Fall Bivsi „Schlag ins Gesicht aller Ausländer, die sich rechtskonform verhalten“

Richter aus NRW beklagen ein Versagen des Staates: Gerichtlich beschlossene Abschiebungen würden nicht zur Genüge vollzogen. Der Fall des Mädchens Bivsi aus Nepal sei ein Paradebeispiel. In Spanien laufe es besser.
Verwaltungsrichter in Düsseldorf haben die deutsche Abschiebepraxis scharf kritisiert. Der große Aufwand im Asylrecht sei nur sinnvoll, wenn die Urteile auch umgesetzt würden. Doch daran hapere es, wie der Fall der Nepalesin Bivsi aus Duisburg zeige.
Bivsi war am 29. Mai vergangenen Jahres mit ihren Eltern nach Nepal abgeschoben worden, nachdem der Asylantrag der Familie in allen Instanzen gescheitert war. Die 15-Jährige und ihre Eltern waren nach erfolgreichem Protest auch von Politikern im vergangenen August mit einem Schüleraustausch-Visum wieder eingereist. Die Eltern dürfen Bivsi aus humanitären Gründen für die Dauer der Ausbildung begleiten.
„Es dreht sich ein riesiges rechtsstaatliches Rad und die Urteile laufen dennoch ins Leere“, sagte Gerichts-Vizepräsidentin Gabriele Verstegen am Freitag. „Der Staat muss rechtsstaatliche Entscheidungen vollziehen, ansonsten kann er sich das Geld sparen“, ergänzte Gerichtspräsident Andreas Heusch.
Dass auch die Eltern des Mädchens Bivsi wieder hätten einreisen dürfen, sei „ein Schlag ins Gesicht aller Ausländer, die sich rechtskonform verhalten“. Bivsis Eltern hätten „getrickst, betrogen und getäuscht, den Staat jahrelang vorgeführt“, sagte Heusch. Das Bleiberecht könne nicht davon abhängen, „wie mediengerecht das Anliegen präsentiert“ werde.
Die Richter kritisierten weiter, dass faktisch niemand in den Iran und den Irak abgeschoben werde. Im Irak gebe es durch das Zurückdrängen des IS durchaus sichere Regionen wie den Nordirak. Die nordafrikanischen Staaten nähmen ebenfalls kaum eigene Staatsbürger aus Deutschland zurück. „Spanien macht das deutlich besser und hat entsprechende Rückführungsabkommen geschlossen“, hieß es.
19.300 Asylklagen im vergangenen Jahr

Das größte Verwaltungsgericht Nordrhein-Westfalens hat im vergangenen Jahr einen Rekordeingang von Asylklagen verzeichnet. 19.300 Klagen und Eilanträge seien eingegangen, eine Steigerung von noch einmal 41 Prozent nach 141 Prozent im Jahr zuvor. Bundesweit seien es 400.000 und landesweit 80.000 Verfahren gewesen.
Bei der Zahl der Schutzsuchenden hätten Menschen aus Afghanistan am Gericht jene aus Syrien an der Spitze abgelöst. Die Erfolgsquote der Afghanen liege bei 30 Prozent. Obwohl es auch in Afghanistan relativ sichere Regionen gebe, würden dorthin praktisch nur Straftäter abgeschoben, kritisierte das Gericht.
Kritisch äußerten sich die Richter auch zum Kirchenasyl und dem Werben staatlicher Psychiatrien mit Slogans wie „Fühlen sie sich von Abschiebung bedroht?“ Bei den Richtern sei der Eindruck entstanden, Aufenthalte im Kirchenasyl oder in der Psychiatrie würden gezielt eingesetzt, um Fristen ins Leere laufen zu lassen.
Auch beim Bundesamt für Migration sehen die Juristen Verbesserungsbedarf. Die Prozessbearbeitung der Bundesbehörde bleibe derzeit leider auf der Strecke, hieß es. Auf Hinweise oder Nachfragen der Richter an die Behörde erfolge meist keine Reaktion. Dies sei, was den Fortgang der Asylverfahren angehe, „sehr unerfreulich“.
Immer mehr afghanische Asylbewerber müssen Deutschland verlassen






Knapp 14.600 Afghanen waren Ende Januar ausreisepflichtig. Das sind rund 1770 mehr als noch vor einem Jahr. 71 Prozent der ausreisepflichtigen Afghanen verfügen demnach über eine Duldung.



Die Schülerin Bivsi reiste nach ihrer Abschiebung mit einem Schülervisum erneut nach Deutschland
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