Familienglück mit Fragezeichen: Flüchtling als Pflegesohn aufgenommen






Willkommen bei Ursula Mußner und Martin Skowronnek. Die Trostberger Familie aus hat eine Flüchtling aufgenommen – wie die Hartmanns im Kinofilm. Die Geschichte von Ibrahim aus Afghanistan besteht vor allem aus einer über fünfjährigen Odyssee, die nun ein gutes Ende gefunden hat – am Kachelofen im Bauernhaus in Nunbichl.




Eine deutsche Familie nimmt einen Flüchtling auf – für viele Kinobesucher ist das die unterhaltsame Filmhandlung von "Willkommen bei den Hartmanns". Für Ursula Mußner und ihren Lebensgefährten Martin Skowronnek dagegen die Wirklichkeit. Im Dezember letzten Jahres – just zum Start des Kinohits – ist ihr Pflegesohn Ibrahim Dawudkhil bei ihnen eingezogen. Und auch wenn dieses seltene Integrations- und Familienprojekt mit viel Aufwand und Energie verbunden und das Schicksal des 18-jährigen Afghanen alles andere als Komödienstoff ist: Das Ganze hat sich auch im richtigen Leben im Trostberger Ortsteil Nunbichl zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt. "Ibrahim bereichert unser Leben ungemein", sagt Ursula Mußner.


Aus einer drei- ist eine vierköpfige Familie geworden. "Es rührt sich wieder mehr im Haus", findet die 49-Jährige. Ihre Tochter Sina (22), die noch im großen, umgebauten Bauernhaus der Eltern wohnt, aber voll im Berufsleben steht, hat quasi einen kleinen Bruder bekommen. Und dass die beiden wie echte Geschwister manchmal auch wie Hund und Katz sein können, etwa wenn es um die morgendliche Bad-Benutzung geht, passt zur positiven Bilanz, die Ursula Mußner und Martin Skowronnek ziehen: "Wir raufen uns zusammen. Jeder macht Kompromisse. Es ist ein sehr harmonisches, liebevolles Miteinander."
Wegbereitend war die Nähe zur Kreisklinik, wo Jugendamt und Diakonie vor zwei Jahren unbegleitete minderjährige Flüchtlinge unterbrachten. "Meine Schwester hat auf einer Gassi-Runde zwei der jungen Afghanen kennengelernt und sich dann als ehrenamtliche Helferin engagiert", erzählt Ursula Mußner. "Wir haben uns das auch angesehen und waren sofort beeindruckt von der Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Geflüchteten." Ibrahim sei der einzige gewesen, der immer gesagt hat, dass er so gerne in eine Familie wolle, erinnert sich Ursula Mußner. Man freundete sich immer mehr mit dem Gedanken an, ihn als Pflegesohn aufzunehmen. "Nach reiflicher Überlegung", wie Martin Skowronnek sagt. "Denn es ist schon eine Entscheidung, die viel neue Verantwortung mit sich bringt." Und zunächst auch, wie der 50-Jährige hinzufügt, eine Welle an Bürokratie.
Umso unkomplizierter spielte sich der Alltag ein, nachdem Ibrahim in das von Hobby-Handwerker Skowronnek renovierte Zimmer im ersten Stock eingezogen war. "Er ist ein sehr offener Mensch, der auf die Leute zugeht und mit jedem schnell in Kontakt kommt", beschreibt er seinen Pflegesohn. Nachbarn, Freunde oder Angehörige, die den Entschluss zunächst skeptisch betrachtet hätten, seien ein Paradebeispiel für das Phänomen geworden, "dass man Vorurteile und Unsicherheit schnell ablegt, wenn man mit Asylbewerbern ins Gespräch kommt und ihr Schicksal kennenlernt".


Ein Schicksal, das bei Ibrahim ein besonders schlimmes ist. Wenn der 18-Jährige von seiner fünfjährigen Odyssee erzählt, kommen Ursula Mußner auch jetzt noch die Tränen. "Dass Kinder so etwas mitmachen müssen, führt einem immer wieder vor Augen, dass es auf dieser Welt einfach keine Selbstverständlichkeit ist, wie wohlbehütet und privilegiert wir hier bei uns aufwachsen."


Ibrahims Vater wurde von den Taliban ermordet, als er zehn war. Bis heute weiß er nicht, ob seine Mutter und seine drei jüngeren Brüder noch leben. Noch belastender ist aber die Angst, wieder in seine bedrohliche Heimat zurück zu müssen. "Seine einjährige Aufenthaltsgestattung läuft im April aus. Wir können nur hoffen, dass sie verlängert wird", sagt Ursula Mußner. "Es wäre auch für uns eine Katastrophe, wenn Ibrahim nicht in Deutschland bleiben dürfte. Wir werden dafür kämpfen, dass sein großer Wunsch, sich hier ein neues Leben aufzubauen, in Erfüllung geht."
http://www.heimatzeitung.de/lokales/...fgenommen.html

Zum letzten Absatz, den ich besonders lesenswert finde.

Ich schätze, dass er, spätestens nachdem er sein Aufenthaltsrecht bzw. seine Niederlassungserlaubnis erhalten hat, feststellen wird, dass seine Mutter und seine drei Brüder (oder mehr) noch leben und er sie sodann nach Deutschland nachholen kann.