Baum-Darstellung
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Tag der Deutschen Einheit - Rede des Bundespräsidenten Steinmeier (SPD) im Wortlaut
bzw. Auszüge aus dieser.
Nach einer kurzen Einleitung:
Steinmeier faßt die deutsche Geschichte zusammen als Appell:
Das ist das Deutschland, in das Sie geboren wurden - ein Deutschland, das einen weiten Weg zurückgelegt hat: vom entfesselten Nationalismus, der Krieg und Verwüstung über Europa brachte, von einer geteilten Nation im Kalten Krieg hin zu einem demokratischen und starken Land in der Mitte Europas.
Steinmeier zur Nation:
Meine Damen und Herren, unser Weg muss ein Weg in Frieden und Freundschaft mit den europäischen Nachbarn bleiben, und nie wieder ein Rückweg in den Nationalismus sein!
Das beginnt mit der Frage: Wer ist das eigentlich - "wir Deutsche"?
Steinmeier zu den Ursachen des jetzigen Zustands:
Ich meine die Mauern rund um die Echokammern im Internet; wo der Ton immer lauter und schriller wird, und trotzdem Sprachlosigkeit um sich greift, weil wir kaum noch dieselben Nachrichten hören, Zeitungen lesen, Sendungen sehen
Hinter diesen Mauern wird tiefes Misstrauen geschürt, gegenüber der Demokratie und ihren Repräsentanten, dem sogenannten "Establishment", zu dem wahlweise jeder gezählt wird - außer den selbsternannten Kämpfern gegen das Establishment. Verstehen Sie mich richtig: Nicht alle, die sich abwenden, sind deshalb gleich Feinde der Demokratie.
Argumente statt Empörung brauchen wir auch und gerade bei dem Thema, das unser Land in den letzten zwei Jahren so bewegt hat wie kein anderes - Flucht und Migration
Die Not von Menschen darf uns niemals gleichgültig sein. Und unser Grundgesetz garantiert den Schutz vor politischer Verfolgung, aus guten, in Deutschland auch historischen Gründen, an die wir uns erinnern müssen.
Aus meiner Sicht gehört dazu, dass wir uns Migration nicht einfach wegwünschen, sondern - ganz jenseits von Asyl und den europäischen Anstrengungen - auch legale Zugänge nach Deutschland definieren, die Migration nach unseren Maßgaben steuert und kontrolliert.
Die Debatte über Flucht und Migration hat Deutschland aufgewühlt. Sie ist aber auch Folge und Abbild einer aufgewühlten Welt.
Mit Blick auf die Umbrüche, die vielen internationalen Krisen und Konflikte habe ich von vielen Bürgern in den letzten Jahren den Satz gehört: "Ich versteh die Welt nicht mehr"
In Bitterfeld erzählte mir eine Frau: "Eigentlich wollte ich eine Wahlkampfrede anhören, aber da waren Mitbürger, Nachbarn, die haben mir mit ihren hasserfüllten Gesichtern richtig Angst gemacht."
Verstehen und verstanden werden - das ist Heimat.
Diese Sehnsucht nach Heimat dürfen wir nicht denen überlassen, die Heimat konstruieren als ein "Wir gegen Die"; als Blödsinn von Blut und Boden; die eine heile deutsche Vergangenheit beschwören, die es so nie gegeben hat.
Heimat ist der Ort, den wir als Gesellschaft erst schaffen
Die mutige Anwältin und Autorin Seyran Ate hat mir kürzlich erzählt: "Mir hüpft das Herz in der Brust, wenn ich in Istanbul den Bosporus wiedersehe. Und auf dem Rückweg nach Berlin hüpft mir das Herz, wenn ich den Fernsehturm wiedersehe." In ihrer Geschichte steckt etwas genauso Simples wie Wichtiges: Heimat gibt es auch im Plural. Ein Mensch kann mehr als eine Heimat haben,
Ganze Generationen von Einwanderern sagen heute voller Stolz: "Deutschland ist meine Heimat", - und das hat uns bereichert.
Das sollte uns Zuversicht geben für die großen Integrationsaufgaben, die vor uns liegen. Doch wir dürfen auch sagen: Heimat ist offen - aber nicht beliebig.
Für die Neuen heißt das zunächst mal, unsere Sprache zu lernen. Ohne sie gibt es kein Verstehen und Verstanden-werden
Und schließlich, bei allen Debatten, bei allen Unterschieden - eines ist nicht verhandelbar in dieser deutschen Demokratie: das Bekenntnis zu unserer Geschichte, einer Geschichte, die für nachwachsende Generationen zwar nicht persönliche Schuld, aber bleibende Verantwortung bedeutet. Die Lehren zweier Weltkriege, die Lehren aus dem Holocaust, die Absage an jedes völkische Denken, an Rassismus und Antisemitismus, die Verantwortung für die Sicherheit Israels - all das gehört zum Deutsch-Sein dazu.
Doch wie sollen wir dieses Bekenntnis von Zuwanderern erwarten, wenn es in der Mitte unserer Demokratie nicht unangefochten bleibt? Die Verantwortung vor unserer Geschichte kennt keine Schlussstriche - ich füge hinzu: erst recht nicht für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages.
Diesem Land anzugehören, bedeutet Anteil an seinen großen Vorzügen, aber eben auch an seiner einzigartigen historischen Verantwortung zu haben. Für mich gehört genau das zu einem aufgeklärten deutschen Patriotismus. Wenn uns in Deutschland etwas auszeichnet, dann ist es die langwierige, schwierige, ja schmerzhafte Aufarbeitung unserer Geschichte und der besondere Blick auf die tiefen Schatten, die genauso zu Deutschland gehören wie seine vielen hellen Seiten. Darauf können wir stolz sein.
Ein demokratisches Land, ein weltoffenes und europäisches Land, ein Land, das zusammenhält. Das wird so bleiben!
Das wird bleiben, weil es nicht die Besserwisser und Meckerer sind, nicht die ewig Empörten und nicht die, die ihre tägliche Wut auf alles und jeden pflegen. Nicht die prägen unser Land.
Nein, was mich so zuversichtlich macht, sind die Millionen anderen, die anpacken, die sich für das Gelingen und den Gemeinsinn in unserem Land täglich einsetzen.
Die - ohne, dass sie's müssten - nach den kranken Nachbarn schauen, die im Altersheim vorlesen oder Flüchtlingen beim Ankommen helfen.
Das, meine Damen und Herren, sind die, die unser Land zusammenhalten - allen Besserwissern zum Trotz. Das sind die, die Einheit stiften - jeden Tag neu."
http://www.spiegel.de/politik/deutsc...a-1171054.htmlEs ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner beschränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen.
Gustav von Rochow (1792 - 1847), preußischer Innenminister und Staatsminister
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