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Wolfach "Belebte" Premiere für alle

Der Termin, eine Woche nach der Bundestagswahl, ist vom lokalen Helferkreis für Geflüchtete und Zuwanderer sicher unbewusst gewählt worden. Gut besucht war der "Tag des offenen Containers" am Samstagnachmittag dennoch.
Vor dem Hintergrund des Wahlerfolgs der offensichtlich flüchtlingsfeindlichen Partei AfD auch im Wahlkreis Schwarzwal-Baar und Oberes Kinzigtal, zu dem Wolfach gehört, kam dem "Tag des offenen Containers" in der Flüchtlingsunterkunft an der Schiltacher Straße jetzt eine besondere Bedeutung zu
Über Wochen – ja Monate – waren die Geflüchteten für die Wolfacher Bevölkerung nur eine abstrakte Zahl, über deren Unterbringung und den Standort ihres Containerdorfs sehr emotionale Diskussionen geführt wurden. Am Samstag bestand jetzt die Gelegenheit, diese Menschen persönlich kennenzulernen und sich ein eigenes Bild von deren Lebenssituation zu machen. Gerhard Schrempp, Koordinator des lokalen Helferkreises, hatte gemeinsam mit Michaela Bruß von der Stadtverwaltung Wolfach ein interessantes Programm für den Besuch im Dorf auf die Beine gestellt.
Arabische Schrift



Am Aktionstisch "Wir schreiben Ihren Namen auf Arabisch" übersetzten oder besser verzierten die beiden Syrer Mohammad Mohamad und Mohammad Saeed im Minutentakt die Namensschilder der Besucher.

Mit wenigen Ausnahmen stand einem eher kantigen deutschen Vornamen sein in luftigen Schwüngen gemaltes arabisches Pendant gegenüber.







Diakon Willi Bröhl und Pfarrer Stefan Voss kratzten ihre bei mehreren Palästina- beziehungsweise Israel-Aufenthalten erworbenen arabischen Sprachkenntnisse zusammen, die übrigen Besucher kamen gestenreich mit den Geflüchteten ins Gespräch.
Viele nutzen Chance



Bürgermeister Thomas Geppert bekannte, letztmals vor einigen Wochen das Containerdorf besichtigt zu haben. Im "belebten" Zustand am Samstagnachmittag war der Besuch auch für ihn eine Premiere. Zahlreiche Stadträte nutzten die Chance, die Container an dem von ihnen beschlossenen Standort zu besichtigen. Sie zeigten sich von dem "Dorf-Charakter" angenehm überrascht. Die Abgrenzung zur Schiltacher Straße mit dem Sanitär- und Aufenthaltskomplex und die offene Flanke zum Wolfacher Fußballstadion – in welchem parallel zum Begegnungsfest das Stadtderby des FC Wolfach gegen den TuS Kinzigtal stattfand – schaffte eine angenehme Atmosphäre.
Bestanden die Besucher also aus den Stadträten, der Stadtverwaltung, dem Diakon, den Pfarrern? Man gewinnt fast den Eindruck.

Im Aufenthaltsraum war ein großes Kuchenbüfett aufgebaut, im Container nebenan konnten Kinder kleine Papp-Elefanten basteln oder sich eine Bildergeschichte vorlesen lassen. Zudem lud eine Hüpfburg zum unbeschwerten Toben ein. Die erwachsenen Besucher interessierten sich natürlich auch für das Interieur der noch nicht bezogenen Wohncontainer und den sogenannten "Waschsalon", ein Sanitärcontainer mit Duschkabinen. Letzterer weckte bei manchem Besucher Erinnerungen an den jüngsten Campingurlaub.
Wlan-Hotspot fehlt



Zu diesem Standard fehlt immer noch ein Wlan-Hotspot (Anm. d. Red.: ein öffentlicher drahtloser Internetzugangspunkt). Derzeit bleiben den Bewohnern nur teure Prepaid-Karten oder die "Belagerung" der wenigen Stellen im "Städtle" mit freier, öffentlicher Internetverbindung.


Den Wettlauf mit dem aufziehenden Regen um den Abbau der Zelte und der Hüpfburg gewannen Geflüchtete und Einheimische gemeinsam, besonders viel Spaß machte der einen Ganzkörpereinsatz erforderliche Abbau der Hüpfburg.
INFO
Alltagslotsen
Viele neue Kontakte wurden geknüpft und vielleicht können bald die noch dringend benötigten "Alltagslotsen" für Familien und Einzelpersonen gefunden werden. Interessierte können sich an Gerhard Schrempp vom Helferkreis unter Telefon 07834/67 03 16 oder per E-Mail an gerhard.schrempp@caritas-kinzigtal.de wenden. Die Ansprechpartnerin aus der Stadtverwaltung ist Michaela Bruß. Sie ist unter Telefon 07834/83 53 12 erreichbar.
Kommentar
Von Melanie Steitz

Super Auftakt für Integration



Es ist genau die richtige Reaktion nach dem aufwühlenden Wahlergebnis, einen "Tag des offenen Containers" zu veranstalten. Die Stadt Wolfach und der Helferkreis für Geflüchtete und Zuwanderer mag das bei seiner Planung vielleicht nicht bedacht haben, aber der Zeitpunkt hätte nicht besser sein können. Die Menschen sind verunsichert. Dies war für Wolfach daher ein super Auftakt für die Integration vor Ort. Flüchtlinge sind nunmehr keine abstrakte Zahl, sondern bekommen ein Gesicht, einen Namen und eine persönliche Bedeutung. Schön, dass die Bevölkerung regen Gebrauch davon gemacht hat. Für die Zukunft bleibt zu hoffen, dass es bei dieser phänomenalen Veranstaltung nicht bleibt und die Bemühungen keine Eintagsfliege werden, sondern dass ähnliche Formate folgen. Denn nur so kann Integration in Wolfach reüssieren – indem Vorurteile systematisch abgebaut werden.
http://www.schwarzwaelder-bote.de/in...78f62b757.html