Wandere aus, solange es noch geht - Finca Bayano in Panama!
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  1. #1
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    Büllich, büllich!

    Billig, ja billig soll es sein! Es steht die Schlange im Diskontsupermarkt an der Kassa. Ein junger Mann beklagt den mangelnden Dienst am Kunden, gickst sein Mißfallen in die erdige Atmosphäre, er zahle doch und das dürfe er erwarten, sofort dran zu kommen, in seinem Wagerl Waren im Werte von zwei vierzig! Ja, wenn man um zwei vierzig einkauft in einem rustikalen Billigladen, darf man das! Seine abgetretenen Schuhe, seine Hose mit siffigen Rändern, die wellige Muster bilden. „Ich bin Kunde!“ als Trost für ein Gerade-noch-zum-Leben-Einkommen, für das vor kurzem erfolgte Verlassenwordensein durch Eveline, der das Geradenoch zu wenig und von Liebe bei ihr nie die Rede war. Genug von büllich, obwohl ihr Teilzeitgehalt alleine nicht einmal mehr büllich erlaubt hätte. Dennoch der Kosmetikerin „bitte, ich bin Kundin“ ins Gesicht gerotzt als der Verweis auf die Preisliste, sowie auf die Wartezeit den Traum von büllich und Sofort-dran-kommen jäh zerstörte.

    Eveline in den Armen eines anderen mit einer größeren, aber unordentlicheren Wohnung. Dafür bewegt er sich in guter Kleidung auf Kredit, macht bei ihrer Lieblosigkeit keine Anstalten. Wäre da nicht der sie in den Wahnsinn treibende tropfende Wasserhahn im Bad, ein am Telefon rotzfrecher Handwerker, der etwas von Preisen für Warte-, Weg- und Arbeitszeit raunt und ihr den Wunsch nach „Sofort und büllich“ brüsk verweigert, ihr „bitte, ich bin Kundin!“ gar mit einem hämischen Lachen beantwortet, „a tropfata Wossahau is ka Notfoi!“

    Die Fabrik, in der Evelines Vater jahrzehntelang gearbeitet hatte, wird nun abgerissen. Lange Jahre ist sie leer gestanden seit der Zeit, als büllich in Österreich Einzug hielt und „Made in Austria“ nicht mehr gefragt, da zwar bester Qualität, aber eben nicht büllich. Evelines Vater hat es gerade noch geschafft, die Pension zu bekommen, bevor büllich das arbeitsreiche Leben seiner Kollegen zerstörte. Auf den ersten Fernseher war gespart worden, die Freude darob unbeschreiblich, auch das Auto war erst in der Lebensmitte ihrer Eltern möglich geworden, nach jahrelangem Zurücklegen. „Ollas nur kane Schulden!“ statt „bitte, ich bin Kundin!“

    Ja, Eveline hat unterschrieben gegen Kinderarbeit, aber die Bluse war büllich und von zarter Kinderhand genäht in irgendwo, das man im Atlas suchen muß. Die Nichtregierungsorganisation, die für Evelines Teilzeiteinkommen aufkommt, macht Werbung, und beauftragt eine Werbeagentur, die alles andere als büllich ist, schickt weiters hunderte Spendenkeiler aus, die sich für büllich den Fußgehern in den Weg stellen, „möchtest du die Welt retten, hm?“, durch Kontoeinzug regelmäßig ein Mal im Monat. Diese schrecklichen Spießer mit ihrem „Lassen’S mich in Ruh!“ im Gegensatz zu den jungen, lieben, geschlechtslosen Traumtänzern, die fröhlich „hab kein Geld“ zwitschern und einen „schönen Tag mit viel Glück“ wünschen.

    Franz, Evelines Bruder, sperrt seine Schlosserei zu, für immer! Mit Büllich konnte er nicht mithalten so ist es halt aus mit dem Betrieb, mit ihm selbst und dem einzigen Mitarbeiter, der im Grunde sein einziger Freund ist. Der bekommt wenigstens Arbeitslosengeld, Franz hingegen bekommt nichts, denn er gehört ja zu den Firmeninhabern, die Sozialabgaben zahlen müssen, Steuern mitsamt Steuerberater, das Gegenteil von büllich, nämlich nicht mehr zu bezahlen. Solche wie Franz werden in Österreich bestenfalls geduldet. „Eine ordentliche Arbeit braucht Zeit und muß etwas wert sein“, das hätte Franz lieber nicht zu seinem Motto machen sollen. Der Betrieb ist zu und wird bald ein Wettbüro sein, bei dem ständig die Polizei verhaften muß, was ohnehin bald wieder hämisch grinsend in Freiheit sein Unwesen treibt.

    „Red net so a Bledsinn“, grummelt Franz zu seiner Schwester, die ihn endlich „Opfer des allumfassenden Übels des Kapitalismus“ nennen darf und umarmt. Vorher war er für sie noch das lebende Beispiel der Ausbeuterkaste, mit seinem kleinen Schlossereibetrieb.

    Ein Sportwagen überfährt brausend eine rote Ampel, drinnen sitzen fünf junge Männer, dunkles Haar mit Gel in den Nacken geschmiert, Stoppelbart, der ganze Wagen zittert vom drinnen wummernden Dröhnen aus Tausend und einer Nacht. Beinahe wäre Eveline vom Sportwagen umgefahren worden, hätte Franz sie nicht vom Rand der Kreuzung gezogen. Ein Augenblick tiefen Schreckens und quietschende Reifen aus der Ferne.

    Eveline will nicht mehr zur Lieblosigkeit ihres Schon-wieder-Neuen zurück, fährt stattdessen zum kleinen Vorstadthaus ihrer Eltern, wo Franz schon mit ihnen am Tisch sitzt und der Vater die Hand auf die Schultern seines Sohnes legt, „wennst was brauchst Bua, weißt eh...“ Eveline hat ihr sämtliches Büllich in der Wohnung der Lieblosigkeit gelassen. „Mama, sag, sind meine alten Kleider noch da?“ „Oben im Kasten, wo’s immer woan!“ Im alten Fernseher wird für büllich zu Habendes geworben. Danach bilden Bundes- und Vizekanzler Sprechblasen.

    „Was machma jetzt?“ fragt Eveline. „Keine Ahnung!“ antwortet die Mutter, der Vater und Franz öffnen eine Flasche Steirischen Schilcher.
    Geändert von Schurliwurli (27.02.2014 um 23:43 Uhr)

  2. #2
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    AW: Büllich, büllich!

    Wenn auch überzogen, so trifft es doch den Kern der Sache.
    In Extremfällen mag es sich so oder ähnlich abspielen.
    Was ich aber viel schlimmer finde ist die Schelte, die seitens der Medien auf uns Konsumenten hernieder prasselt.
    Natürlich kaufe ich gerne günstig, aber nicht um mich mit Ramsch auszustatten.
    Auch beim täglichen Einkauf zum Erhalt meiner körperlichen Kräfte, sprich vom Kauf der Lebensmittel, achte ich darauf, dass es Qualität ist.
    Das muss man sich aber auch leisten können.
    Ich finde es zum kotzen, wenn dann von den Medien immer wieder behauptet wird, dass die Qualität so schlecht ist, weil eben der Konsument immer nur billig, billig will.
    Das im Umkehrschluss die Schweinemäster z.B. längst zuviel produzieren, und etwa 25% der Ferkel auf dem Komposthaufen landen, wird dabei verschwiegen.
    Das Makenhersteller ihre teuer angebotenen Waren, die ja höchste Qualität suggerieren sollen, in Billigländern produzieren lassen, ist auch bekannt, aber die Markenkunden lassen sich nicht davon beirren etwas Gutes zu erwerben.
    Das ganze Gerede von billig-billig ist doch nur ein gut gesteuerter Appell der Industrie, nur damit ihre Schwindelprodukte mehrheitlich gekauft werden sollen.
    Sicher ist mir ein Stück Fleisch vom Metzger lieber als ein Stück Billigfleisch aus Polen, aber deswegen wird die Mehrheit der Konsumenten sich trotzdem im Supermarkt bedienen, was nicht immer falsch ist, denn mittlerweile bieten einige Supermärkte durchaus akzeptables Fleisch zu günstigen Konditionen an.
    Selbst No-Name Produkte sind meistens Markenwaren, die nur umettikettiert werden, damit Überproduktionen nicht verworfen werden müssen.
    Jeder sollte also für sich entscheiden, wofür er sein Geld ausgibt.
    Nicht umsonst gibt es ja auch Autos in verschiedenen Preiskategorien.
    Kleidung und weitere Verbrauchsware muss man so auswählen, dass sie zum jeweiligen Gebrauch passt, und deswegen nicht immer vom Feinsten sein muss.
    Mehr Differenziertheit ist angesagt.
    Nicht immer alles verteufeln was grade unattraktiv ist, denn irgendwann kommen auch wieder schlechtere Zeiten, dann ist mancher froh, wenn er dann noch billig an seine lebenswichtigen Sachen kommt!

  3. #3

    AW: Büllich, büllich!

    Holzpope hat völlig recht. Ob Aldi oder andere Discounter, die No Name Artikel werden in überwiegend gleicher Qualität angeboten wie die Markenartikel. Wenn ich ein Esprit Polohemd für 12-20 €uro erstehen kann, übrigens in hervorragender Baumwollqualität gebe ich nicht bis zu 100 €uro für eins aus, auf dem ein Krokodil draufgenäht ist. Auch das besteht nur aus einfachster Baumwolle und die ist nun mal billig. Ein Markenpullover einer bekannten amerikanischen Marke kostet bei P & C 100 Tacken, der gleiche Pullover ohne Enblem 24,50 €uro. So geht es praktisch durch das ganze Warenangebot. Der schlimmste Humbug sind wohl die Plastiktäschen für 1000 €uro und mehr, von französischen Anbietern wo unsere Damenwelt so drauf steht. 750 €uro für ein Plastikrucksäckchen von "PRADA" finde ich schon mehr als nur abgehoben. Aber auch die Luxusgüterindustrie schafft jede Menge Arbeitsplätze.
    Bin gegen jede Form extremistischer Gewalt dabei unerheblich aus welchem Lager.

  4. #4
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    AW: Büllich, büllich!

    Ich stimme euch beiden zu. Aber irgendwo ist immer der Teufel im Detail und irgendwer ist immer gekniffen. Am besten verzichtet man ganz auf die eigene Existenz..

  5. #5
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    AW: Büllich, büllich!

    Zitat Zitat von Elena Markos Beitrag anzeigen
    Ich stimme euch beiden zu. Aber irgendwo ist immer der Teufel im Detail und irgendwer ist immer gekniffen. A m besten verzichtet man ganz auf die eigene Existenz..
    Klar doch, darüber freuen sich dann die Sozialschmarotzer, für die dann mehr übrig bleibt.
    Nein, verzichten muss man nicht, nur sollte man nicht der bescheuerten Werbung vertrauen, die uns weismachen will, dass nur Markensachen gut sind.
    Auch mit BIO-Produkten wird mittlerweile Schindluder getrieben.
    Öko-Sigel sind auch so ein Blendprodukt, denn so ein Gütesiegel vergeben sich die einzelnen Länder selber und nach Gutdünken.
    Man schaue nur mal auf die vielen Angebote und vergleiche mal, wie viele dieser Gütesiegel es gibt.
    Ich falle nicht darauf herein, siehe die letzten Ölpanschereien mit Ölivenöl aus Italien, empfohlen von Sternekoch Schubek.
    Wem soll man denn noch glauben?
    Am besten man probiert, und wenn es schmeckt, bleibt man dabei.
    Studieren geht über probieren!

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