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    Propaganda: Die freundlichen Gesichter der Demokratie und die freundlichen Flüchtlinge

    Auf einen Kaffee mit den Flüchtlingsbetreuern der Stadt Osterholz-Scharmbeck



    Freundliche Gesichter der Bürokratie

    Michael Schön und Christian Valek 03.07.2016 0 Kommentare
    Julia Lanzendörfer und Tobias Kalmer sitzen an ihren Schreibtischen im Rathaus der Stadt Osterholz-Scharmbeck, als von draußen sanft angeklopftwird. Schließlich steckt ein junger Mann mit Kinnbart, Schiebermütze und fragendem Blick den Kopf durch die Bürotür. „I will visit you in the afternoon. I ring the bell“, sagt Julia Lanzendörfer, dem Besucher freundlich zunickend. Er stammt, wie sich herausstellt, aus Syrien. „Er wollte ein Formular nebenan bei der Leistungsabteilung abgeben, die aber heute geschlossen ist.“ Also übernimmt Julia Lanzendörfer den bürokratischen Akt für die eigentlich zuständigen Kollegen.

    Julia Lanzendörfer und Tobias Kalmer sind die Flüchtlingsbetreuer der Stadt Osterholz-Scharmbeck. Ihr Büro ist die von der Stadt eingerichtete „Koordinierungsstelle für Migration und Teilhabe“. Sie sind als Sozialpädagogen Ersthelfer für die Asylbewerber – und noch viel mehr. Heute Nachmittag will Julia Lanzendörfer den jungen Syrer in dessen Wohnung aufsuchen. Er ist werdender Vater und braucht dafür unter anderem auch einen sachkundigen Lotsen, der ihm durch den Paragrafendschungel der Bürokratie hilft. Julia Lanzendörfer und Tobias Kalmer sind – um ein bekanntes Zitat, das Angela Merkel zugeschrieben wird, zu benutzen – das freundliche Gesicht der Bürokratie. Sie machen Hausbesuche, schauen danach, wie es mit dem Deutschkursus oder für die Kinder in der Schule läuft oder in der Nähwerkstatt.
    Julia Lanzendörfer hat es organisiert, dass Flüchtlinge für Flüchtlinge zum Beispiel Gardinen nähen können. Eigentlich haben sie und der Kollege einen strukturierten und durchgeplanten Arbeitstag. Doch es kommt immer wieder etwas dazwischen. „In der vergangenen Woche musste jemand ins Krankenhaus. Da müssen wir völlig umdenken“, berichtet Tobias Kalmer. Was er macht, ist in vielen Fällen praktische Hilfe zur Selbsthilfe. Oft sind es aus der Sicht der schon länger im Lande Lebenden völlig alltägliche Dinge, die für Menschen, die es aus der ländlichen Region eines Drittweltstaates in die Mitte Europas verschlagen hat, zu Riesenproblemen werden können. „Wir gehen auch mal spontan mit einer Familie zum Supermarkt“, fährt Kalmer fort. Auch zum Sportverein oder zum Bahnhof, um einem Asylsuchenden, der mit der Digitalisierung des Alltags noch nicht vertraut ist, zu zeigen, wie er eine Fahrkarte löst.


    Kürzlich unternahm Julia Lanzendörfer mit einer Gruppe von Ehrenamtlichen und Flüchtlingen eine Radtour von Heilshorn nach Brundorf. Sie wollten auf der dortigen Anlage eine Partie Minigolf spielen. Etwas durchaus Exotisches für Menschen aus fernen Ländern, haben sie festgestellt. „Die Asylsuchenden hatten zum ersten Mal einen Schläger in der Hand. Der letzte Platz war aber trotzdem meiner“, lacht sie. Basti, der inzwischen auch ins Büro gekommene Praktikant, tröstet sie.Dafür warst du die Siegerin der Herzen!“
    Die vorher lange im Schuldienst beschäftigte Julia Lanzendörfer ist seit dem 22. Juni vergangenen Jahres bei der Stadt Osterholz-Scharmbeck angestellt. „Ich hatte also kürzlich mein einjähriges Dienstjubiläum“, schmunzelt sie. Sie wohnt wie ihr Kollege in Bremen und ist Werder-Fan, wie an der grün-weißen Dekoration des Arbeitszimmers unschwer zu erkennen ist.


    Tobias Kalmer war als Sozialarbeiter für einen Bildungsträger in Bremen tätig, ehe er mit Beginn dieses Jahres seinen neuen Job übernahm. Das Duo in der Koordinierungsstelle soll unter anderem kommunale Integrationsaufgaben bündeln und organisieren. Es soll ehrenamtliche Engagements und Nachbarschaftshilfen fördern, und es soll mit Vereinen, Verbänden und sonstigen Organisationen zusammenarbeiten. „Aufbau, Pflege und Koordination kooperativer Strukturen“ steht ebenfalls in der Arbeitsplatzbeschreibung. Dazu kommen noch dicke Brocken wie der bevorstehende Umzug vom Riegelbau an der Koppelstraße und der Unterkunft Heilshorn in die Pennigbütteler Mobilbauten. Auch an dieser Stelle liegt die Organisation in den Händen von Lanzendörfer und Kalmer.
    In Osterholz-Scharmbeck hat man auf eine dezentrale Unterbringung Wert gelegt. Die Vorteile liegen auf der Hand, wie Kalmer findet. „Es gibt keine Milieubildung und dennoch kurze Wege zu den Freunden und Verwandten.“ Und Lanzendörfer nimmt auch die Alteingesessenen in den Blick. „Wer eine Scheu vor neuen Menschen in seiner Umgebung hat, kommt mit fünf Leuten besser zurecht als mit 300.“
    Etwa 450 Menschen sind es, die in den Zuständigkeitsbereich der städtischen Koordinierungsstelle fallen. Es sind ausschließlich Familien, aus 21 verschiedenen Herkunftsländern. Doch von einem heillose Verwirrung stiftenden Sprachengewirr wie beim biblischen Turmbau zu Babel kann keine Rede sein. Viele Asylbewerber sprechen ein wenig Deutsch oder ein paar Brocken Englisch. Lanzendörfer beherrscht die spanische und die französische Mundart, was helfen konnte, als noch viele Menschen vom Balkan kamen. Inzwischen würden, so Lanzendörfer, in Osterholz-Scharmbeck nur noch Kriegsflüchtlinge Schutz suchen.
    Die eingeschränkte und erschwerte Verständigung ist allerdings ein Hemmschuh beim Neustart der Angekommenen. Wenn Behördengänge anstehen, geht ein ehrenamtlicher Begleiter mit, um zu dolmetschen. Ansonsten muss die Gebärdensprache herhalten. „Gelegentlich kommt auch ein befreundeter Landsmann mit, der Deutsch oder Englisch kann. Oder es wird ein Übersetzer angerufen.“ Kalmer hat sich auch schon mit einem Bild oder einer Zeichnung beholfen, um seine Botschaften an den Mann oder die Frau zu bringen. „Die Dialoge sind das positiv Anstrengendste an meiner Arbeit. Ich muss konzentriert darauf achten, ob mein Gesprächspartner mich auch richtig verstanden hat.“
    Die Erfahrungen mit den Schutzsuchenden schildern Lanzendörfer und Kalmer als überaus positiv. „Die Leute sind erst einmal froh, aus der Erstunterkunft raus zu sein.“ Und sie wüssten, „dass hier vieles anders ist“ und versuchten, sich darauf einzustellen. Die meisten hätten, auch bei anfänglicher Skepsis, die Absicht zu bleiben, wenn sie sich in die neue Umgebung eingewöhnt hätten. „Sie wollen sich hier etwas aufbauen, sofern sie nicht eine Ausbildung haben, für die sie hier keine Verwendung haben.“ Das Warten auf die nächste Schritte im Asylbewerberverfahren sei allerdings für viele Menschen ein Problem. Lanzendörfer: „Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge braucht halt lange. Doch es ist besser geworden.“
    Eine sinnvolle Beschäftigung ist das beste Rezept gegen den Frust. Die Flüchtlingsbetreuer vermitteln ehrenamtliche Tätigkeiten. Stress gibt es mit den Problembeladenen selten. Lanzendörfer berichtet, dass sie vor zwei Monaten von einem Bürger angerufen wurde, der sich über den von einer benachbarten Ausylbewerber-Familie ausgehenden Lärm beschwerte. „Wie sich herausstellte, lag es an einem Kind, dessen Hörgerät entweder defekt oder falsch eingestellt war.“
    Die Schicksale der Geflüchteten sind bedrückend. „Viele brauchen noch Zeit, um anzukommen, nachdem sie eingetroffen sind“, formuliert Kalmer. Auf der positiven Seite der Bilanz stehen die besonderen Erlebnisse, die erst durch die Begegnung mit anderen Kulturen möglich sind. Kalmer bekam einen Wangenkuss von einem älteren Mann, der sich über seine erste Wohnung in Osterholz-Scharmbeck freute. Und Lanzendörfer begegnete einem schüchternen kleinen Mädchen, das kein Wort Deutsch zu sprechen schien, sie aber plötzlich umarmte und ihr ins Ohr flüsterte: „Du bist meine Freundin!“
    Lanzendörfer hegt die Befürchtung, dass es etwas pathetisch klingen könnte, „aber manchmal wache ich auf und bin nur froh, dass ich zur Arbeit gehen kann.“
    Manchmal wache ich auf und bin nur froh, dass ich zur Arbeit gehen kann. Julia Lanzendörfer, Flüchtlingsbetreuerin
    http://www.weser-kurier.de/startseit...d,1410507.html

    Durch und durch positiv, diese Berichterstattung. Fast möchte man wie im Märchen schließen "und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute."

    Natürlich müssen Märchen auch kleine Widersprüche verkraften. Man muß nicht lange suchen, um sie zu finden. Oftmals liegt nur ein einziger Satz zwischen zwei sich widersprechenden Aussagen.
    Es ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner beschränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen.
    Gustav von Rochow (1792 - 1847), preußischer Innenminister und Staatsminister

  2. #2

    AW: Propaganda: Die freundlichen Gesichter der Demokratie und die freundlichen Flüchtlinge

    Jaaaaa, Talente an Autoren überfluten das Land. Wir altgedienten Schreiberlinge wundern uns jeden Tag aufs neue. Die Sparte " Positivliteratur" ist seit Merkels genialem Streich angesagt.

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