Es gab Zeiten, da galt die niedersächsische Landespolitik als eher beschaulich. Wann es damit genau vorbei war, lässt sich nicht so einfach rekonstruieren: Vielleicht in den 90er Jahren schon, als ein ehemaliger Juso-Bundesvorsitzender namens Gerhard Schröder erst zum Ministerpräsidenten und später zum Bundeskanzler gewählt wurde? In den turbulenten Jahren nach 1998, als die SPD in kurzer Zeit zwei Regierungschefs verschliss? Oder erst 2011, als sich der damalige Bundespräsident Christian Wulff (CDU) einer Reihe von Vorwürfen konfrontiert sah, die unter anderem auch seine Zeit als Ministerpräsident betrafen?
Das politische Klima in Hannover jedenfalls ist ungemütlich geworden. Das bekommt derzeit auch der vor acht Monaten gewählte Regierungschef Stephan Weil (SPD) zu spüren.
Im Kern geht es um Vorwürfe, seine Regierung verschwende durch üppige Luxusextras und eine ausufernde Personalpolitik Millionen Euro an Steuergeldern.
Angefangen hatte alles im Sommer: Udo Paschedag (Grüne), damals Staatssekretär im Agrarministerium, ließ sich einen Audi A8 als Dienstwagen bestellen. Nun hat ein solches Auto mehr Hubraum, als einem Grünen eigentlich lieb sein könnte. Dazu kam noch, dass auch eine Richtlinie der Landesregierung eigentlich kleinere Dienstwagen für Staatssekretäre vorsieht. Doch Paschedag bestand auf seinen A8.
Trick bei der Besoldungsgruppe
Zu allem Übel ließ er noch sein Büro mit einer teuren Klimaanlage ausstatten, was streng genommen auch nicht unbedingt ökologisch ist. Schließlich wurde auch bekannt, dass er für seinen Wechsel vom nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsministerium nach Niedersachsen „private Gründe“ geltend machte. So behielt er seine Einstufung in die Besoldungsgruppe B10, die für Staatssekretäre in Nordrhein-Westfalen üblich ist. In Niedersachsen gibt es nur B9. Paschedag musste im September gehen.
Derzeit ermittelt ein Untersuchungsausschuss des Landtages die Hintergründe zum Fall Paschedag. Regierung und Opposition sind so zerstritten, dass sie sich vor einigen Tagen noch nicht einmal auf die Reihenfolge der Zeugenbefragungen einigen konnten. Die CDU wollte Paschedag als ersten Zeugen befragen, um möglichst früh zu klären, was Stephan Weil davon wusste. Die SPD lehnte dies ab.
Doch nicht nur der Fall Paschedag bereitet Weil Sorgen. Auch gegen die geplante Ernennung seiner Regierungssprecherin Anke Pörksen zur Staatssekretärin gibt es Widerstand. Pörksen war im Schattenkabinett von Stephan Weil als Justizministerin vorgesehen. Doch bei den Koalitionsverhandlungen ergatterten die Grünen das Ministerium.


Mehr Informationsarbeit?
In Hannover raunt man sich zu, dass die Ernennung zur Staatssekretärin nun eine Art finanzielle Wiedergutmachung für Pörksen sein soll. Ein Staatssekretär verdient in Niedersachsen gut 10.000 Euro brutto im Monat. Zwar begründete die Landesregierung den Schritt damit, dass das Land Niedersachsen seine Informationsarbeit ausweiten wolle. Der entsprechende Etat ist dafür aber nicht erhöht worden. Christian Wulffs Regierungssprecher Olaf Glaeseker musste seinerzeit fünf Jahre warten, bis er 2008 zum Staatssekretär ernannt wurde.
Insgesamt gäbe es künftig in der niedersächsischen Staatskanzlei vier Staatsministerposten. Unter Weils Vorgänger David McAllister waren es nur zwei. Und die Zahl der Abteilungsleiterposten verdoppelte sich ebenso – von fünf auf zehn.
Für die CDU war die Affäre ein Weckruf. Sie ist nun endlich in der Opposition angekommen. Und es gibt auch eine gute Erklärung, warum viele Christdemokraten derzeit so angefasst reagieren, wenn es um die neue Regierung Weil geht: Während der Monate, in denen sich Christian Wulff gegen seinen Rücktritt als Bundespräsident sträubte, waren es führende Vertreter des heutigen Kabinetts, die den CDU-Mann an den Pranger stellten. Allen voran der jetzige Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne), der Wulff wiederholt als „Lügner“ bezeichnete.
Auch der jetzige Oberbürgermeister von Hannover, Stefan Schostok (SPD), schonte Wulff während seiner Zeit als Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten im Landtag nicht. Gut möglich, dass für die CDU jetzt die Zeit der Revanche gekommen ist.


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