Gelungene Integration mit Schere

Die Integration von Flüchtlingen in die Gesellschaft und Gemeinschaft ist meist schwierig. Aber es gibt auch Gegenbeispiele: Das Beste in Prien ist Belal Mahmoud. Der Syrer ist inzwischen fest angestellt im Frisörsalon von Matthias Wachter.
Prien – „Er ist unglaublich loyal, er lernt schnell, ist außerordentlich aufmerksam und benimmt sich wie ein Unternehmer: Er schaut auf alles, was wichtig ist.“ Matthias Wachter schwärmt in den höchsten Tönen von Belal Mahmoud. Das kommt nicht von ungefähr.
Denn erstens beherrschte der 30-Jährige das Handwerk mit Schere, Rasiermesser und Kamm schon, bevor er vor zwei Jahren die Familie zurückließ und vor dem Krieg in Syrien nach Europa floh. In Damaskus hatte er ein eigenes Herrenfriseurgeschäft, hatte den Beruf gelernt.
In Syrien ist Friseur kein Ausbildungsberuf. Es gilt dort nur Learning by doing.

Und zweitens will er immer besser werden, nimmt zum Beispiel Fläschchen aus den Regalen, fotografiert das Kleingedruckte ab, scannt es ein und lässt es per Youtube von einem Sprachprogramm übersetzen, um die deutsche Sprache immer noch besser zu verstehen und zu sprechen. „Ich wusste gar nicht, dass die Zutaten manchmal auch auf Arabisch auf den Flaschen stehen“, grinst Wachter, so genau hatte er sie sich früher auch nicht angeschaut.
Mahmoud landete nach seiner Flucht zunächst in Pittenhart und kam vor etwa einem Jahr nach Prien. Wie alle Flüchtlinge wurde er im Sozialamt im Rathaus bei Yvonne Hoda vorstellig. Und als die hörte, dass der Syrer gelernter Herrenfriseur ist, griff sie zum Telefon. An Kontakten im Ort mangelt es Hoda nicht, seit sich seit 2015 die Asylbewerber bei ihr praktisch die Klinke in die Hand geben.
„Es ist mir eine Freude, Handwerkskunst aus dem Orient hier einzubringen.“ Belal Mahmoud

Und Hoda gelang es auch, das Jobcenter in Rosenheim zu überzeugen und grünes Licht zu geben. Nach einem sechswöchigen Praktikum im Dezember war für Matthias Wachter nämlich klar: Belal soll bleiben. Und so bekam er einen festen Vollzeitvertrag. Die Hälfte des Lohns übernimmt für ein halbes Jahr das Jobcenter.
Aus der Kartei im Rathaus ist Belal Mahmoud deshalb quasi gelöscht, finanzielle Unterstützung braucht er nicht mehr. Für sein Selbstwertgefühl ist das wohl ein ganz wichtiger Faktor. Als Wachter ihn damals fragte, was er denn für ein Ziel habe, antwortete der 30-Jährige: „In Deutschland Steuern zahlen.“ So erzählte es der Salonbesitzer im Gespräch mit der Chiemgau-Zeitung.
Anlass des Besuchs war ein fast historischer: Der evangelische Pfarrer Karl-Friedrich Wackerbarth opferte für ein Zeichen der Solidarität mit diesem Fall gelungener Integration einen Teil seines über Jahrzehnte gehegten und gepflegten Heiligtums: Mahmoud durfte den Rauschebart stutzen. Und er bewies, dass er dies meisterlich beherrscht. Schließlich gehen in Syrien weit mehr Männer zum Friseur, um ihre Bärte stutzen zu lassen, als Frauen, um sich die Haare machen zu lassen.


In Prien ist mittlerweile eine Art Trend spürbar. Wachter erzählt grinsend von einer steigenden Zahl von Frauen, die Gutscheine kaufen für ihre Männer, damit die sich im Salon an der Bernauer Straße den Bart stutzen lassen.
Um auf eigenen Beinen zu stehen, fehlt dem Syrer, der längst anerkannter Asylant ist, in Prien nur noch eins: eine eigene Wohnung. Zurzeit lebt er zur Untermiete in einem kleinen Zimmer einer Wohnung in der Eglwieser Straße. Hoda und Wachter unterstützen ihn bei der Suche, gut 500 Euro kalt würde er als Unterstützung bekommen. Die kreative Kraft vom Priener Sozialamt hat schon für Flüchtlinge und Familien Unterkünfte ausfindig gemacht, aber es ist ein mühsames und zähes Unterfangen.

Und es kann erschreckende und frustrierende Erlebnisse mit sich bringen. Als Wachter über Facebook für seinen Angestellten eine Wohnung suchte, bekam er unter anderem eine Antwort aus Trautersdorf: „Nicht für Flüchtlinge“.
https://www.ovb-online.de/rosenheim/...e-9755076.html

Das verstehe ich nicht. Also bekommt er doch Unterstützung, denn zuvor hieß es, er benötige und erhalte keine mehr.