Der Sonntagsfahrer: Allah fährt Zwölfzylinder

Der Bundesdeutsche ist im Grunde eine coole Socke. Vielleicht ist er aber auch ein Simulant. Möglicherweise ist er auch beides. Jedenfalls beherrscht er die Kunst, sich mächtig über Dinge aufzuregen, die ihn in Wahrheit kaum kratzen. Beispielsweise den Diesel-Skandal. Es gibt da eigentlich nur zwei Parteien im Volke, die zunächst eine Gemeinsamkeit haben: Die Luftqualität am Stuttgarter Neckartor oder dem Münchner Stachus interessiert sie nicht wirklich, warum auch. Es hat sich bis in tiefgrüne Kreise das Erfahrungswissen verbreitet, dass in der Innenstadt niemand tot umfällt, zumindest nicht wegen der Atemluft. Immer mehr Leute wollen in der Stadt leben und dabei werden sie auch noch immer älter.


Und deshalb gibts in Sachen Diesel nur zwei relevante gesellschaftliche Strömungen: Die einen ärgern sich über den Wertverfall ihres neuen Diesel, die anderen freuen sich darüber. Der innere Schweinehund des Deutschen heißt nämlich Schnäppchenjäger. Und der wartet nur ab, bis er so einen in Ungnade gefallenen Diesel beim Volkswagenhändler seines Vertrauens für ein Butterbrot bekommt. Dann wird zugeschlagen, sind ja schließlich prima Autos, gegen die im Grunde niemand was hat, außer den Grünen, die glauben, mit einem Diesel-Verbot eine Wahl gewinnen zu können. Liebe Grüne, ich rate zur Vorsicht: Elektroatos sind hierzulande genauso beliebt wie der Veggie-Day, mit dem ihr es beim letzten Mal versemmelt habt.


Man könnte gewissermaßen von einer Gentrifizierung der politischen Debatte sprechen. Das Wort beschreibt ja eigentlich den sozioökonomischen Strukturwandel bestimmter großstädtischer Viertel mit dem Zuzug zahlungskräftiger Eigentümer und Mieter und der Verdrängung derjenigen, die dabei nicht mitkommen. Die meisten Medienschaffenden und Politiker siedeln in diesem Milieu, sowohl örtlich als auch geistig. Da kann man Kreuzberg schon mal mit Deutschland oder gar der Welt verwechseln und auf die Idee kommen, die Mehrheit der Bundesbürger würde gerne mit Lastenfahrrädern durch die Gegend schaukeln (oder mit Angela Merkel).


Die aus aller Welt ins Land strömenden Jungmänner haben im übrigen auch keine ökosoziale Utopie im Gepäck, sondern den Traum von einem ordentlichen AMG-Mercedes mit 700 PS, mindestens. Wer die Parkplätze vor den stilbildenden Shisha-Cafes im Wedding oder in Moabit inspiziert, kommt sich vor wie in der Boxengasse des Grand Prix von Monaco. Feldforschung schadet halt nie, vielleicht sollte die grüne Visionärin Simone Peter diesen Herren einmal ihre "solarintegrierten Elektromobile" vorstellen. Das ist ungefähr so, als würde man in einem katholischen Gottesdienst ein Präservativ aufblasen.


Ein Mann mit weniger als 500 PS wird hier angeschaut, als sei ihm ein wesentliches Geschlechtsteil abhanden gekommen. Die Kerle mögen ja für nix taugen, aber als nachhaltiger Kundennachschub für die deutsche Automobilindustrie sind sie einfach unschlagbar. Der Verbrennungsmotor steht offenbar unter dem Schutz Allahs, inklusive "Klappenauspuff mit Fernbedienung", der widerspricht zwar der deutschen Zulassungsordnung, aber nicht dem Koran. Ich bitte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, diesem Aspekt endlich Rechnung zu tragen – und die islamophobe Hetze gegen Acht- und Zwölfzylinder umgehend einzustellen. Wir brauchen eine Willkommenskultur für den tiefergelegten Teil der Bevölkerung, und zwar subito. Möglicherweise liegt hier eine Brücke zwischen Christentum und Islam, deshalb hier ein kleines interkulturelles Glaubensbekenntnis für das Gebet zum heutigen Sonntag:


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