Die Deutsch-Intensivklassen haben sich an der NAO-Schule Bad Schwalbach gut etabliert

BAD SCHWALBACH - „Voll peinlich“ ist das also: Wenn man nichts versteht und sich nur mit Händen und Füßen und – mit Glück – mit ein paar Englischbrocken verständigen kann. Wenn Lehrer wild fuchtelnd vor einem stehen und einem sagen wollen, dass man in der Pause nach draußen gehen soll – aber niemand reagiert.
Wer einmal wissen will, wie es sich anfühlt, ohne jegliche Deutschkenntnisse plötzlich am prallen Alltagsleben teilzunehmen, sollte sich mit Claudia, Jakub, Asraa oder Ineta unterhalten. Sie stammen in selbiger Reihenfolge aus Rumänien, Polen, Syrien und Litauen und sind sehr dankbar dafür, dass sie in einer Wahnsinnsgeschwindigkeit die Sprache lernen durften. Und das in geschützter Lernumgebung an der Bad Schwalbacher Nikolaus-August-Otto-Schule (NAOS): in einer Deutsch-Intensivklasse, sprachlich etwas ungelenk als „Dikla“ abgekürzt.
  • HERKUNFT: VON SPANIEN BIS THAILAND Die derzeit 34 Schüler der beiden Deutsch-Intensivklassen (Dikla) an der NAOS lernen die Grundlagen der deutschen Sprache.

    Nach Angaben der Schule ziehen die Familien als Arbeitnehmer nach Bad Schwalbach und Umgebung, sie kommen als Flüchtlinge oder Asylbewerber. Die Kinder der Intensivklassen stammen aus der ganzen Welt, aus Großbritannien und Spanien, aus Russland, Polen und der Türkei, aus Syrien, Afghanistan und Thailand. Etwa die Hälfte stammt aus den krisengeschüttelten Ländern Syrien, Afghanistan und Irak.

    Seit der Einrichtung der Deutsch-Intensivklassen im Jahr 2013 wurden mehr als 150 Schüler darin unterrichtet.

Es wird sich wohl um Flüchtlinge handeln oder um Pakistaner mit britischem Paß, die die Lebensbedingungen in Deutschland für besser befinden als auf der Insel.

Sieben Kinder pro Klasse. Traumhaft!

Die Bad Schwalbacher haben mittlerweile Erfahrung in der schulischen Integration von Migranten: An einer der ersten Schulen im Rheingau-Taunus-Kreis wurde an der NAOS vor fünf Jahren eine Intensivklasse installiert. Sieben Kinder seien darin unterrichtet worden, erzählt Johannes Lutz, der an der Schule für die Koordination der Arbeit mit jenen Schülern zuständig ist, für die Deutsch nicht die Muttersprache ist. Zu der Zeit ahnte noch niemand, dass es einmal zu einer starken Zuwanderungsbewegung wie 2015 kommen würde. Mittlerweile sind es 34 Kinder in zwei Klassen im Alter zwischen zehn und 15 Jahren.
Auch 34 Kinder in 2 Klassen ist ein traumhafter Klassenteiler. Gerade mal 17 Schüler pro Klasse!

„Die Schüler sind extrem motiviert und man sieht oft in kürzester Zeit einen enormen Sprachzuwachs“, erzählt Lutz. Seit zwei Jahren kümmert er sich um die „Dikla“ – eine Arbeit, in der er „direkten Sinn“ sieht. Und das obwohl die Ausgangsvoraussetzung nicht schwieriger sein könnte: Manch einer kann vielleicht einige Brocken Deutsch, der andere kennt nicht einen lateinischen Buchstaben. Aber mithilfe zum Teil individueller Betreuung funktioniere das, so Lutz. Und nach einem Jahr, in Ausnahmefällen auch nach bis zu zwei Jahren, wechseln die Schüler in die Regelklassen. Die meisten nehmen dann den Weg über die Haupt- und Realschule, einige haben es aber auch schon in die Gymnasiale Oberstufe geschafft.

Der Übergang ist schwierig: Nicht umsonst beklagen die Schüler, dass sie manchmal von Mitschülern wegen mangelnder Sprachkenntnisse ausgelacht werden. Das wird deutlich in Gesprächen mit den jungen Migranten, die Johannes Lutz gefilmt hat. Darin erzählen sie, dass sie sich oft nicht trauen, etwas zu fragen, aus Scham, fehlerhaft zu sprechen. Das Kollegium hat sich die Aufnahmen bei einem pädagogischen Tag angesehen: Für viele sei das „erhellend“ gewesen, berichtet Lutz. Der Unterricht ist – da muss man kein Idealist sein – der Schlüssel zur Integration.
Die Deutsch-Intensivklassen sind nach fünf Jahren angekommen in der NAOS. Der Versuchscharakter ist verschwunden, die Arbeit von Johannes Lutz und Kollegen wird ernst genommen, was sich alleine daran erkennen lässt, dass sein Schreibtisch im Trakt der Schulleitung angesiedelt ist.
Die Eltern nehmen großen Anteil
Dass es hier nicht etwa um britische Briten oder spanische Spanier geht, ergibt sich aus diesem Absatz. Es geht um Flüchtlinge:

Vor allem aber die Eltern messen der „Dikla“ eine hohe Bedeutung bei: Der schulische Erfolg des Nachwuchses sei den meisten sehr wichtig, erzählt Lutz. Das lasse sich zum Beispiel an der Teilnahme beim Elternsprechtag ablesen. Dennoch wohnen gerade Flüchtlingsfamilien oftmals auf engstem Raum, die Eltern dürfen nicht arbeiten, die Familien haben viel mitgemacht. Die Intensivklassen seien deshalb „ein Segen“ für die Schüler, ein Weg raus in die Gesellschaft. „Die Dikla ist wie eine Familie, ein geschützter Raum“, sagt Johannes Lutz. „Widersprecht mir, wenn ich was Falsches sage!“, fordert er die Runde mit Claudia, Jakub, Asraa und Ineta auf. Die vier nicken, plötzlich fängt Claudia an zu grinsen und sagt: „Und Sie, Herr Lutz, sind der Vater!“ Sein Versuch, mit Bescheidenheit das Lob abzuschwächen, bringt keinen Erfolg, denn Claudia schiebt schnell hinterher: „Doch wirklich, Sie machen das echt super.“ Der 17-Jährigen hört man kein bisschen mehr an, dass sie vor nur fünf Jahren ohne eine Wort Deutsch im Gepäck aus Rumänien in Bad Schwalbach ankam.
http://www.wiesbadener-tagblatt.de/l...t_18659836.htm