Mutmaßlicher Schlepper in Italien vor Gericht

Einem Mann, der für den Tod von 700 Menschen verantwortlich sein soll, drohen 18 Jahre Haft. Derweil warten in Libyen 800.000 Menschen auf die Überfahrt nach Europa.
Das Unglück ereignete sich vor über einem Jahr – es könnte aber auch ein Vorbote dafür sein, was diesen Sommer im Mittelmeer passieren kann: Ein Bericht von Europol und Interpol geht von rund 800.000 Menschen aus, die in Libyen darauf warten, auf dem Seeweg nach Europa zu gelangen. Und die Schlepper-Organisationen in libyschen Küstenstädten haben ihre Arbeit zuletzt wieder verstärkt, wie die Meldungen über 2600 gerettete Flüchtlinge in den letzten zwei Tagen zeigen.«Bin weder ein Krimineller noch ein Mörder»

Ali Malek betonte in einem schriftlichen Dialog mit der englischen BBC, er sei unschuldig und nur ein weiterer Flüchtling, der 1600 Dollar für eine Überfahrt nach Italien bezahlt habe. «Ich bin weder ein Krimineller noch ein Mörder», schrieb der Tunesier. Die anderen Überlebenden, die ihn beschuldigen, erzählten hingegen von Funkkontakt mit anderen Schleppern in Libyen und davon, dass er eine Waffe getragen habe.
Das Unglück bedeutete auch einen Wendepunkt in der Politik der EU. Die Such- und Rettungsmissionen wurden ausgebaut und eine eigene Mission zur Bekämpfung der Schlepper gestartet. Am 29. April sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: «Es war ein schwerer Fehler, Mare Nostrum zu beenden. Das hat Menschenleben gekostet.» Danach wurde das Einsatzgebiet der Mission Triton fast auf die Größe von Mare Nostrum ausgedehnt, und es wurden viel seltener kommerzielle Schiffe zu Hilfe gerufen. Außerdem weiteten unabhängige NGOs wie Ärzte ohne Grenzen ihre Präsenz im Mittelmeer massiv aus.
Die als Schleuerbekämpfung offiziell genannten Aktionen sind reiner Flüchtlingstransfer nach Europa, die die illegale Schleusung "legal" beenden und den Zustrom der Flüchtlinge dadurch noch erhöhen, weil sich selbstverständlich genau herumspricht, dass große Schiffe vor den Küsten vor Anker liegen, die Flüchtlinge aufnehmen und nach Europa bringen.

Dass der Flüchtlingsstrom von Libyen aus diesen Sommer sogar noch deutlich größer werden könnte als letztes Jahr, zeigen die Zahlen der ersten drei Monate: 18.000 Menschen, 8000 mehr als in der Vorjahresperiode, versuchten von Libyen aus nach Europa zu gelangen, wie die BBC schreibt. Laut BBC-Reporter Christian Fraser, der im April auf einem Rettungsschiff war, ist der Push-Faktor viel stärker als der Pull-Faktor. Die EU zieht die Flüchtlinge also nicht stärker an, vielmehr werden sie – unter anderem durch den IS – aus Libyen vertrieben.
http://www.lessentiel.lu/de/news/aus...richt-29886744