Wohnsitzlose in Stuttgart
Notbetten für Obdachlose fehlen



Zum 1. November öffnen regulär die Winternotquartiere für Wohnsitzlose. Obwohl die erste Woche des Monats vorbei ist, steht nicht fest, wohin die Obdachlosen sollen. Der Caritasverband Stuttgart rechnet bei Kälteeinbruch mit Problemen bei der Unterbringung der Menschen, die im Freien nächtigen.

„Am Tag ist es warm und nachts erträglich“, sagt Horst Rüth. Der 55-Jährige ist zurzeit wohnsitzlos und übernachtet im Freien. Im Lauf der Woche soll er in eine Sozialwohnung ziehen. Er hat Glück, dass er vor dem Wintereinbruch eine feste Bleibe gefunden hat. Beim Caritasverband Stuttgart hofft man derweil auf einen milden Winter.

Ein Kälteeinbruch hätte laut Manfred Blocher von der Caritas „große Probleme“ zur Folge. „Bei den momentanen Temperaturen bleiben die Obdachlosen draußen. Spätestens bei Frost drängen sie aber in die Winternotquartiere. Dort werden sie die Erfahrung machen, dass aufgrund des Flüchtlingszustroms die Notbetten noch knapper als bisher sind“, stellt er fest.

Die städtischen Notquartiere mit insgesamt 65 Plätzen sind offiziell von 1. November bis Ende März geöffnet. Derzeit gibt es tatsächlich noch keine Nachfrage. Wenn, wäre das fatal. So hat zum Beispiel das Winterquartier in der Hauptstätter Straße mit 55 Betten nur noch neun freie Plätze. Das Haus wurde bereits im Sommer geöffnet, weil Wohnsitzlose, die auf eine Unterkunft warten, mangels anderer Quartiere vorübergehend dort untergebracht werden mussten. Weil diese Plätze jetzt bei den Notunterkünften fehlen, will die Stadt im Lauf dieses Monats zusätzlich etwa 50 neue Plätze schaffen. Wo, ist jetzt, Anfang November, immer noch nicht klar: Entweder soll auf städtischem Gelände eine Containeranlage aufgebaut oder aber ein Privatgebäude in der Villastraße hergerichtet werden. „Es wird überlegt, ob das Gebäude in der Villastraße mit Flüchtlingen oder Wohnsitzlosen belegt werden soll“, heißt es beim Amt für Liegenschaften und Wohnen.

Hausverbot für Flüchtlinge

Direkt neben der Franziskusstube in der Paulinenstraße, in der Obdachlose frühstücken können, sind in einem ehemaligen Hostel etwa 80 Flüchtlinge aus Syrien untergekommen. Ursprünglich war das Gebäude als Interimsunterkunft für obdachlose Frauen vorgesehen. Schwester Margret, die Leiterin der Franziskusstube, hat festgestellt, dass ihre Wohnsitzlosen die Flüchtlinge als Konkurrenz erleben. Bislang hat es noch keine offenen Konflikte gegeben. Um die auch künftig zu vermeiden, haben die Syrer in der Franziskusstube Hausverbot. „Das ist eine klare Vorgabe. Unsere Leute sollen nicht verdrängt werden“, so Schwester Margret.
Derzeit gibt es mit 3700 Wohnsitzlosen rund 150 Menschen mehr ohne festen Mietvertrag in Stuttgart als im Vorjahr. Rund 60 leben auf der Straße. Ihnen stehen 5435 Flüchtlinge gegenüber. ...

Den Winterengpass überwinden wir. Hier wird keiner erfrieren.“ Die wirklichen Probleme und den Wettlauf um Quartiere sieht sie in der Zukunft auf die Landeshauptstadt zukommen: „Sobald die Flüchtlinge anerkannte Asylanten sind und aus den Unterkünften müssen, wird es auf dem regulären Wohnungsmarkt richtig eng“, prophezeit sie und rechnet damit, dass Asylanten aus anderen Bundesländern wegen der besseren Arbeitsmarktsituation nach Stuttgart kommen.

Wohnsitzlose haben Angst, zu kurz zu kommen

Auch Harald Wohnmann, Leiter der Caritas-Tagesstätte in der Olgastraße, rechnet damit, dass sich die Zahl der Wohnsitzlosen durch die Flüchtlinge weiter erhöht. ....

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In die Caritas-Tagesstätte kommen auch hin und wieder Flüchtlinge. Nicht jeder einheimische Obdachlose ist davon begeistert. Die Angst vor Fremden und davor, zu kurz zu kommen, ist auch in der Olgastraße spürbar. „Wir sind doch hier zu Hause. Deshalb sollte sich die Stadt zuerst um uns kümmern – oder etwa nicht?“, fragt Klaus Drotleff. Der 77-Jährige kommt regelmäßig in die Tagesstätte. Er hat zwar ein Dach über dem Kopf, fürchtet aber, dass die Mieten aufgrund der Engpässe so steigen, dass er seine Bleibe irgendwann nicht mehr bezahlen kann und dann auf der Straße landet
http://www.stuttgarter-nachrichten.d...2c0f2c8c5.html