Ist es ein gewöhnlicher Umzug von Büchern aus Privatbesitz? Oder sollten Kulturgüter der Uni Frankfurt illegal in die Türkei geschafft werden? Der Zoll hat einen Islam-Historiker am Abtransport einer Bibliothek gehindert.
Die Bibliothek im Institut für Geschichte Arabisch-Islamischer Wissenschaften (IGAIW) an der Uni Frankfurt ist umfangreich. Geht es nach Direktor Fuat Sezgin, ziehen hunderte der Bücher aus dem Institut um – und zwar in seine Heimat. "Die Bücher gehören mir und kommen in die Türkei“, sagt der 92 Jahre alte Professor auf hr-Anfrage. Was dagegen Eigentum des Instituts sei, bleibe in Frankfurt.Mehr will der betagte Wissenschaftler nicht sagen. Mit den Behörden aber wird er über den gewünschten Transfer reden müssen. Denn der Zoll hat den Büchertransport am Frankfurter Flughafen gestoppt, bis die Eigentumsverhältnisse geklärt sind. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte zuerst darüber berichtet.
Dem Blatt zufolge wird wegen Unterschlagung von Kulturgütern ermittelt. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt erteilt "momentan keine Auskünfte“ über die Ermittlungen. Wegen "andauernder Prüfungen" im Zusammenhang mit dem geplanten Büchertransfer in die Türkei will sich auch das hessische Wissenschaftsministerium nicht äußern. Es ist zuständig, wenn nationale Kulturgüter außer Landes gebracht werden.
Von einer Beschlagnahmung will Institutsdirektor Szegin indes nichts wissen. Was am Flughafen passierte, bezeichnete er gegenüber der FAZ als routinemäßige Stichprobe.
Jahrelang fand das IGAIW mit Chef Szegin und seinen sechs Mitarbeitern öffentlich kaum Beachtung und führte vom übrigen Uni-Betrieb entfernt ein ziemliches Eigenleben. Dabei ist die Goethe-Universität die eingetragene Stifterin des Instituts. Gegründet wurde es 1982 mit großzügiger finanzieller Unterstützung von Ländern wie Saudi-Arabien, Bahrain, Jordanien und Marokko.
Sezgin ist von Beginn an "alleinvertretungsberechtigter geschäftsführender Direktor". Wenn er auf die finanzielle Unterstützung seine Istanbuler Stiftung bei der Bücher-Überführung verweist, lässt das die mögliche politische Brisanz des Falls aufscheinen.
Die Stiftung unterhält in Istanbul ein Museum und ein Institut mit der gleichen Ausrichtung wie das IGAIW in Frankfurt. Die türkischen Einrichtungen haben in den vergangenen Jahren expandiert und arbeiten eng mit der türkischen Regierung zusammen. Das Ziel ist es, eine umfangreiche Sammlung über die Geschichte der arabisch-islamischen Wissenschaft aufzubauen.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte den Islamforscher Sezgin in die Schlagzeilen gebracht, als er sich auf dessen vermeintliche Theorie berief, Muslime hätten Amerika entdeckt. Szegin relativierte dies später: Der Amerika-Entdecker Kolumbus habe sich einer arabischen Karte bedient.
In seinem Palast empfing Erdogan im vergangenen Jahr Sezgin. Politisch passt das zur Linie des Präsidenten, eine weltgeschichtliche Bedeutung des Islam für die Menschheit hervorzuheben.
Ob die Bücher aus Frankfurt dazu einen Beitrag leisten sollen? Eine Sammlung von historischen wissenschaftlichen Geräten aus dem Frankfurter Institut für Geschichte Arabisch-Islamischer Wissenschaften gibt es im Istanbuler Museum bereits. Bislang allerdings nur als Nachbau.
Quelle: hessenschau.de