Mit Messer am Hals aus dem Schlaf gerissen

Der nächtliche Überfall auf zwei Frauen aus der Gießener Weststadt klingt wie ein Albtraum. Jetzt müssen sich drei Angeklagte vor Gericht verantworten.
Das Licht einer Taschenlampe reißt die Frau aus dem Schlaf. Ein maskierter Mann springt auf ihr Bett und hält der 55-Jährigen ein Messer an den Hals. »Wenn du schreist, ramme ich dir das Messer in den Bauch«, herrscht er sie an. Während die Gießenerin die Klinge auf ihrer Haut spürt, wird ihre Mitbewohnerin in einem anderen Schlafzimmer von einem weiteren Täter eingeschlossen. Ein Horrorszenario, das sich nicht als Albtraum entpuppt – es ist 3 Uhr morgens am 12. Juni vergangenen Jahres in einem Reihenhaus in der Weststadt.
Beide Frauen – das zweite Opfer ist 61 Jahre alt – blieben zwar unverletzt, leiden aber bis heute psychisch an den Folgen dieses Überfalls. Ob der Prozess gegen die mutmaßlichen Täter – er begann am Donnerstag vor der Siebten Großen Strafkammer des Gießener Landgerichts – ihnen eine Hilfe sein kann, das Geschehene besser zu verarbeiten, muss sich noch zeigen.
Dabei hatte es schon im vergangenen November eine Gerichtsverhandlung gegeben. Vor einem Jugendschöffengericht des Gießener Amtsgerichts gestand ein 21-jähriger Syrer, mit einem Komplizen in das Haus der Gießenerinnen eingedrungen zu sein. Aber der Prozess wurde abgebrochen. Eine Sprecherin der Jugendgerichtshilfe regte an, den durch seine Flucht »verselbstständigten« Angeklagten nach Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen. Da dies bei schwerem Raub mindestens fünf Jahre Haft bedeutet, wurde sein Fall an das Landgericht verwiesen.
Drogensucht und viele Vorstrafen

Die anderen drei Beschuldigten waren zur Tatzeit schon erwachsen und sitzen von vornherein beim Landgericht auf der Anklagebank. Laut Staatsanwaltschaft vermuteten sie, 16 000 Euro Bargeld im Haus der Opfer zu finden. Ein Sohn der Älteren der beiden Frauen soll dies gegenüber einem der Angeklagten beiläufig erwähnt haben.
Daraufhin hätten dieser Mann und ein weiterer Komplize beschlossen, den Syrer und einen aus Somalia stammenden Mann zu dem Raub anzustiften. Die Beute sollte geteilt werden. Die beiden mutmaßlichen Anstifter – Gießener im Alter von 28 und 30 Jahren – wollen sich nicht zu den Vorwürfen äußern.
Während der Ältere – ein türkischstämmiger Deutscher – komplett schweigt, äußerte sich der Jüngere zu seinen Lebensumständen. Demnach kam er als Sohn eines heroinabhängigen Vaters noch als Säugling mit seiner Mutter aus Spanien nach Gießen. Eigenen Angaben zufolge war er schon in der Schule verhaltensauffällig, nahm seit dem 13. Lebensjahr Kokain und landete mit 15 das erste Mal im Gefängnis.
Die Lebensgeschichte des somalischen Angeklagten klang ähnlich bewegt: Er kam laut eigenen Worten über den Jemen zunächst nach Berlin, konsumierte und verkaufte Drogen, landete ebenfalls hinter Gittern. Später zogen seine Eltern nach Gießen. Er will sich allerdings zu dem Raub in der Weststadt äußern.
Ermittler kamen ihm und dem Syrer auf die Spur, weil Zeugen sie am Tatort beobachtet hatten. Der Prozess wird am Montag fortgesetzt.
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