Video: Abendschau | 18.09.2015 | Laurence Thio - Anti-Trolle auf "digitaler Nazi-Jagd"

In der Anonymität des Internets hetzen viele Nutzer ohne jede Scham. Hasskommentare, die sich vor allem gegen Flüchtlinge richten, sind an der Tagesordnung. Weil die sozialen Netzwerke kaum Haltung zeigen, durchforsten "Anti-Trolle" das Netz nach ihnen, melden sie bei der Plattform, der Polizei und beim Arbeitgeber. Von Laurence Thio

Flüchtlingen wird im Internet der Tod gewünscht, Politiker und Prominente werden diffamiert, wenn sie sich für Integration engagieren. Zu lesen sind in den sozialen Netzwerken oder in Kommentaren auf Nachrichten-Websites menschenverachtende Einträge - wie hier im Blog "Perlen aus Freital" gesammelt: "Wie wäre es wenn wir in Tierheimen Zwinger räumen für die Ausländer, da haben wir ganz viel Platz für die. Lol", steht da zu lesen. Oder: "Immer rein wir sind ja schließlich das Sozialamt der Nation. Verdammte Scheisse. Auch wenn es hart klingt wir brauchen einen neuen Führer." Und auch: "Ich bin immer noch für Gaskammer oder erschießen."
Bislang hat das soziale Netzwerk Facebook wenig gegen solche Hasspostings so genannter Trolle getan. Aber es gibt Aktivisten im Internet, die den Hass nicht stehen lassen wollen.
"Digitale Nazi-Jäger", oder "Anti-Trolle", stellen die Hetzer im Netz zur Rede. Sie "stalken" ihre Profile aus und finden die Identität heraus. Dann melden sie die Hetzer bei Facebook und - wenn nichts passiert - auch bei der Polizei und beim Arbeitgeber. Kritiker werfen den Jägern Selbstjustiz vor. Die Aktivisten selbst sind der Meinung, ihre Hetzjagd sei erste Bürgerpflicht.




  • Troll-Alarm im Netz - Zoff im Auenland

    Sie sprengen Diskussionen in den sozialen Netzwerken, in Foren oder den Kommentarspalten: Pöbelnde Nervensägen und Wutbürger, auch Trolle genannt. Dabei verbreiten sie oft puren Hass. Das Trollen und was man dagegen tun kann ist ein großes Thema auf der re:publica. Von Tobias Jaecker


Anzeigen bei Facebook, der Polizei, dem Arbeitgeber

Viele der schamlosen Kommentare sind in der Tat schwer zu ertragen. Deshalb gibt es Menschen wie Michael. Er will anonym bleiben, weil er sich schützen will. Michael ist so etwas wie ein digitaler Nazi-Jäger. Täglich durchforstet er soziale Medien nach brauner Hetze. Er erklärt, wie er vorgeht: "im Vorfeld Facebook informieren und abwarten, wie die Meldung ausgeht." In den meisten Fällen reagiere Facebook nicht. "Im zweiten Schritt melde ich das dann per Online-Anzeige der Polizei", so der Aktivist.

Wenn auch das nicht hilft, informiert er den Arbeitgeber
- vor allem, wenn es sich um große Unternehmen handelt. "Da weiß ich, dass gewisse Sozialstandards herrschen und dass auch gewisse Äußerungen speziell bei Facebook nicht erwünscht sind. Und dass das auch zur Kündigung führen kann", sagt Michael.

Die Hetzer auf Facebook liefern alle Informationen über sich meist selbst - im eigenen Profil.


Die Anonymität lässt bei manchen Usern Schranken fallen

Für Michael gibt es viel zu tun in letzter Zeit. Und auch für die Polizei. "Wir haben in diesem Jahr 160 Anzeigen wegen Hasspostings im Internet erhalten. Es ist nicht nur Facebook, sondern es sind auch anderen Medien, die genutzt werden. Davon sind etwa 100 im rechtsextremen Bereich anzusiedeln. Die Menschen haben ein Gefühl der Anonymität, und das lässt bei dem einen oder anderen alle Schranken fallen", so der Sprecher der Berliner Polizei, Stefan Redlich.

Zu sehen ist das im Netz jeden Tag. Auch auf der Facebook-Seite der rbb-Abendschau - oder unter den Artikeln großer Nachrichtenseiten. Das Blog "Perlen aus Freital" sammelt volksverhetzende Einträge, der Verein "Netz gegen Nazis" die besten Gegenstrategien. Hier empfiehlt man neben der klassischen Anzeige und der Meldung beim Arbeitgeber auch den Appell an andere Mitleser. "Wichtig ist aber, solche Kommentare nicht einfach stehen zu lassen. Es geht darum, an die Leute zu appellieren, die mitlesen", sagt Simone Rafael von "Netz gegen Nazis".


Aufstehen im Netz gegen Hetzer und Rassisten

Die Diskussion ist ein Weg, den immer wieder engagierte Menschen wählen - auch weil die sozialen Netzwerke selbst kaum Haltung zeigen. Sie fühlen sich betroffen, informieren jedoch keine Arbeitgeber und bringen Hasspostings auch nicht zur Anzeige. Sie diskutieren: Tag für Tag. Nicht mit einschlägig Rechtsextremen. Aber mit Leuten, die noch nicht ganz "zu gemacht" haben.
https://www.rbb-online.de/abendschau...spostings.html

Es bleibt dann in der Einschätzung der Internetspione, ob ein Posting rechtsradikal ist oder nicht. Wie ich allerdings aus der Politikerriege vernommen habe, reichen bereits Äußerungen einfacher Art, es kämen zuviele Flüchtlinge, aus, um dem Schreiber ein rechtsradikales Etikett zu verpassen. Die Grenze wird überschritten, sobald die Regierungspolitik kritisiert wird. Kritik wird zunehmend gefährlich.