigkeit dürfte sich vorrangig gar nicht bei islamistisch motivierten Tätern stellen, sondern bei psychisch Kranken, die einen islamistischen Terrorakt bloß „nachgeahmt“ haben. So zum Beispiel geschehen in Heidelberg, wo ein Deutscher ohne Bezug zum Islamismus absichtlich in eine Fußgängergruppe raste. Das Gericht stellte Schuldunfähigkeit wegen einer akuten paranoiden Schizophrenie fest. Details wurden wegen der nichtöffentlichen Verhandlung leider nicht bekannt.


Anders verhält es sich mit dem nur vermeintlich islamistisch motivierten Terrorakt vom 10. Mai 2016 in Grafing bei München. Dort stach ein 28-Jähriger scheinbar wahllos auf vier Personen ein, tötete dabei eine und verletzte die anderen schwer. Wie sich bald herausstellte, wies der Täter bereits eine längere psychiatrische Vorgeschichte auf und hatte sich erst einen Tag vorher selbst „gegen ärztlichen Rat“ aus einer Psychiatrischen Klinik in Hessen entlassen. Im Rahmen einer gemischten Psychose aus Manie und Schizophrenie war es zur Entwicklung eines fatalen Verfolgungswahns gekommen: Er sei fest davon überzeugt gewesen, dass Deutschland von Islamisten überrannt werde. Um zu überleben, habe er zum Islam konvertieren und dafür ein Menschenopfer bringen müssen.


Es ist selbstverständlich zu kurz gesprungen, wenn man dieses tragische Ereignis von Grafing als völlig losgelöst vom Problem des islamistischen Terrors betrachtet. Vielmehr handelt es sich – wie auch die Heidelberger Tat – um eine Art psychiatrischen Kollateralschaden. Denn Wahn im Rahmen von bestimmten psychischen Störungen unterliegt immer einem zeitbedingten Wandel in der Themenwahl.

Wahnhaftes Erleben und die Tendenz zur Nachahmung

Im Einklang mit der zur Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzenden physikalisch-technischen Entwicklung änderten sich auch die Wahninhalte. Morsen, Radio, Telefon und später TV bildeten fortan das Gerüst, dessen sich dunkle Mächte, Geheimdienste oder auch nur die Nachbarn bedienten, um ihre meist finsteren und oft verworrenen Pläne zu schmieden.


Seit der Jahrtausendwende spielt das Internet eine zunehmende Rolle, etwa beim Empfangen von wahnhaft aufgeladenen Zeichen und Botschaften. Und seit den Ereignissen vom 11. September 2001 – mit deutlicher Zunahme in den letzten Jahren – dürfte auch das Thema des islamistischen Terrors das wahnhafte Erleben von psychisch Kranken prägen. Bemerkenswerterweise scheint dieses Thema bisher nicht untersucht worden zu sein, jedenfalls gelang es dem Autor nicht, auf Google Scholar einschlägige Studien zu finden.


Welche Motive genau hinter der Tat von Münster vom 7. April 2018 standen, wird wahrscheinlich nie ganz genau geklärt werden können. Was man aber mit großer Sicherheit feststellen kann, ist, dass keine primäre islamistische Motivation vorlag, auch wenn die Methode – der Täter fuhr mit einem Auto in eine Menschenmenge und erschoss sich anschließend – zunächst daran denken ließ. Ebenso lag wahrscheinlich keine wahnhafte, sekundär islamistische Motivation wie in Grafing vor. Gleichwohl hätte der Täter, wäre er einige Jahre früher erkrankt, bei seinem (erweiterten) Suizid wahrscheinlich eine andere Methode gewählt. Denn damals hätte es für ihn die PKW- oder LKW-Methode noch nicht zur Imitation gegeben. Und eine Tendenz zum Nachahmen in Bezug auf Suizidmethoden konnte bei Selbstmördern eindeutig nachgewiesen werden.


Ein etwas anders gelagertes Beispiel ist ein Fall aus Hamburg, wo kürzlich wohl kein Schizophrener, sondern ein bloß stark alkoholisierter Obdachloser in einem Linienbus völlig unvermittelt auf eine ihm unbekannte Frau eingestochen hat. Wäre es zu einer solchen Tat auch schon vor einigen Jahren gekommen?
Kurz gesagt: Im Land der offenen Grenzen und hohen Moral werden auf unabsehbare Zeit Sicherheitsorgane und Bevölkerung weiter mit dem Islamismus und seiner terroristischen Variante zu kämpfen haben. Darüber hinaus gibt es gute Gründe für die Befürchtung, dass es – bedingt durch „Nachahmungen“ unterschiedlicher Art – zu einer Zunahme schwerer Gewalttaten von psychisch Kranken ohne eigentliche islamistische Motivation kommen wird oder bereits gekommen ist. Nicht übersehen werden darf dabei aber, dass grundsätzlich nur eine kleine Minderheit der psychisch Kranken überhaupt zu Gewalttaten neigt.


Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Wolfgang Meins ist Neuropsychologe, Arzt für Psychiatrie und Neurologie und apl. Professor für Psychiatrie. In den letzten Jahren überwiegend tätig als gerichtlicher Sachverständiger im sozial- und zivilrechtlichen Bereich.

https://www.achgut.com/artikel/terro...s_darf_es_sein