Mansoor Q. gab den entscheidenden Hinweis im Mordfall Susanna: Er nannte Ali B. als Tatverdächtigen. Nun steht der Jugendliche selbst vor Gericht. Er soll eine Elfjährige vergewaltigt haben - gemeinsam mit Ali B.
Am 3. Juni vergangenen Jahres erscheint ein Junge auf einer Polizeiwache in Wiesbaden. Er sagt, er wisse, wo Susanna sei. Das Mädchen aus Mainz, 14 Jahre alt, gilt seit dem 22. Mai als vermisst. Die Mutter sucht verzweifelt nach ihrem Kind.
Susanna sei tot, sagt der Junge. Und er wisse, wo man sie finde und wer dafür verantwortlich sei: Ali B., ein Flüchtling aus Sachu, einer Stadt in Kurdistan, im Norden des Iraks. Im Oktober 2015 war Ali B. mit seinen Eltern und acht Geschwistern in Deutschland eingereist.
Der Junge auf dem Revier heißt Mansoor Q. Er ist 14 Jahre alt, stammt aus Afghanistan und kennt Ali B. aus der Unterkunft für Flüchtlinge in Wiesbaden-Erbenheim, auch er ist ein Asylbewerber.
Ali B. habe ihm erzählt, dass er Susanna getötet habe, sagt Mansoor Q. Die Polizei nimmt den Hinweis ernst, etwa 400 Beamte machen sich mit Leichenspürhunden und Hubschrauber auf die Suche. Drei Tage später entdeckt ein Polizist an den Bahngleisen das weiße Etikett eines Kleidungsstücks, es schimmert unter einem Haufen Reisig hindurch. Darunter vergraben liegt die Leiche eines Mädchens. Es ist Susanna.
Der einstige Hinweisgeber steht nun selbst vor Gericht

Seit vergangenem Dienstag muss sich Ali B. wegen Mordes an Susanna vor der 2. Strafkammer des Landgerichts Wiesbaden verantworten. Gleich zu Beginn des Prozesses räumte der 22- Jährige ein, das Mädchen getötet zu haben. Eine Vergewaltigung streitet er vehement ab.
Es ist auch Mansoor Q.s Verdienst, dass Ali B. gefasst werden konnte. Und so wurde der 14-Jährige von Ermittlern gelobt: Er hatte den Mut aufgebracht, Ali B. ins Visier der Ermittler zu rücken.
Doch wenn die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft stimmen, ist Mansoor Q. auch Täter. Ab kommendem Dienstag muss er sich vor der Jugendschutzkammer des Landgerichts Wiesbaden verantworten. Gemeinsam mit Ali B.
In einer gesonderten Anklage legt die Staatsanwaltschaft Wiesbaden den beiden Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern zur Last. Ali B. soll am 27. April vergangenen Jahres eine Elfjährige in sein Zimmer in der Asylunterkunft gelockt, eingeschlossen und vergewaltigt haben.
Auch Mansoor Q. wird vorgeworfen, sich an dem Mädchen vergangen zu haben. Zwischen Ende April und Mitte Mai vergangenen Jahres soll er gemeinsam mit Ali B.s noch strafunmündigem Bruder in einem Waldstück in Wiesbaden-Medenbach die Elfjährige vergewaltigt haben.
Unter dem Vorwand, er werde den Übergriff seines älteren Bruders klären, soll Ali B.s jüngerer Bruder das Mädchen in den Wald gelockt und als Gegenleistung den Geschlechtsverkehr mit ihr verlangt haben. Die Elfjährige aber lehnte ab. Laut Anklage soll Ali B.s Bruder sie daraufhin gewürgt und ihr gedroht haben, sie umzubringen.
Mansoor Q. soll Elfjährige und deren Schwester bedroht haben
Mansoor Q. soll der Elfjährigen Handy und Ohrringe abgenommen haben und ihr, als sie zu schreien begann, mit einer Hand den Mund zugehalten haben. Ali B.s Bruder entkleidete und vergewaltigte nach Ansicht der Staatsanwaltschaft das Mädchen, Mansoor Q. hielt es fest. Im Anschluss soll der strafunmündige Bruder das Mädchen festgehalten haben, während Mansoor Q. es vergewaltigte.
Ende Mai soll das Mädchen auf einem Supermarktgelände nahe dem Asylbewerberheim Mansoor Q. erneut getroffen haben. Er soll die Elfjährige auf eine Grünfläche gezerrt und ihr in den Intimbereich gegriffen haben. Sie schrie, Mansoor Q. entriss ihr eine Bluse, die sie als Jacke trug.
Laut Anklageschrift tauchte kurz darauf Ali B. auf, die Bluse des Mädchens in der Hand. Er forderte die Elfjährige auf, zu sagen, dass nicht er selbst, sondern sein Bruder - 13 Jahre alt und daher noch strafunmündig - Ende April mit ihr Geschlechtsverkehr gehabt habe. Dabei soll er das Mädchen erneut belästigt haben, bis es weglief. Doch die Elfjährige stürzte, Ali B. holte sie laut Anklage ein. Erneut soll er das Mädchen vergewaltigt haben. Mansoor Q. soll erst zugesehen und die Elfjährige danach auch vergewaltigt haben.
Einen Tag nach dem Fund von Susannas Leichnam Anfang Juni soll Mansoor Q. zudem der Elfjährigen und deren Schwester gedroht haben, dass diese "genauso tot seien", wenn sie zu dem Fall etwas aussagen würden.
Am 1. Juli vergangenen Jahres vertraute sich die Elfjährige der Polizei an und schilderte, was Ali B., dessen Bruder und Mansoor Q. ihr angetan haben sollen. Zuvor hatte sie ihre Eltern eingeweiht. Am 17. Mai zeigte sie ihrem Vater in der Flüchtlingsunterkunft Ali B.s Zimmer. Damals lebte Susanna noch.
Das Verfahren vor der Jugendschutzkammer gegen Ali B. und Mansoor Q. wird mit großer Wahrscheinlichkeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.

http://www.spiegel.de/panorama/justi...a-1257999.html