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  1. #1
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    Was hätte Kurt Tucholsky gesagt

    Nicht nur für Murktimon.

    Ein Buch sei besonders zu empfehlen - auch für die Lesefaulen - es heißt: "Deutschland, Deutschland, über alles" und ist ein Bilderbuch, wie man es nicht schöner verfassen kann. Daher kann ich den Artikel "Wo steckt Deutschlands Geld", der eigentlich nur aus Fotos mit Untertiteln besteht, hier nicht einstellen.

    Ein anderer Artikel - alle Artikel leider ohne die Bilder, die unbedingt dazu gehören:

    Jubiläum

    Guckt ihr herüber aus anderen Betten -?
    Ja, da liegt er.
    Hat fünfzig Jahre Dienst gemacht - bei der Firma Stelzner in Berlin, in der Großen Frankfurter Straße. Na, und als er nun so über die Siebzig war, da haben sie ihn auf die Straße gesetz, stempeln gehn. Da hat er denn versucht, sich das bißchen Leben, das sie ihm gelassen haben, zu nehmen - das gelang ihm nicht. Und da liegt er nun.
    Blumen hat er bekommen, gewiß doch: und ein Ministerium hat sich für ihn eingesetzt: wenn er herauskommt aus dem Krankenhaus, dann darf er weiterarbeiten, das haben sie ihm fest versprochen. Wie, Sie meinen, er hat doch sein Leben lang Marken geklebt, da müßte er doch im Alter...Sie sind wohl nicht von hier -? Er hat zu arbeiten, bis er umfällt.
    Mit der Firma - ? Nichts, natürlich. Erstens ist sie nicht verantwortlich: zweitens war es der Übergriff eines untergeordneten Organs: drittens war der Mann eben nicht mehr leistungsfähig....nichts geschieht ihr. Seit wann ist eine Aktiengesellschaft für irgend etwas verantwortlich, was sie tut? Ein Lokomotivführer ist verantwortlich und ein Chauffeur - eine Gruppe nie.
    Wenn es so wie in Amerika wäre -: wo man jeden jeden Tag heraussetzen kann; wo sich kein Mensch darauf einrichtet, ein Anrecht auf seine Position zu haben....das ist wenigstens ehrlich. Aber einen bis zum zweiundsiebzigsten Jahr auszunutzen und dann herauszusetzen... das ist doch wohl....
    Verzweifeln Sie nicht. Wenden Sie sich an die SPD. und an ihre Gewerkschaften: die werden den Leuten schon zeigen, was eine Harke ist. Unerbittlich. Und wenn sie eine Resolution fassen sollten.
    Immerhin wissen wir jetzt, was ein Leben voller Arbeit wert ist:
    einen Strauß Blumen.
    (Man denke bei der Gelegenheit an die vielen Diskussionen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen unter dem Beisein der SPD-Politiker - nicht nur der - die über die Würde im Alter redeten und daß die Alten doch noch fit seien und auch, wie sie selbst oder ein Parteikollege, doch noch gerne im fortgeschrittenen Alter arbeiten wollen und die anderen Alten auch sollten, damit sie nicht depressiv würden. Das Gefühl, auch dann noch gebraucht zu werden, sei doch das schönste im Leben.)

  2. #2
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    AW: Was hätte Kurt Tucholsky gesagt

    Aus demselben Buch

    Rechenaufgaben

    Ein Bauer besitzt ein Feld von 18 Hektar, das ihm sein Nachbar im Alter von 54 Jahren streitig macht. Wie hoch sind die Gerichtskosten, wenn der Rechtsanwalt auf gegnerischer Seite Cohn XVII heißt?

    Das Mundwerk eines Oberpräsidenten ist 4 Meter lang und 2 Meter breit. Wie lange kann der Mann Mitglied der SPD sein, wenn er 1100 Arbeitermorde auf dem Gewissen hat?

    Ein Untersuchungsrichter läßt einen im Verdacht des Judentums stehenden Kaufmann elf Wochen in Haft sitzen. In welcher Zeit avanciert der Richter zum Landgerichtspräsidenten?

    Aufgabe mit imaginären Größen:
    Eine sozialdemokratische Partei hat in acht Jahren 0 Erfolge. In wieviel Jahren merkt sie, daß ihre Taktik verfehlt ist?


    Ein Volksstaat Sachsen macht sich seinen Dreck alleene. Wieviel Auguste von Sachsen braucht man, um alle Reimann-Anekdoten zu lesen?

    Ein Kaiser kostet monatlich 50 000 Mark Arbeitslosenunterstützung. Was kosten zwei Kaiser auf dem Thron einer Republik im Alter von acht Jahren? (Berechne dasselbe mit der deutschen Republik - Gleichung mit einer Unbekannten!)

    Ein deutscher Richter sperrt in einem Tage einen Kommunisten ein. Wieviel deutsche Richter sperren alle deutschen Kommunisten in wieviel Tagen ein -?

    Ein Kronprinz hat ein uneheliches Kind. (Es handelt sich hier um eine theoretische Aufgabe.) Wieviel Kronprinzen sind nötig, um die Mongolei zu bevölkern, wenn der dortige Sittlichkeitskoeffizient mit 218 angenommen wird?

    (Die Auflösungen sind nur für die Herren Lehrer bestimmt.)

  3. #3
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    AW: Was hätte Kurt Tucholsky gesagt

    Ich zitiere hier nur die kürzeren Artikel, wenngleich die längeren auch schöner sind:

    Der Staatshaushalt

    Das Gehalt eines Lokomotivführers ist nicht groß - der Staat vertröstet den Mann mit der "Pension", die ihm seinen Lebensabend schon versüßen werde. Diese Pension ist meist gering.
    Wohlhabende Männer aber, die als Minister ein Gastspiel in der Politik geben, das sich hinterher meist als recht rentabel erweist, bekommen folgende Pensionen:
    Dr. Georg Michaelis, jener Reichskanzler, der im Jahr 1917 seine vollendete Unfähigkeit erwies: 27 600 Mark jährlich.
    Dr. Wilhelm Cuno, der als Beamter die Entschädigungsverhandlungen mit den großen Schiffahrtsgesellschaften zu führen hatte und der dann - wie der Zufall spielt! - der Direktor einer solchen Gesellschaft wurde; als Reichskanzler für die Inflation deshalb nicht verantwortlich, weil man ihn für nichts verantwortlich machen kan: etwa 19 000 Mark:
    Gottlieb von Jagow: ganz recht, jener, der die Neugierigen warnte und später einen Hochverratsversuch machte: etwa 24 000 Mark;0
    Dr. Lewald, ein früherer Staatssekretär von großen, hierorts nicht bekannten Verdiensten: etwa 17 000 Mark;
    von Tirpitz: der Alte im Barte; der Mann, der den Reichstag jahrelang hintergangen hat, um den Bau einer Flotte durchzudrücken, die ihm Krieg nicht genützt und nichts geschafft hat - also überflüssig gewesen ist: rund 25 000 Mark. (Ihrem lieben Tirpitz, die dankbare Republik.)
    Nun darf man bei der Betrachtung solcher Ziffern nicht vergessen:
    Dieser Staat, der solche wahnwitzigen Summen - über 23 Millionen - jährlich auszahlt, ist schwer verschuldet; stand bereits einmal vor dem Nichts, belastet seine arbeitenden Steuerzahler schwer, um diese zu mästen.
    Freilich: auch diese Pensionisten arbeiten fleißig. Ein großer Teil dieser Männer ist noch recht rüstig; hat gut bezahlte Stellungen in der Industrie, die sich niemals mit ihnen befaßte, hätten sie nicht den Titel - so daß also die frühere Staatsstellung sich schon auf diesem Wege bezahlt macht: Die Repubik zahlt immer weiter. Sie zahlt: den früheren deutschen Kriegsministern nach ihrer verderblichen und dem Land schädlichen Tätigkeit noch heute pro Mann und Nse: 25 000 Mark;ü
    sie zahlt Herrn Gustav Bauer: 11 000 Mark;
    sie zahlt Herrn Hermes (Mosel): 11 000 Mark;
    sie zahlt Herrn Emminger, der die deutschen Schwurgerichte vernichtet hat: 19 000 Mark;,
    sie zahlt - sie zahlt - sie zahlt - und sie wird immer weiter zahlen, weil sich die Bezahlten ihre Gesetze selber machen; weil die Arbeiter und die Angestellten nicht wissen, was mit ihnen getrieben wird, und weil der Staat im Leben der Heutigen das darstellt, was die Religion im Leben der Urgroßeltern gewesen ist: eine dunkle, mysteriöse, aber auf alle Fälle anzubetende Sache.
    Das mit der Verantwortlichkeit ist ja heute ähnlich geregelt, einziger Unterschied: Heutzutage wird man kein Direktor, sondern man sitzt im Aufsichtsrat.

  4. #4
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    AW: Was hätte Kurt Tucholsky gesagt

    Am Rande des Reichtums

    Am Rande des Reichtums, da, wo er über die immer mehr und mehr verschwindende Bürgerlichkeit in die Unversorgtheit übergeht, wohnt ein merkwürdiger Stamm. Da wohnen die Affen der reichen Leute.
    Es wohnen dort jene Balzac-Figuren, die es auf der ganzen Erde gibt -: sie leben mit den Reichen, ein bißchen von den Reichen, unter den Reichen - aber sie selbst sind nicht reich. Niemand weiß ganz genau, wovon sie eigentlich leben; die Armen halten sie für reich, die Reichen für unbemittelt, sie selbst wissen nicht,was sie sind. Sie wissen nur, immer wieder, eines Morgens: "Es muß etwas geschehen. Noch diese Woche brauchen wir Geld." Dann geschieht etwas.

    Dann macht sich die Wanze des Reichtums auf und entriert, mit der Miene des Reichen, halb gesellschaftlich, scheinbar zum Privatvergnügen, ein Geschäft. Es ist mehr eine schlendernde, eine atemlos schlendernde Tätigkeit, bei der zufällig, wie ein Spielgewinn - etwas abfällt: eine Provision, ein Verdienst, ein Plus .... sie warten so darauf und streichen es nachher lässig ein und, wenn sie klug sind, langsam. Diese Art von Geschäften wird mit den Mitteln der Reichen gemacht, mit entliehenen Mitteln und Formen, mit deren Sprache, Auftreten, Gesten und feinen Manieren. Dahinter grinsen der Hunger, die Demütigung, die Angst.
    Sie wohnen am Rande des Reichtums und haben ihren Brot- und Kuchengebern genau abgesehen, wie die es machen. Sie wohnen in denselben Hotels und wissen nicht immer, wovon sie die nächste Rechnung bezahlen werden; sie spielen dieselben Spiele wie die Reichen, treiben dieselben kleinen Golfbälle wie jene vor sich hin, schlafen mit denselben Frauen und borgen dieselben Banken an...Sie selbst sind nicht reich. Aber sie spielen "reich" - sie wissen viel genauer als die wirklich Reichen, welche Krawatte unmöglich ist und welchen Maler man gerade trägt; worüber man noch lacht und worüber schon wieder; wo man im Februar zu sein hat und wo im Mai - sie sind erbarmungslos mondän...
    Die reichen Leute lassens hingehn. Sie zahlen, bewußt wenigstens, nicht viel dazu - niemand ist ja so geizig wie die reichen Leute. Wir andern bringens zu nichts, weil wir das Geld nicht so hitzig lieben, und das Geld kommt nur zu dem, der es sich noch im Schlaf erstöhnt. Die reichen Leute lassen die am Rande des Reichtums gewähren - sie sind nett mit ihnen, solange sie nicht angeborgt werden, solange der Schwindel nicht beim Tee aufknallt, solange man die Fiktiion aufrechterhalten kann: auch jene gehörten dazu. "Kommen Sie nach Venedig, dieses Jahr -?" Kommt er nicht, wird man ihn kaum vermissen; kommt er, wird er stürmisch begrüßt, mit jener Überschwenglichkeit, die kein Herz hat. "Nein! Sie auch hier - ?"
    Es wimmelt am Rande des Reichtums von solchen, die mit Härte heruntersehen, die Stufen hinunter, die sie gleich, um Gottes Willen, hinunterfallen können, und dann wäre alles aus. Aber noch stehen sie oben. Noch gehen sie hinter den Reichen her, wie die Suite eines Generals, der die Front abschreitet - die Angehörigen des Stabes sind so froh, nicht in der Front stehen zu müssen, und sie machen alle ein hochmütiges Gesicht... Noch sind sie da und verachten ihre wahren Genossen der gleichen Steuerstufe, verkleidete Habenichtse....
    "Wie macht der Mann das bloß-" Allgemeines Achselzucken. Solange er nichts von uns will... Ein bißchen viel eingeladen ist er, das ist wahr - auf seinen Reisen genießt er allerhand dunkle Vergünstigungen von Dampfergesellschaften, er gibt sich als Korrespondent aus, kennt - natürlich - den Direktor des Reisebüros, nimmt Ermäßigungen an, als erweise er dem anderen noch eine Gefälligkeit ... wie macht er das bloß -?
    Wie macht sie es bloß-? Frauen sind in diesem Grenzbezirk des Reichtums häufig; nicht einmal Hochstaplerinnen, nicht bezahlte Frauen, so ist die Farbe ihrer Kostüme nicht; diese Farbe ist gestreift, cahngeant, schillernd... Sie vermitteln Ankäufe von Bildern und schmarotzen im Kunsthandel, welch Pleonasmus! - sie haben die Finger in mancherlei Autogeschäften und Buchsubskirptionen - sie sind immer sehr hübsch angezogen, kopiert das Modell, kopiert die Umgangsformen, kopiert ein Leben... wie macht die Frau das bloß? Allgemeines Achselzucken.
    Das hats immer gegeben. Gesellschaftliche Übergänge sind niemals scharf - die Grenzen sind verwischt, es gibt zwischen Arm und Reich, zwischen Groß- und Klein-Bourgeoisie immer ein "Niemandsland", einen Korridor, bitter umkämpft, eine Grenzmark, die noch immer nicht und nicht mehr ist... gewöhnlich haben solche Grenzbewohner die schlechten Eigenschaften der beiden Volksstämme, zwischen denen sie wohnen. Diese hier, am Rande des Reichtums, sind hungrig wie die Armen und stolz wie die Reichen; skrupellos wie die, die nichts zu verlieren haben, und frech-gesättigt wie die, die nie hungerten - noch nicht und nicht mehr. Manche fallen endgültig herunter, wohin sie gehören - in die kleine Dreizimmerwohnung, an die sie sich nie mehr gewöhnen werden; manche fassen Fuß und bleiben oben und haben alles vergessen: Vater und Mutter und Herkunft und Mittel des Aufstiegs. "Man legt doch zum Lunch kein Bettlaken auf den Tisch..." Es sind sehr feine Leute.
    Der Rest wimmelt zwischen den beiden Lagern. Viele Männer, noch mehr Frauen, lebend von den Prozenten, so von des Reichen Tische fallen, mit sehr viel Snobismus und einem noch größerem Debet auf dem Konto des befreundeten Bankiers - sind viel zu klug, um bei der Lektüre dieses Artikels zu erkennen zu geben, daß sie sich getroffen fühlen.
    Tucholsky ahnte damals nicht, daß es es einmal Bonusmeilen geben würde und einen Bundespräsidenten samt Gattin, der zur beschriebenen Kategorie gehört.

  5. #5
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    AW: Was hätte Kurt Tucholsky gesagt

    Handelsteil

    Da lesen wir nun so viel über Bankkrachs, zerplatzte Versicherungsgesellschaften, Geschäfte, die ihre Zahlungen eingestellt haben... viel Geld ist da verloren gegangen, viel Geld der anderen - ja. Und was glauben Sie, wird uns da beschrieben? Die letzte Verzweiflung der kleinen Leute, die ihre Spargroschen nicht mehr wiedersehen? zerstörtes Alter? zerstörtes Leben? Ach nein, das nicht. Es werden uns die Bankiers beschrieben. Was tun die Bankiers -? Sie brechen zusammen. Jeder Bankier, der etwas ausgefressen hat, bricht zusammen. Er erleidet einen Nervenzusammenbruch. Und zwar bricht er entweder in einem Sanatorium zusammen oder auch zu Hause, aber das ist nicht so fein. Er - "Na, hören Sie mal, Sie sind aber komisch: Meinen Sie, das ist so ein Spaß, so eine Pleite? Machen Sie das mal mit, ehe Sie mitreden..." Nein, danke; ich verdiene ja auch nicht so viel; ich brauche das nicht. Und ein Spaß ist es gewiß nicht. Ich meine nur....

    "Was? Was soll der Bankier denn tun, wenn er Pleite macht? Auf einem Bein tanzen?" - Nein, das sähe nicht hübsch aus. Ich meine nur... wenn sie einen Lokomotivführer herunterholen, weil er nach zehn Stunden Dienst ein Signal überfahren hat, und es hat ein Unglück gegeben, dann sperren sie ihn ein. Fertig. - "Und? Na und? Sperren sie den Bankier vielleicht nicht ein?" - Nicht so lange. Es finden sich zwei Hausärzte und ein Professor, die die ganze Strenge ihrer militärärztlichen Dienstzeit vergessen, die gar nicht mehr "k.v."! brüllen, sondern ellenlange Atteste schreiben: Die Haftfähigkeit ... das Herz...und es finden sich fast immer Kautionen, und es finden sich fast immer Gerichtsbehörden, die den Mann herauslassen, den Herrn Verantwortlichen. - "Damit er draußen behilflich sein kann, sein Geschäft zu ordnen." - Sicher. Aber der verhaftete Arbeiter hat auch ein Geschäft, nämlich seine Familie, die durch die Bestrafung, die ihm zugedacht ist, fast allemal zugrunde geht....aber darauf kommt es wohl nicht so sehr an. Er ist ja nicht verantwortlich. - "Was wollen Sie damit sagen?" - Daß dieses Wort im Deutschen überhaupt nichts mehr bedeutet. Verantwortlich? Ich habe eine verantwortliche Stellung... deine Verantwortlichkeit... er ist mir dafür verantwortlich...neulich habe ich in einer Tierschutz-Zeitschrift gelesen: "Wenn die Schafe eingerückt sind, ist für die Herde der Hund verantwortlich." Ich sage Ihnen, das Wort hat seine Bedeutung verloren. Ist im Weltkrieg jemand verantwortlich gewesen? Wer ist überhaupt verantwortlich? Ich werde es Ihnen sagen: kleine, untergeordnete, meist proletarische Einzelne - der Rest verkriecht sich hinter einer Gruppe, hinter einer Vorschrift, hinter das Reglement, hinter einem Befehl - im Wahrheit trägt kein Mensch die Verantwortung für das, was er macht. Sie decken sich gegenseitig, und zum Schluß ist es niemand gewesen. Die Geschichte wird richten, wissen Sie? Das ist eine schöne Geschichte. - "Aber die armen Bankiers..." Mir bricht das Herz. Ich sehe sie vor mir: schluchzende Devisenhändler, taschentuchauswringende Fondsmakler, zusammengebrochene Kommerzienräte.... nach bestem Wissen und Gewissen.... es muß furchtbar sein. Da gibt es nur ein Mittel.
    Sich auch weiterhin der Rechtlosen anzunehmen: jener kleinen Leute, die in die Klauen der Justiz fallen, und die sich nicht wehren können. "Das Gesetz in seiner erhabenen Gleichheit verbietet Armen und Reichen, unter den Brücken zu schlafen" - sagt Anatole France.
    Ich habe mir sagen lassen, daß Lokomotivführer immer noch zehn Stunden am Stück arbeiten, wenn es der Dienstplan erfordert. Das aber nur am Rande.


  6. #6
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    AW: Was hätte Kurt Tucholsky gesagt

    Alle Texte, die keine Quellenangaben haben, stammen von mir.

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