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Neues Wohn- und Kulturzentrum

„BELLEVUE“ im Glockenbach: Wo aus Flüchtlingen Münchner werden

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Stolz auf das Ergebnis ist Matthias Weinzierl vom Vorstand des Bellevue.





Aufgeregte Betriebsamkeit am Freitag im Glockenbachviertel: Arbeiter streichen noch schnell eine Treppe, montieren eine Küche, schrauben Leuchtbuchstaben an die Fassade: „BELLEVUE“ prangt nun an der Müllerstraße 2.


München - Drei Jahre, nachdem der Stadtrat grünes Licht gegeben hat, eröffnet an diesem Wochenende das Wohn- und Kulturzentrum für Flüchtlinge und interessierte Münchner. Oder wie es die Betreiber nennen: für Neu- und Altmünchner. Hier wohnen nicht nur geflüchtete Familien, hier gibt es nun auch ein prächtiges Amphitheater aus Holz, Räume für Workshops, Konzerte, Hausaufgabenhilfen, eine Radlwerkstatt, ein Frauencafé und mehr. Wir sprachen mit Matthias Weinzierl (46) vom Vorstand der Sozialgenossenschaft des Bellevue:


Herr Weinzierl, wenn Sie sich hier umschauen, was fühlen Sie?



Es ist immer noch surreal. Wir arbeiten jetzt seit Jahren an dem Projekt. Nun wird es tatsächlich fertig – das fühlt sich so gut an! Es ist doch Wahnsinn: Vor zwei Wochen war hier noch eine Garagenzufahrt, jetzt sitzen wir in einem Amphitheater. Aber das Schönste ist nicht, dass alles fertig wird, sondern: Es wird von den Leuten sofort angenommen. Es ist ein belebter Ort.


Sind Sie stolz darauf, was Sie geschafft haben?



Wenn der Begriff nicht verbunden ist mit Selbstzufriedenheit, ja, dann bin ich stolz. Hier mit diesem Haus haben wir Perspektiven geschaffen. Einen weltoffenen, angstfreien, lebensfrohen Ort. Dazu haben die unterschiedlichsten Teile der Münchner Stadtgesellschaft etwas beigetragen. Anfangs, vor vier Jahren, war es für mich ja erst einmal die Faszination zu sehen, was geht, was in dieser Stadt wohl alles möglich ist. Doch dann kam so vieles ins Rollen, was ich nie vergessen werde, wie etwa die Kundgebung gegen Pegida, kurz vor Weihnachten 2014. Tausende Menschen kamen auf den Max-Joseph-Platz. Und das war ja auch erst der Anfang.


Was begeistert Sie am meisten am Bellevue-Projekt?


Dass es so eine Vielfalt von Menschen ist, die uns unterstützen. Bürgerliche Leute, reiche, arme, alte, junge… Lustig ist: Wenn die sich hier mit den geflüchteten Menschen treffen, dann sind sie auf Augenhöhe. Es gibt hier sogar oft einen Rollentausch: Wenn Geflüchtete hier von ihrer Herkunftsregion erzählen oder zum Beispiel zeigen, wie man dort kocht, dann sind sie plötzlich nicht mehr nur Flüchtlinge. Sondern Handwerker, Dichter, Maler, Akademiker – eben das, was sie vorher auch waren.

„Nur wer den Schritt in die Gesellschaft hineingehen kann, hat eine Chance“

Gibt es Schicksale, die Sie besonders bewegt haben?



Ganz viele Geschichten! Wie die von Blessed aus Nigeria. Er kam als Praktikant auf unsere Baustelle und hat es nun sogar zu einer Festanstellung bei einer Baufirma gebracht. Oder eine Familie, die in ihrer Flüchtlingsunterkunft in Neuburg an der Donau massiv gegen Rassismus kämpfen musste. An dem Moment, als sie bei uns einziehen durfte, haben wir alle geweint – die Familie, weil sie es nicht fassen konnte, so ein Glück zu haben. Und wir, weil es so schön war, helfen zu können. Das war ein erhabener Moment.



Was sind Ihre Ziele für die Zukunft?



Wir brauchen noch jede Menge Genossen, damit wir auch in Zukunft alles stemmen können. Aktuell planen wir ja noch einen Bolzplatz auf dem Dach. Dafür brauchen wir Spenden.



Was denken Sie, wird Ihr „Bellevue“ auf lange Sicht erreichen können?



Ich mache jetzt seit den 90er- Jahren Flüchtlingsarbeit und habe gelernt: Nur wer den Schritt in die Gesellschaft hineingehen kann, hat eine Chance. Und diesen Schritt können die Leute bei uns gehen. Ich finde die aktuellen Diskussionen um Flüchtlinge und Migranten unerträglich. Da geht es nur um Wahlkampf. Wir sollen nicht überlegen, wie wir die Leute aus unserem Deutschland rauskriegen, sondern wie wir sie in unsere Gesellschaft hineinkriegen. Dafür wäre es wichtig, dass es in ganz Deutschland ganz viele Bellevues gibt – lebenswerte Orte für alle.



Interview: Andrea Stinglwagner
Bellevue di Monaco

Die neue Location feiert am Wochenende die Fertigstellung des Wohn- und Kulturzentrums mit einem Straßenfest – zusammen mit dem Bürgerhaus Glockenbachwerkstatt. Am Samstag um 13 Uhr geht es los auf dem gesperrten Teil der Corneliusstraße (zwischen Müller- und Blumenstraße) sowie in den Innenhöfen und Häusern (Blumenstraße 7 und Müllerstraße 2 bis 6). Es gibt ein musikalisches Programm von HipHop bis zu den Wellküren, dazu stellen sich die Gruppen und Angebote des Projekts vor, es gibt ein Kinderprogramm, eine Modenschau und ein Fußballturnier. Am Sonntag geht das Fest ab 10 Uhr weiter mit einem Brunch, Weißwurstfrühstück und Livemusik.

- Zitatende -

https://www.tz.de/muenchen/stadt/lud...n-9938583.html

Es handelt sich also hier (Absatz vor dem eigentlichen Interview) um eine Sozialgenossenschaft.