Ulrike B. erklärt sich erstmals in Bamf-Affäre
Bremer Skandal-Chefin steht zu allem und droht Politikern: Es wird noch alles ans Licht kommen
Die Auslöserin des derzeit größten Skandals der Bundesrepublik erklärt sich erstmals. Dabei greift sie die Bamf-Chefs an - und droht auch führenden Politikern.
Bremen - Sandalen, dunkle kurze Hose, rosa T-Shirt, eine Brille und kurze braune Haare. So sieht Ulrike B., die einstige Chefin der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration (Bamf), in der Mittwochsausgabe der Bild aus. Sie ist der Auslöser des Asyl-Skandals über welchen derzeit die ganze Republik spricht.


B. soll über 3.000 Asylbescheide unrechtmäßig ausgestellt haben. Geholfen haben sollen dabei Anwälte. B. ist mittlerweile suspendiert, gegen sie ermittelt die Bremer Staatsanwaltschaft, was der Grund ist, dass die 57-Jährige der Zeitung nur erlaubt die Inhalte des Gesprächs zu veröffentlichen, nicht aber die Zitate.
Das ungewöhnliche: B. streitet nichts von den Vorwürfen ab, sagt, dass Korruption ein lächerlicher Vorwurf sei. Ihr wäre es immer um die Menschen gegangen. Doch sie hat einen Verdacht: Sie soll diejenige sein, die geopfert werden soll. Doch warum?


Schuld am Bamf-Chaos? B. macht Weise verantwortlich

Der Bild erläutert sie den Grund: Als ab 2014 immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland kamen, sei das mit dem vorhandenen Personal nicht mehr zu stemmen gewesen. Das hätten alle gewusst. Doch zunehmend sei es nur noch um Fallzahlen gegangen und Bearbeitungszeiten – nicht aber um die menschlichen Schicksale. Es dürfte die Zeit gewesen sein, als Frank-Jürgen Weise Bamf-Präsident wurde. Auf ausdrücklichen Wunsch der Regierung forcierte er das Tempo bei den Bearbeitungen und auch die Effizienz.

Nach B.’s Meinung ist Weise (wurde im September 2015 Bamf-Chef) letztlich schuld am jetzigen Skandal. Und: Auch seine Nachfolgerin Jutta Cordt (seit Anfang 2017 im Amt). Das ist besonders brisant, da Cordt ohnehin schon unter gewaltigem Druck steht. Aufgetauchte Emails deuten darauf hin, dass sie schon frühzeitig von den Vorgängen in Bremen Kenntnis besaß – sie verneint das jedoch.
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Auch Straftäter unter „durchgewunkenen“ Bescheiden: Ulrike B. findet, Irren sei menschlich

Und B.? Die klagt Weise und Cordt an: Beide seien über die Vorgänge und Probleme informiert gewesen. Damals habe es keinen interessiert. Die Hauptsache war, dass die Asylfälle irgendwie weggearbeitet worden seien. Auf Nachfrage von merkur.de wollte sich Weise dazu nicht äußern. Auch das Bamf möchte unter Verweis auf die laufenden Ermittlungen nichts kommentieren.


Statt Qualität bekam die Leitung des Bamf irgendwann nur noch Quantität geliefert. Und Ulrike B. machte sich mit ihrer Behörde selbstständig. Es müssten doch die Menschen in Not zählen, soll sie laut Bild gesagt haben, und nicht die Zahlen.
Angesprochen darauf, dass auch Straftäter unter den „durchgewunkenen“ Asylbewerbern waren, soll sie lapidar gesagt haben: Irren sei menschlich.
Wirklich heikel wird der Bericht gegen Ende. Da klagt Ulrike B. an: Es gebe viele, die vom Systemversagen gewusst hätten. Viele hätten tatsächlich zugeschaut, andere hätten das Amt verlassen, weil sie nicht mehr zuschauen wollten. So einer sei etwa Weises Vorgänger Manfred Schmidt.
Ulrike B. droht Politikern - wer ist damit gemeint?

B. arbeitete seit 1990 im Amt, ab 1993 als Leiterin der Außenstelle. B. dürfte eine umfassende Kenntnis über die Vorgänge im Bamf besitzen. Sie sagt: Das alles werde nun ans Licht kommen. Überhaupt sei erst gerade einmal ein Drittel des Ausmaßes bekannt. Dann bekämen auch die Probleme, die jetzt mit dem Finger auf sie zeigen würden. Wer damit gemeint ist? Laut Bild geht es um den damals als Kanzleramtschef auch Beauftragten für die Flüchtlingspolitik, Peter Altmaier, sowie um Innenminister Thomas de Maizière – und auch um Horst Seehofer.
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Letzterer hatte nach der Befragung im Innenausschuss noch mit dem Finger auf seine Vorgänger gezeigt. Doch auch Horst Seehofer war damals als CSU-Vorsitzender und damit als Chef von einer der drei Regierungsparteien, mitverantwortlich für die Flüchtlingspolitik – trotz aller Kritik an Angela Merkels Kurs, die er damals übte.


Nach Angaben des Innenministeriums prüft eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nun die Finanzen der Bremer Außenstelle über mehrere Jahre. Diese habe Zahlungen in Höhe von 8,5 Millionen Euro geleistet, etwa für Anwaltskosten oder Integrationskurse. Zunächst einmal sei damit "überhaupt kein Verdacht geäußert", hob eine Sprecherin am Mittwoch in Berlin hervor. Es sollten aber Unregelmäßigkeiten ausgeschlossen werden.


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https://www.merkur.de/politik/bamf-s...r-9911264.html