Mammutaufgabe für Unternehmen

Versmold. Eine Unternehmerin, die Menschen mit Migrationshintergrund eine Chance geben will, ist Dr. Dagmar Nowitzki. Als die große Flüchtlingsbewegung Versmold erreichte, bemühte sich die Geschäftsführerin des Kronenkorkenherstellers Brüninghaus, Geflüchtete im Betrieb am Brüggenkamp unterzubringen. „Wir wollten unseren Teil zur Integration beitragen.“

Im Sitzungssaal im Rathaus spricht Dr. Dagmar Nowitzki bei einer Veranstaltung der Stadt für heimische Betriebe über ihre Erfahrungen der vergangenen Monate. Das, was sie erzählt, ist ein Stück weit ernüchternd. Die Unternehmerin berichtet anhand mehrerer Beispiele von intelligenten, motivierten, engagierten, freundlichen Menschen – aber eben auch davon, dass dies nicht genügt, um Fuß fassen zu können im deutschen Arbeitssystem. Oft scheinen die Bemühungen der Betriebe und Behören nicht mehr als ein Experiment zu sein – eines, das aus unterschiedlichen Gründen nicht selten scheitert.


Modellprojekt »Lernwerkstatt«

Dr. Nowitzki nennt Gründe aus der Praxis. Schichtbetrieb und Industriearbeitsplätze, wie es sie Versmold in verschiedenen Branchen zuhauf gibt, seien den meisten Flüchtlingen unbekannt. Die Berufsausbildung, welche die Menschen mitbrächten, beinhalteten größtenteils nicht die Qualifikationen, die man hier benötige. Größtes Problem bei der Integration in den Arbeitsmarkt stellt die Sprache dar. „Das, was in den Integrationskursen gelernt wird, ist wichtig zum Leben, aber nicht ausreichend, um hier arbeiten zu können", bestätigt auch Jürgen Blomeier vom Jobcenter des Kreises Gütersloh.


Für Fachbegriffe der Berufswelt, komplexe Zusammenhänge und Kundenkommunikation reiche selbst der bessere B 1-Kurs nicht aus. Die Zahl der Analphabeten unter den Asylbewerbern und Asylberechtigten übersteige die Gruppe der Hochqualifizierten, weiß auch Jan Darnauer, als städtischer Flüchtlingslotse im Rathaus Schnittstelle zwischen Behörden, Betrieben und den Geflüchteten.
Menschen in leichte Tätigkeit zu vermitteln, sei kein Problem. Deutlich schwieriger gestalte es sich im Bereich Fachkraft und Ausbildung. „Das ist eine nicht zu unterschätzende Herausforderung", so Darnauer. Grundlage für erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt sei deshalb die berufliche Qualifizierung. Etwa zwei Jahre, so Jürgen Blomeier, brauche es realistisch, um junge Menschen fit für eine Ausbildung, insbesondere für die schulischen Anforderungen, zu machen.


„Deutschkurse alleine reichen nicht. Wir müssen viel mehr über unsere Arbeits- und Lebenswelt vermitteln", sagt deshalb Dr. Nowitzki. Die Einrichtung von Lehrwerkstätten als Kooperation von Stadt und Wirtschaft ist aus ihrer Sicht der richtige Weg. Eine Idee, die vor Ort offenbar bereits von anderer Seite angedacht wurde und die in der Runde der Unternehmer Anklang findet.
Stephan Potthoff-Wenner als Vorsitzender der Interessengemeinschaft Gewerbegebiet Versmold unterstützt die Idee eines Modellprojektes . Oft fehle es den jungen Menschen aus dem Ausland, so engagiert und interessiert sie auch seien, an „Basics", an elementaren Grundlagen für den Arbeitsmarkt. In Lehrwerkstätten könnten Fertigkeiten vermittelt und getestet werden, zudem erste Kontakte zwischen Betrieb und potenziellem Mitarbeiter geknüpft werden.
Nichts ist von heute auf morgen möglich

Die Bereitschaft der heimischen Unternehmen ist offenbar groß, der Wille vieler Geflüchtete, auf eigenen Beinen zu stehen, ebenso. Von heute auf morgen aber ist diese Aufgabe nicht zu bewältigen. „Die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt ist eine gesellschaftspolitische Herausforderung", sagt Heike Zarling, Geschäftsstellenleiterin der Agentur für Arbeit.


Wie wichtig aber das Gelingen der Mammutaufgabe ist, dokumentierte Fred Kupczyk, Leiter des Jobcenters im Kreis Gütersloh, anhand von Zahlen zur Grundsicherung. Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften, also der Haushalte, die Hartz IV beziehen, steigt. Der Anteil der ausländischen Mitbürger daran steigt zunehmend. Inzwischen stellen die Syrer mit kreisweit 1410 die größte ausländische Bevölkerungsgruppe in der Grundsicherung dar. Das sind jene Personen, die nach ihrer Anerkennung aus dem Leistungsbezug für Asylbewerber herausfallen, (noch) keinen Job finden konnten und deshalb Hartz IV erhalten.
Wunsch und Wirklichkeit liegen also oft weit auseinander, das hat die zweistündige Veranstaltung im Rathaus gezeigt....
http://www.haller-kreisblatt.de/loka...ternehmen.html