Schlechte Bildungsbilanz von Muslimen: Religion ist kein eigenständiger Faktor

KONSTANZ. Der Bildungserfolg muslimischer Kinder in Deutschland ist geringer als der ihrer Mitschüler mit anderen Konfessionen. Was angesichts der langen Bildungstradition islamisch geprägter Kulturen eigentlich nahe liegt, belegt nun eine Studie: Nicht die Religionszugehörigkeit ist Ursache, sondern vielmehr die soziale Herkunft.
So, so. Da verwechselt die Lehrerzeitschrift gerne die islamischen Unis, in denen der Koran und das islamische Recht Scharia gelehrt wird, mit den naturwissen- und geisteswissenschaftlichen Universitäten Europas.

Angesichts der Integration hunderttausender Flüchtlinge an den deutschen Schulen werden auf der Problemseite oft religiös basierte kulturelle Faktoren ins Feld geführt. Ernährungs- und Bekleidungsvorschriften, teilweise nicht vorhandener Bereitschaft, zur Teilnahme am Sportunterricht oder Probleme in der Akzeptanz von weiblichen Lehrern lassen Viele grundsätzlich an der Integrierbarkeit muslimischer Migranten zweifeln.
Abgesehen von Vorurteilen und Stammtischparolen, scheint der geringere Bildungserfolg von Muslimen und türkischstämmigen Schülern, auch wenn deren Familien schon seit mehreren Generationen in Deutschland leben, den Kritikern Recht zu geben. Insgesamt haben es Muslime im deutschen Schulsystem immer noch schwer, obwohl Studien Lehrern eine überdurchschnittlich aufgeschlossene Haltung gegenüber Muslimen bescheinigen. Seltener als der Durchschnitt machen sie Abitur und auch unter den Schulabbrechern ist ihre Zahl höher, als ihr Bevölkerungsanteil erwarten lässt.
Trotz einer zumeist aufgeschlossenen Haltung: Lehrer haben gegenüber Muslimen Vorurteile, die sich im Unterricht auswirken
In der öffentlichen Debatte werden dieser geringere Bildungserfolg muslimischer Kinder und der langsamere Integrationsverlauf Türkeistämmiger oft auf religiöse Unterschiede zurückgeführt.


Das dem nicht so ist, zeigt eine aktuelle Untersuchung der Universitäten Konstanz und Göttingen. Die Soziologen Claudia Diehl und Matthias Koenig ermittelten auf Basis einer großangelegten Panel-Studie von Schülern der neunten Klasse, ob Religionszugehörigkeit oder individuelle Religiosität Einfluss auf den Bildungserfolg haben. Dabei nahmen sie rund 5000 Schüler in den Blick.


Die Ergebnisse belegten deutlich, dass das schlechtere Abschneiden einzelner Konfessionsgruppen im deutschen Bildungssystem nicht mit religiösen Faktoren zu erklären sei. Entscheidende Faktoren seien in erster Linie der sozioökonomische Status des Elternhauses sowie sprachliche und kognitive Kompetenzen.
Die zentralen Ergebnisse:
• Personen mit Migrationshintergrund sind in allen konfessionellen Gruppen tendenziell religiöser. 62 Prozent der muslimischen Schüler ist ihr Glaube „sehr wichtig“.
Die Leistungsmotivation unter den Muslimen ist bei den religiösen Jugendlichen etwas stärker ausgeprägt – und auch teilweise stärker als bei den Einheimischen.
In der Sprachverwendung zu Hause finden sich keine Unterschiede in Abhängigkeit von der individuellen Religiosität, wenngleich die Herkunftssprache von Muslimen häufiger verwendet wird als von anderen Konfessionsgruppen mit Migrationshintergrund.
Muslime haben insgesamt etwas schlechtere Noten als die meisten anderen Konfessionsgruppen. Dies lässt sich allerdings damit erklären, dass sie mehrheitlich aus Elternhäusern mit niedrigerem Sozial- und Bildungsstatus stammen und zu Hause häufiger die Herkunftssprache verwendet wird.
Bei gleichem Sozial- und Bildungsstatus der Elternhäuser und ähnlichen kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten zeigen sich keine signifikanten Unterschiede in den Noten oder dem besuchten Schultyp zwischen den Konfessionen. Dies spricht gegen die Annahme, dass muslimische Schülerinnen und Schüler systematisch diskriminiert werden.

„Der Bildungserfolg muslimischer Kinder wird also weder durch deren Religiosität noch durch ethno-religiöse Diskriminierung verzögert. Er verläuft vergleichsweise langsam, weil sie mehrheitlich aus bildungsfernen Elternhäusern stammen und daher unzureichend auf die Schule vorbereitet sind“, fassen Diehl und Koenig zusammen.
Felix Streiter von der Stiftung Mercator forderte angesichts der Ergebnisse, die Anstrengungen für frühkindliche Bildungsangebote und Ganztagsschulen auszubauen. Nur so könne man auf die individuellen Bedürfnisse von Schülern besser eingehen und die mit Migration verbundenen Herausforderungen im Bildungssystem meistern. Bildungsungleichheit auf Religiosität oder Religionszugehörigkeit zurückzuführen, sei zu kurz gedacht. (zab, pm)


http://www.news4teachers.de/2017/10/...ndiger-faktor/