Wenn man zwischen den Zeilen mithört, könnte man vermuten, daß den Nomenklaturen in Österreich langsam ein bissl die Muffn geht.

Auszug:
Meine sehr geehrten Damen und Herren!


Vor drei Wochen hat mir der mit der Regierungsbildung betraute Herr Bundeskanzler in Übereinstimmung mit dem Herrn Vizekanzler mitgeteilt, dass die Regierungsverhandlungen zwischen den beiden stärksten Parteien erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Auf dieser Basis ist eine neue Bundesregierung ernannt worden und hat vor wenigen Tagen ihre Arbeit aufgenommen.


Ich weiß, dass es derzeit in den Medien und auch in der Bevölkerung ziemlich viel politisches Unbehagen gibt.
Das hat sich auch auf den Prozess der Regierungsverhandlungen und auf das Ergebnis der Regierungsbildung erstreckt.

Dennoch bin ich überzeugt, dass es fair und sinnvoll wäre, so ähnlich vorzugehen wie im Sport, wo einer österreichischen Nationalmannschaft am Beginn eines internationalen Turniers oder am Beginn einer neuen Saison ja auch ein Vertrauensvorschuss gegeben und ein Gemeinschaftsgefühl entwickelt wird.
Ein solches Gemeinschaftsgefühl ist etwas sehr wichtiges.
Quelle: http://www.bundespraesident.at/newsd...spraesidenten/

Unbehagen ist sehr diplomatisch formuliert. Wenn ich mich so umhöre, geht das weit darüber hinaus.

Bezeichnend auch, daß der Erzbischof von Wien in seiner Sylvesterrede ähnliche Inhalte wie der Bundespräsident hatte:

Heute, an Silvester 2013, bewegt mich eine Frage: Wie haben die Menschen vor 100 Jahren, im Jahr 1913, den Jahreswechsel gefeiert? Wie haben meine Großeltern, die damals ein junges Paar waren, gefeiert? Der Wohlstand schien so sicher, alle waren zuversichtlich. Und wenige Monate später brach der Krieg aus, den wir heute den Ersten Weltkrieg nennen, mit seinen mörderischen Folgen, mit Millionen von Toten und dem Zusammenbruch der Alten Welt. Die giftige Saat dieses Krieges waren der Sowjetkommunismus, der Nationalsozialismus und als Folge daraus der Zweite Weltkrieg.
Schwer und mühsam hat sich die Menschheit aus den Trümmern dieser Katastrophe erhoben. Aus der schweren Erfahrung der beiden Weltkriege ist in Europa aber ein Miteinander gewachsen, ja sogar ein Füreinander, sodass wir heute 70 Jahre lang keinen Krieg in Europa - mit Ausnahme des Balkans - gekannt haben.

Meine Frage an diesem Silvester ist: Nehmen wir, wie die Menschen 1913, alles das, was uns lieb und kostbar ist, für zu selbstverständlich? Nehmen wir alles das für selbstverständlich, was unseren Wohlstand, unser gutes Gesundheitswesen, unser gutes soziales Klima ausmacht? Könnte das nicht auch zusammenbrechen, so wie damals eine Welt zusammengebrochen ist? Ich sage das nicht um Angst zu machen, sondern um zur Dankbarkeit einzuladen. Denn all das, was uns heute so selbstverständlich scheint, ist es nicht.

Und es kann sich auch ändern. Es gibt Sorgenzeichen: In unserem Land wächst die Armut. Die Lebenssituation von Menschen am Rand der Gesellschaft wird schwieriger, von Alleinerziehenden, Pensionisten mit Mindestpension... Das Realeinkommen der Menschen in unserem Land ist im Sinken, die Sicherheit der Arbeitsplätze ist nicht gegeben.

Was kann daher die Botschaft für das Jahr 2014 sein? Ich möchte an ein Wort Nelson Mandelas erinnern, des vor kurzem verstorbenen großen afrikanischen Staatsmannes, der so vielen Hoffnung gegeben hat. Er sprach von einer notwendigen "Kultur des Füreinander". In Österreich lebt diese Kultur! Im vergangenen Jahr gab es etwa einen Spendenrekord: 510 Millionen Euro haben Österreicherinnen und Österreicher für Menschen in Not gespendet.

Es gibt eine Kultur des Miteinander und des Füreinander. Aber die Jahre werden schwieriger, und wir müssen in den kommenden Jahren so etwas wie eine Reifeprüfung ablegen: ob das Füreinander in unserem Land stark genug ist.

Ich darf Ihnen ein gesegnetes Jahr 2014 wünschen, in der festen Hoffnung, dass diese Kultur des Füreinander, die unser Land geprägt hat, stärker sein wird als alles, was unsere Zukunft bedrohen mag.

AutorIn: Kardinal Christoph Schönborn
Quelle: http://www.erzdioezese-wien.at/site/...cle/33162.html