Das Gericht befand, der Gesetzgeber könnte sehr wohl die Anspruchsvoraussetzungen ändern, um eine Staatsbürgerschaft für diese Antragsteller auszuschließen (Ende des Artikels), in dem man beispielsweise eine

"Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse"

verlange. Ich gehe jede Wette ein, dass der Gesetzgeber dieses niemals tun wird.


Zwei Hochzeiten im selben Jahr

Syrer heiratet zwei Frauen – und könnte trotzdem die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen

Der Fall eines Syrers beschäftigt die deutschen Gerichte. Als bekannt wurde, dass er mit zwei Frauen verheiratet ist, wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft wieder weggenommen. Doch er klagte dagegen.

Der Fall eines Syrers, der mit zwei Frauen verheiratet ist und um die deutsche Staatsbürgerschaft kämpft, beschäftigt die deutschen Gerichte. Nun entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in der Sache - das Urteil wurde am Mittwoch veröffentlicht.

Die Richter hatten über folgende Frage zu befinden: Schließt eine im Ausland geschlossene rechtsgültige Zweitehe einen Einbürgerungsanspruch in Deutschland aus? Oder, einfacher formuliert: Kann jemandem die deutsche Staatsbürgerschaft verweigert werden, weil er im Ausland eine Zweitehe geschlossen hat, also gleichzeitig mit mehreren Partnern verheiratet ist? Knifflig ist der Fall, weil man hier mit zwei Paragraphen im Gesetz argumentieren kann. Das wird in der Urteilsbegründung der Leipziger Richter deutlich.

Denn sie befanden: Nein, eine Mehrehe ist kein ausreichender Grund, um jemandem die Einbürgerung zu verweigern. Denn eine solche Ehe stehe einem wirksamen Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht entgegen. Jetzt muss der Fall des Mannes erneut geprüft werden. (Az. BVerwG 1 C 15.17)

Der Syrer lebt seit 1999 in Deutschland und hat auch hier studiert. Seine Einbürgerung war zurückgenommen worden, nachdem seine Zweitehe bekannt geworden war. Die Begründung für die Rücknahme lautete: "Durch das Verschweigen der Zweitehe und die im Einbürgerungsantrag abgegebenen Erklärungen habe er arglistig über die Einbürgerungsvoraussetzungen getäuscht".
Erste Ehe und Zweitehe wurden kurz hintereinander geschlossen

Der Mann klagte gegen diese Rücknahme vor Gericht. Der Bauingenieur hatte im April 2008 eine Deutsche und im Juni 2008 in Damaskus eine Syrerin geheiratet.
Mit seiner ersten Frau hat er drei Kinder. Er erkannte zudem die Vaterschaft für eine Tochter aus seiner zweiten Ehe an. Das Mädchen wohnt inzwischen mit ihm in Karlsruhe, auch seine Zweitfrau lebt seit dem vergangenen Jahr in einer eigenen Wohnung in der Stadt.


Der Mann wurde im Jahr 2010 auf Grundlage von Paragraf neun des Staatsangehörigkeitsrechts eingebürgert, der die Einbürgerung von Ehepartnern vorsieht. Seine Zweitehe verschwieg er dabei. Im Jahr 2013 wurde die Entscheidung deshalb wieder zurückgenommen.
Voraussetzung für eine Einbürgerung als Ehepartner ist unter anderem, dass der Antragsteller sich in die deutschen Lebensverhältnisse einordnet. Das Bundesverwaltungsgericht entschied nun, dass die im Einbürgerungsverfahren verschwiegene Zweitehe dieser Anforderung entgegenstehe.
Syrer könnte aufgrund eines anderen Paragraphen eingebürgert werden

Jedoch steht dem Syrer grundsätzlich noch eine Einbürgerung über Paragraf zehn des Gesetzes offen. Voraussetzung ist in diesem Fall unter anderem das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Dies verlangt nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts "ein Bekenntnis zu einem auf Recht und Gesetz sowie der Achtung und dem Schutz der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte gründenden Gemeinwesen, aber kein Bekenntnis zum Prinzip der bürgerlich-rechtlichen Einehe".
Keine Überraschung ist es, dass nun auch die Zweitfrau in einer eigenen Wohnung in Deutschland lebt.

Lücke im Gesetz - aber das Gesetz kann ja geändert werden

Die Leipziger Richter machten deutlich, dass es dem Gesetzgeber frei stehe, die rechtliche Grundlage zu ändern - und eine Anspruchseinbürgerung auszuschließen, wenn eine Mehrehe bestehe. Dazu könne etwa nach dem Vorbild von Paragraf neun des Gesetzes auch dafür eine "Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse" verlangt werden. Sprich: Der Paragraf, nach dem der Syrer eingebürgert werden könnte, müsste vom Gesetzgeber so geändert werden, dass eine Einbürgerung bei einer Mehrehe auch auf dieser Grundlage nicht mehr möglich ist.


Den Fall des Syrers verwies das Bundesverwaltungsgericht an den Verwaltungsgerichtshof in Mannheim zurück. Die Mannheimer Richter müssen nun prüfen, ob der Syrer zum Zeitpunkt der Rücknahme seiner Einbürgerung einen Einbürgerungsanspruch hatte. Dabei geht es unter anderem um die Frage, ob er seinen Lebensunterhalt sichern konnte.
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