Flüchtlingsunterkunft Berlin-Tegel: Senat will Aufpasser einsparen – plötzlich brennt es

Die Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen sind immens. Hunderte Wachschützer sind nötig, um in Tegel für Ordnung zu sorgen. Der Brand kommt zu einem brisanten Zeitpunkt.

In der Halle, die gleich lichterloh brennen wird, laufen die Menschen durcheinander. Auf dem Video, das in einigen WhatsApp-Gruppen die Runde macht, ist zu sehen, wie Wachleute versuchen, schreiende Menschen nach draußen zu drängen. Immer wieder läuft jemand zurück, wohl um seine Habseligkeiten zu retten. Währenddessen schlagen die Flammen in einer der Wohnkabinen an die Decke. Eine schwarze Rauchwolke steigt draußen empor.

Es ist jene Rauchsäule, die am Dienstag kilometerweit über Berlin zu sehen war – als im Ankunftszentrum für Flüchtlinge auf dem ehemaligen Flughafen Tegel ein Großbrand ausbrach. Nur weil die Sicherheitsleute schnell reagierten und konsequent handelten, wurde kein Bewohner verletzt.

Das Landeskriminalamt ermittelt zur Brandursache. „Sie ist immer noch nicht geklärt“, sagte eine Sprecherin am Donnerstag. Rätselhaft erscheint auch, wieso sich das Feuer in der Leichtbauhalle, die angeblich aus schwer entflammbarem Material errichtet ist, so schnell ausbreiten konnte. Die Hallenkomplexe, in denen jeweils bis zu 380 Personen Platz finden, wurden von der landeseigenen Messe Berlin, die die Logistik der Aufnahmestelle organisiert, brandschutztechnisch abgenommen.

Der Brand kommt zu einem brisanten Zeitpunkt: Nach Informationen aus Sicherheitskreisen ist vorgesehen, das Wachpersonal zu reduzieren. Pro Monat gibt Berlin mehrere Millionen Euro für die Bewachung aus. Das Sicherheitsunternehmen, das in der Branche einen tadellosen Ruf genießt, kann die Bewachung nicht allein bewerkstelligen – dafür braucht es 800 bis 1000 Leute. Nachts sind in Tegel rund 300 Mitarbeiter im Einsatz, ebenso viele sind es tagsüber. In jedem Hallenkomplex, der aus zwei Schlafhallen besteht, die durch einen gemeinsamen Aufenthaltsraum getrennt sind, passen rund 30 Leute auf, dass nichts passiert. Zahlreiche Subunternehmen wurden deshalb engagiert und Subunternehmen von Subunternehmen. Ein Teil davon soll sich in der Hand von arabischen Großfamilien befinden.

Auch dieser Personalaufwand trägt dazu bei, dass die Unterbringung eines Flüchtlings das Land Berlin 500 Euro pro Kopf und Tag kostet. Darin enthalten sind unter anderem die ärztliche und die soziale Betreuung. Bei 6000 Untergebrachten bedeutet dies einen Betrag von drei Millionen Euro monatlich. Zurzeit wohnen in Tegel insgesamt rund 4500 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine und Asylsuchende aus Ländern wie Syrien und Afghanistan. Die Kapazität beträgt 7000.


Das Land will zumindest die Kosten für die Bewachung senken. Aus Kreisen, die mit dem Sicherheitskonzept zu tun haben, heißt es, dass am 1. April ein Testbetrieb mit weniger Wachpersonal in einer Halle anlaufen sollte. Wenn das geklappt habe, solle in allen zehn Hallen eine reduzierte Besatzung wachen. Eine Sprecherin des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) sagt hingegen: „Es gibt aktuell keine konkreten Kürzungspläne von Personalkosten in Tegel, insofern auch keine Kürzungspläne zum 1. April.“ Allerdings werde der Personaleinsatz vor Ort in Abstimmung mit dem Betreiber stets an die konkrete Auslastung angepasst. „Insofern ist der Personaleinsatz immer gewissen Schwankungen unterworfen.“

Ende Februar wurden bei der Messe Berlin bereits Sparkonzepte für eine „Prozessoptimierung“ erarbeitet. So sollen Mitarbeiter bei der „Behältniskontrolle“ eingespart werden, bei der hereingebrachte Taschen begutachtet werden. Werden bislang Gepäckstücke zusätzlich auch in jeder Halle kontrolliert, soll es künftig eine Zentrale im früheren Terminal C geben. Dafür sollen auch weitere Scanner angeschafft werden.


Flughafen Tegel: Viele Betten und Matratzen in den Hallen

Auch für das Sicherheitspersonal gibt es konkrete Vorschläge: Die Tag- und Nacht-Schichten sollen pro Leichtbauhalle um sechs Leute pro Schicht reduziert werden, was die Kosten pro Halle im Monat um etwa 150.000 Euro reduzieren würde.

Im Integrationsausschuss des Abgeordnetenhauses am Donnerstag ging es auch um das Thema „Brandlast“, also die Menge der brennbaren Gegenstände. So erinnerte die Abgeordnete Elif Eralp (Linke) daran, dass in den einzelnen Abteilen einer Halle acht Doppelbetten in enger Staffelung stünden. Darauf lägen Matratzen und Bettzeug. Deshalb wolle sie wissen, ob der Senat die Betten-Dichte jetzt reduzieren wolle.


Eine Antwort darauf erhielt Eralp weder von Integrationssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) noch vom LAF-Präsidenten Mark Seibert. Zumindest der frühere Berliner Feuerwehrchef und THW-Präsident Albrecht Broemme, aktuell vom Senat eingesetzt, um neuen Platz für Unterkünfte zu finden, befindet, dass die Brandlast nicht zu hoch war. Man habe sogar weniger Betten in die Hallen gestellt, als möglich, sagte er der Berliner Zeitung.
„Eine höhere Brandschutzklasse bedeutet mehr Schadstoffe“

LAF-Präsident Seibert sagte im Ausschuss dennoch zu, das Brandschutzkonzept kritisch zu prüfen. Schließlich habe der Einsatz „ein bis zwei Probleme“ zutage befördert. So mussten die Bewohner über die nach jahrzehntelanger Nutzung als Flughafen „schadstoffbelasteten Grünflächen“ flüchten. Und auch beim Funk gebe es Verbesserungsbedarf, so Seibert.

Gefragt, ob es sinnvoll wäre, stabilere Hallen aufzustellen, sagte Seibert: „Eine höhere Brandschutzklasse bedeutet mehr Schadstoffe.“ Bei den in Tegel verwendeten Hallen sei die Strategie: Abbrennen lassen!

Inzwischen gibt es neue Prognosen für Flüchtlingszahlen in diesem Jahr. „Wir erwarten deutlich ansteigende Zahlen“, sagte Senatorin Kiziltepe. In einer „mittleren Variante“ werde mit einem Bedarf von 5000 bis 12.000 weiteren Plätzen in diesem Jahr gerechnet. Hinzu kommen die aktuell 10.000 Plätze in bereits bestehenden Notunterkünften.

https://www.berliner-zeitung.de/mens...-es-li.2196521