GEW hilft Lehrern, Abschiebungen von Schülern zu verhindern

In Baden-Württemberg rät die Gewerkschaft Lehrern per Leitfaden, betroffene Migranten zu warnen und die Polizei über deren Anwesenheit im Unklaren zu lassen. Das Innenministerium sieht darin die Aufforderung zum Rechtsbruch.
..veröffentlichte die baden-württembergische GEW kürzlich eine „Handlungsanleitung bei drohender Abschiebung eines Kindes oder eines Jugendlichen“ – mit Tipps, deren Zielrichtung klar benannt ist: „Was können Sie in dieser Situation tun, wenn Sie die Abschiebung verhindern bzw. nicht unterstützen wollen?“.
Das empört wiederum das Stuttgarter Innenministerium. Staatssekretär Martin Jäger warf der GEW in einem geharnischten Brief vor, dem „Rechtsbruch das Wort zu reden“. Er forderte die Landeschefin der Gewerkschaft, Doro Moritz, auf, den im Internet verbreiteten Leitfaden zurückzuziehen.

Doch dazu sieht Moritz, die alle Vorwürfe zurückweist, keinerlei Anlass. Erst einmal will sie konkret wissen, worin der angebliche Rechtsbruch bestehen soll. Der zweiseitige Leitfaden, der sich am Vorbild eines ähnlichen, aber ausführlicheren Papiers der GEW Bayern orientiert, sei durch mehrere Rechtsanwälte überprüft worden.
Der mit dem baden-württembergischen Flüchtlingsrat erarbeitete Leitfaden stellt fest, dass die Schulleitung der Polizei nicht verraten müsse, wann ein Schüler Unterricht habe und wo er anzutreffen sei. Betroffene hingegen dürften sehr wohl informiert werden, wenn sich jemand vorab nach ihnen erkundige. „Es besteht keine Schweigepflicht. Der Unterrichtende hat auch keine Sanktionen zu befürchten, falls aufgrund seiner Informationen die geplante Abschiebung nicht oder nicht wie vorgesehen durchgeführt werden kann.
Sollte die Polizei auftauchen, rät die GEW Lehrern, sofort den Anwalt des Ausreisepflichtigen oder Angehörige, Unterstützer und die Presse zu informieren. Ein Anwalt könne Abschiebehindernisse wie zum Beispiel Krankheit geltend machen. Aber auch die Pädagogen sollten zu klären versuchen, ob überhaupt die Voraussetzungen für eine Abschiebung vorlägen.
Damit stelle sich die GEW „erkennbar außerhalb unserer Rechtsordnung“, schreibt er und stellt mögliche disziplinarrechtliche Folgen in Aussicht. Problematisch findet der Staatssekretär auch den pädagogischen Aspekt eines solchen Widerstandes: „Nicht außer Betracht bleiben darf, welches Rechtsstaatsverständnis Schülern vermittelt wird, wenn in der Schule auf solche Weise der Vollzug von Gesetzen verhindert werden soll.“
Entgegen dem GEW-Leitfaden konstatierte beispielsweise das Rechtsamt der Stadt Nürnberg, dass die Schulleitung sehr wohl zur Mitwirkung bei Abschiebungen verpflichtet sei, Auskunftspflicht inklusive. Und auch Lehrer dürfen das Vorgehen der Ausländerbehörde nicht vereiteln. Aber wo beginnt eine Vereitelung? Die Grenzen scheinen fließend zu sein: Wenn die Polizei wissen will, in welchem Klassenraum sich der gesuchte Schüler aufhält, ist es dann schon eine Behinderung des Einsatzes, wenn ein Lehrer die Frage nicht beantwortet? Auslegungssache könnte auch sein, ob ein Pädagoge eine Abschiebung aktiv behindert, wenn er – wie an der Nürnberger Berufsschule geschehen – Schüler über mögliche Formen des Protests berät. Womöglich müssen eines Tages die Gerichte darüber urteilen, wo genau die Grenzen tatsächlich verlaufen.
https://www.welt.de/politik/deutschl...erhindern.html

Dazu die GEW:


Was tun bei Abschiebung?

21.07.2017


Die erklärte Absicht der Politik, die Zahl der Abschiebung zu erhöhen, führt auch dazu, dass Schüler/innen aus dem Unterricht herausgeholt werden, um sie abzuschieben. Die Verunsicherung der Schulleitungen und Lehrkräften ist groß.

In den letzten Wochen konnte man Folgendes in der Presse lesen: An einer Nürnberger Schule eskalierte eine Abschiebung eines afghanischen Berufsschülers. Mitschüler/innen demonstrierten und versuchten den 20-Jährigen zu schützen. Es kam zu einem Tumult mit der Polizei. Dabei wurden Polizist/innen verletzt und Demonstrant/innen festgenommen. Eine 14-jährige Gymnasiastin aus Duisburg wurde aus dem Unterricht geholt, um nach Nepal abgeschoben zu werden. Im mittelhessischen Karben hatten Polizist/innen ein Mädchen ebenfalls direkt aus dem Unterricht geholt. Die 16-Jährige wurde zur Mutter in einen Bus gesetzt und nach Serbien abgeschoben (siehe Bericht in E&W 06/2017).

Da Abschiebungen nicht mehr angekündigt werden müssen, erscheint die Polizei unangekündigt in der Schule. Die Verunsicherung bei den Schulleitungen und den Lehrkräften über ihren Handlungsspielraum ist dann groß. Es empfiehlt sich, für diese Situation gewappnet zu sein.

Die GEW Baden-Württemberg hat deshalb einen Leitfaden erstellen lassen, der Beschäftigten im Bildungsbereich erläutert, welche Rechte und Pflichten sie im Falle einer Abschiebung von Personen aus ihren Einrichtungen haben. Auch der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg hat Informationen und Handlungshilfen zusammengestellt, die für Schulen und Kitas nützlich sein können.



Keine Abschiebung während der Ausbildung



Die GEW macht sich stark für ein Bleiberecht für Jugendliche während der Ausbildung: "Es darf nicht sein, dass die jungen Leute während der Ausbildung, auch nicht in schulischen Ausbildungsgängen, abgeschoben werden. Bildung ist das, was wir den jungen Menschen geben können, ganz egal, ob sie bei uns bleiben oder ob sie die Bildung in ihrem Herkunftsland unterstützend einbringen und persönlich eine Perspektive haben", sagte Doro Moritz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. "Die Motivation der Flüchtlinge ist groß. Und Lehrkräfte engagieren sich in hohem Maß für Praktikums- und Ausbildungsplätze ihrer Schüler/innen. Abschiebung bzw. Arbeitsverbot machen auch dieses Engagement zunichte. Da spielen sich große Dramen an den Schulen ab: Verzweiflung und Wut bei den jungen Leuten und ihren Familien, auch bei den Lehrkräften."


https://www.gew-bw.de/aktuelles/deta...fcc6c5bdc07339

Der Leitfaden der GEW:

https://www.gew-bw.de/fileadmin/medi...eac3ac21e79375

- - - Aktualisiert oder hinzugefügt- - - -