Beschattung nur an Wochentagen

Sonderermittler attestiert Polizei grobe Fehler im Fall Anis Amri

Unprofessionell“, „mangelhaft“, „unzureichend“, „fehlerhaft“ – so heißt es auf den 72 Seiten immer wieder. Der Abschlussbericht des früheren Bundesanwaltes Bruno Jost liefert ein klares Urteil, lässt kaum Zweifel daran, dass vor allem Berliner Polizei und Staatsanwaltschaft eklatante Fehler gemacht haben und der Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz womöglich verhindert hätte werden können. Aber auch die Polizei in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg muss sich Kritik gefallen lassen. Lücken bei der Observation, fehlende Kooperation der Sicherheitsbehörden und andere haarsträubende Versäumnisse hat Jost in seiner vom Berliner Senat in Auftrag gegebenen Analyse aufgedeckt und kommt zu dem Ergebnis, dass es „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ vor dem Attentat möglich gewesen wäre, Amri in Haft zu nehmen.
„Alle Observationen beschränken sich auf die Wochentage Montag bis Freitag“, heißt es in dem Bericht, und dies selbst in den Wochen, in denen Amri auf Rang eins der Berliner Gefährderliste gestanden habe. „An Wochenenden und Feiertagen fanden keine Observationen statt“, so das Ergebnis der Untersuchung. Auch nachts habe keine Überwachung stattgefunden. Auch wenn die Hinweise auf Amris islamistische Aktivitäten und die von ihm ausgehende mögliche Gefährdung womöglich nicht für eine Festnahme ausgereicht hätten, so habe doch die Möglichkeit bestanden, ihn wegen Drogenhandels und gefälschter Ausweisdokumente hinter Gitter zu bringen, so Ex-Bundesanwalt Jost. Gegen ihn hätten 14 Strafverfahren vorgelegen, vor allem wegen Rauschgifthandels und Schwarzfahrens. „Da lag wirklich einiges im Argen“, erklärte er am Donnerstag in Berlin.


Bereits im Frühsommer 2016 habe es in abgehörten Telefonaten Belege für den Rauschgifthandel gegeben. Zwar habe das Landeskriminalamt Berlin Amri neun Monate vor der Tat vorübergehend festgehalten und sein Handy beschlagnahmt. Allerdings seien die Daten nicht ausgewertet worden, so die Kritik des Sonderermittlers. Doch es kam offenbar noch schlimmer: Bei einer Festnahme Amris Ende Juli 2016 von der Bundespolizei in Friedrichshafen beim Ausreiseversuch in die Schweiz hätten die Ermittler „fast alles falsch gemacht, was man falsch machen kann“, so das vernichtende Urteil des früheren Bundesrichters. Oberflächliche Vernehmung, keine Sicherung des Handys und kein Kontakt zur Kripo in Berlin und NRW, die Amri im Visier gehabt hatten. Auch dort habe es eine „realistische Chance“ gegeben, ihn dauerhaft aus dem Verkehr zu ziehen.
http://www.schwaebische.de/politik/i...,10751872.html