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Nachgefragt

Flüchtlinge: Fachkräfte von morgen

Dem Handwerk fehlt der Nachwuchs. Eine Lösung dafür könnten Asylbewerber sein. Doch die müssen zunächst viele Voraussetzungen erfüllen.



Dem Handwerk fehlt schon seit Jahren der Nachwuchs. Viele Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt. Die Regierung macht Hoffnung und verweist auf arbeitssuchende Asylbewerber. Aber können und dürfen Handwerksbetriebe einfach den nächstbesten Flüchtling einstellen? Wie steht es bei ihnen mit den fachlichen Voraussetzungen? Darüber diskutierten kürzlich die Mitglieder der Metzgerinnung Bad Kissingen mit Fachberaterinnen der Agentur für Arbeit. Deren Hinweise gelten auch für andere Handwerksberufe.

Integration von Asylanten und deren Chance auf Eigenständigkeit in Deutschland geht am leichtesten über eine Beschäftigung. Doch so einfach, wie es klingt, scheint es in der Praxis nicht zu sein. "Über 80 Prozent aller Flüchtlinge haben keinen anerkannten Berufsabschluss", zitierte Arbeitsvermittlerin Nicole Kelber aus einer Statistik. Eine Ausbildung also, wie man sie in Deutschland kennt, haben die meisten Flüchtlinge nicht, obwohl 22 Prozent einen Grundschul-, 30 Prozent einen Mittelschulabschluss und 18 Prozent das Gymnasium besucht haben. "In den Herkunftsländern hieß es meistens 'learning by doing'."
Altersmäßig scheinen die meisten Asylbewerber für den Einstieg in die deutsche Berufswelt geeignet, sind doch immerhin 47 Prozent erst zwischen 15 und 30 Jahre alt, 28 Prozent aller Flüchtlinge verfügen sogar über Englisch-Kenntnisse.
Keine Hoffnung auf Fachkräfte

Doch nicht jeder arbeitswillige Bewerber darf in Deutschland gleich arbeiten. Gesetzlich erlaubt ist dies in der Regel nur Flüchtlingen mit positivem Asylbescheid oder Asylbewerbern mit Aufenthaltserlaubnis, einer Arbeitsgenehmigung der Ausländerbehörde und der Zustimmung der Agentur für Arbeit.
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"Melden Sie sich bei uns, wenn Sie Interesse haben",  munterte Karin Jung, die Leiterin des Arbeitgeberservice in der  Arbeitsagentur, die Metzgermeister au 
f. Hoffnung auf deutsche Fachkräfte konnte sie ihnen ohnehin nicht machen: "Wenn ein deutscher Metzger sich bei uns melden sollte, ist er am nächsten Tag vermittelt." Aber auch vermittlungsfähige Asylbewerber gibt es momentan kaum. "Flüchtlinge sind die Fachkräfte von morgen", vertröstete Jung die Handwerksbetriebe und nannte Gründe: Erwachsene Flüchtlinge müssen Deutsch lernen und Integrationskurse besuchen. "Aber davon gibt es noch viel zu wenige, was alles verzögert." Jugendliche Asylbewerber werden in die Integrationsklassen der Berufsschulen geschickt. "Diese Absolventen kommen erst jetzt allmählich in den Arbeitsmarkt."

Hindernisse

Für die Metzger im Landkreis, die gern Nachwuchskräfte aus dem Ausland einstellen würden, gibt es allerdings noch andere Hindernisse: Selbst wenn ein Flüchtling im Heimatland Metzger war, wird er nach deutschen Ausbildungskriterien nicht anerkannt und darf allenfalls als Gehilfe eingesetzt werden. Und: Viele Flüchtlinge sind gläubige Muslime, die nicht mit Schweinefleisch in Berührung kommen dürfen. "Es gibt aber auch Muslime, die nicht so strenggläubig sind", machte Jung der Branche Hoffnung. Erste Erfolgsmeldungen aus der Metzgerinnung gibt es bereits: Glück mit seinem 36-jährigen Flüchtling aus Kuba hatte zum Beispiel Metzgermeister Karlheinz Schumann in Weißenbach. Als Gehilfe arbeitet der geduldete Asylant seit Juli 2016 in der Wurstküche. Inzwischen bedient er alle Maschinen allein. Auch Metzgermeisterin Sabine Klöffel in Münnerstadt ist mit ihrem syrischen Asylanten (30) aus Latakia zufrieden. Er hilft ihr im Verkauf. Mit der Kundschaft kann er sich schon gut verständigen. "Alles andere kriegen wir auch noch hin", ist die Chefin überzeugt.
"Wenn Sie einen Flüchtling einstellen wollen, fragen Sie uns vorher", empfahlen die Mitarbeiterinnen der Arbeitsagentur. Denn dort werden Unternehmen nicht nur bei der Anstellung eines Flüchtlings beraten, sondern bei Eignung des Mitarbeiters auch bei dessen Ausbildung, Förderung oder Qualifizierung unterstützt. Im Einzelfall ist sogar Arbeit auf Probe ohne Arbeitserlaubnis möglich. Jung: "Klären Sie dies alles, bevor es losgeht. Rufen Sie uns an."
http://www.infranken.de/regional/bad...art211,2602924