Der Sonntagsfahrer: A6, Ausfahrt Ramstein

Das Kinderbuch Struwwelpeter aus dem Jahre 1844 hat einen sogenannten pädagogischen Ansatz. Die verzogene Brut

in Zappelphilipp, Suppenkasper oder Hans Guck-in-die-Luft nimmt stets ein böses Ende, weshalb man dem Buch mitunter einen autoritären Erziehungsstil vorwirft. Der Gedanke, dass man aus Schaden klug werden könnte, ist ja auch total unsensibel. Lieber werden wir aus Schaden nicht mehr klug. Die Antwort heißt 24 Stunden Fahrradhelm.


Meine Lieblings-Geschichte ist der Hans Guck-in-die-Luft: Ein Junge auf dem Weg zur Schule, der mit seinen Gedanken woanders ist und den Blick stets in den Himmel gerichtet hat. Seitdem hat sich nicht viel verändert, heutige Knaben blicken allerdings nicht in den Himmel, sondern auf ihr Smartphone, bevor sie mit Fahrradhelm unter die Räder kommen.


Hans Guck-in-die Luft rennt einen Hund über den Haufen, anschließend fällt er zur Erheiterung der Fische samt Schulmappe ins Wasser. Wenn ich meiner Mutter glauben darf, so blickte auch ich schon als Kleinkind beständig in den Himmel über der Eifel. Dies allerdings nicht, weil ich mit den Gedanken woanders war, sondern weil dort beständig amerikanisches Fluggerät übte. Die Luftwaffenbasis Spangdahlem war gleich ums Eck und sorgte stets für eine echte Qualitäts-Show da oben. Sowas prägt.


Mein liebster Autobahnabschnitt ist deshalb noch heute die A6 bei Kaiserslautern. Daneben liegt das Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte in Europa, die Ramstein-Airbase. Das ist die europäische Drehscheibe für amerikanische Fracht- und Truppentransporte. Die Anflugroute führt schräg über die Autobahn. Mit etwas Glück schwebt gerade eine Lockheed C-5 Galaxy ein. Das merkst du schon, bevor du den Riesenvogel siehst. Je nach Sonnenstand wird es nämlich dunkel, weil der fliegende Dinosaurier einen gewaltigen Schatten wirft. Dann fallen die Räder aus den Fahrwerksschächten und recken sich wie Krallen nach unten. Schließlich verschwindet das Ding donnernd hinter einem Wald.
Bundeswehr mit Putin-Airways

Die russische Konkurrenz konnte man bis vor einiger Zeit noch regelmäßig über der A9 bei Leipzig beobachten. Dort waren sowjetische Antonow AN-124 Riesenfrachter heimisch. Den Hintergrund habe ich erst in diesem Jahr aus der Zeitung erfahren. Die Bundeswehr chartert von den Russen Flugfrachter, um im Krisenfall schweres Gerät zu transportieren. Jetzt hat das russische Charterunternehmen den Vertrag gekündigt. Wodurch die staunende Öffentlichkeit von einer strategischen Meisterleistung erfährt: Sollten die Russen irgendwo militärischen Ärger anzetteln, worin sie ja durchaus Übung haben, dann ruft die deutsche Generalität erstmal in Moskau an. Dann erbittet sie dort ein Flugzeug. Und erwartet allen Ernstes, dass die Russen westliche Truppen einfliegen, damit diese rechtzeitig auf eben jene Russen schießen können. Gut, dass das keiner Donald Trump erzählt hat. Der macht aus sowas immer so hässliche Tweets.


Donald Trump hat ja auch gerade gesagt, dass die Deutschen ihm zu abhängig von russischem Gas sind und dass sie Putin reich machen. Ferner ist er der Meinung, dass die Energieversorgung für ein Land eine wichtige strategische Bedeutung hat. Das wirkte, als sei der Fuchs in den Hühnerstall eingebrochen. Sogenannte Faktenchecks wurden Trump entgegengeschleudert wie dem Vampir die Knoblauchzehe. Die Mühe hätte man sich eigentlich sparen können. Denn alles, was Trump sagte, hat man selbst vorher geschrieben. Das Handelblatt schrieb vor vier Jahren „Die Krim-Krise zeigt, wie abhängig Deutschland von Russland ist – denn das Land ist unser wichtigster Gaslieferant“. Und der Spiegel blies ins gleiche Horn: „Deutschland ist in hohem Maße abhängig von Energie aus Russland, insbesondere von russischem Gas.“
Seitdem hat sich höchstens eines geändert: Die Abhängigkeit von russischem Gas ist noch größer geworden. Der deutsche Atomstrom versorgte das Land bislang zu einem großen Anteil mit zuverlässig bereitstehendem Strom für die Grundlast. Da Erneuerbare Energien die Lücke nicht verlässlich ausfüllen können, steigen auch die deutschen Energieimporte. Die Versorgungssicherheit nimmt seit der Energiewende ab. Um diesen Zustand weiter zu befördern, wollen unsere Nachtwächter jetzt auch noch möglichst schnell aus der Kohle aussteigen und haben das unkonventionelle „Fracking“ faktisch verboten. Die Technologie also, die es den USA ermöglichte, sich von Importen aus Nahost unabhängig zu machen.
Wladimir Wladimirowitschs tiefes Gefühl der Dankbarkeit

Bildlich gesprochen: Putin freut sich über jedes deutsche Windkraftwerk, da vor allem Gaskraftwerke für die Zeit bereitstehen müssen, in der der Wind nicht weht. Nach Gerhard Schröder führt Angela Merkel Deutschland weiter konsequent in Energiegeiselhaft. Donald Trump hat Deutschland vor dem Nato-Gipfel als „Gefangene“ Russlands bezeichnet. Merkel sagte dazu, dass sie selbst erlebt habe, „dass ein Teil Deutschlands von der Sowjetunion kontrolliert wurde“. Ja erlebt hat sie es, gelernt hat sie daraus aber offensichtlich nichts. Die Tatsache jedenfalls, dass Gerhard Schröder, der mit Jürgen Trittin den Atomausstieg einleitete, heute auf der Payroll von Putin steht, zeigt Wladimir Wladimirowitschs tiefes Gefühl der Dankbarkeit.


Der amerikanische Präsident, kein besonders taktvoller Zeitgenosse, macht die Energiewende – ohne sie zu nennen –, so platt wie ein Sherman Panzer den Westwall. Da spricht einer auf dem Nato-Gipfel plötzlich etwas vor aller Welt aus, was unsere politischen und medialen Sparleuchten eigentlich unter der Decke halten wollten. Die Energiewende ist ja nicht nur eine sicherheitspolitische Katastrophe, sondern ein Angriff auf die Industrienation als solche. Sie trägt nicht zur Erreichung irgendwelcher Klimaziele bei, statt dessen kostet sie die Menschen Wohlstand und zerstört Landschaft und Natur. Noch nie hat sich ein Industrieland für so viel Geld so gründlich blamiert. Bedauerlicherweise gilt das auch für die Bundeswehr, die eigentlich keine Armee mehr sein soll, sondern so eine Art Sozialdienst, der das Essen auf Rädern mit Kettenfahrzeugen ausliefert.


Konflikte werden in diesem Land nicht ausgetragen, sondern von der Politik outgesourced, egal ob es sich um die Gewinnung fossiler Energie, Atomkraft oder Landesverteidigung handelt. Sollen es doch die Russen für uns machen oder die Amerikaner oder wer auch immer. Oder, wie im Falle der Migrationspolitik, soll es die Bevölkerung richten, ohne dass man sie jemals gefragt hat, ob sie Bock auf sowas hat.


Womit wir wieder beim Anfang gelandet sind. Deutschland ist der Hans Guck-in-die-Luft des Westens, der über den Hund stolpert und wohl erst einmal baden gehen muss. Und bitte nicht Donald Trump weitersagen: Wenn er sich durchsetzt, dann werden wir künftig statt 1,5 Prozent eben vier Prozent des Brutto-Inlandproduktes für eine Bundeswehr ausgeben, die sich nicht wehren soll. Das kriegen wir hin.

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