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  1. #1
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    Ermitteln verboten!

    Eine Buchbesprechung des Polizeinewsletter:

    http://www.polizei-newsletter.de/books/Roth_2004.pdf


    Jürgen Roth
    Ermitteln verboten!
    Warum die Polizei den Kampf gegen die Kriminalität aufgegeben hat.
    Eichborn-Verlag, Frankfurt 2004, 272 S., € 19,90
    Man kann nur hoffen, dass der Eichborn-Verlag gute Juristen hat – oder aber, die von Roth interviewten Polizeibeamten haben die Wahrheit gesagt UND der Autor hat dies gut dokumentiert und kann es belegen. Ein Buch mit Sprengstoff – das Buch ist Sprengstoff! Wenn nur 10% der Aussagen von Polizeibeamten, die Roth zitiert, stimmen, dann müsste dieses Buch auch die letzten Politiker und für die Polizei Ver-antwortlichen aufrütteln – es bleibt abzuwarten, wie die tatsächliche Reaktion ausfal-len wird und ob man davon etwas mitbekommt. Zwar zitiert Roth nur wenige Polizei-beamte wörtlich und noch seltener nennt er Namen – für jemanden, der dieses Poli-zeisystem kennt, ist dies aber nicht verwunderlich. Diejenigen, die er mit Namen nennt, sind entweder pensioniert und haben nichts (mehr) zu verlieren (wie z.B. der ehem. BKA-Präsident Horst Zachert), oder aber sie sind bereits gebeutelt, weil sie zum falschen Zeitpunkt oder am falschen Ort die Wahrheit gesagt haben.
    Die organisierte Kriminalität hat die Politik in der Hand, die Politik die Polizeichefs auf Bundes- und Landesebene und die wiederum ihre Ermittler vor Ort – dies ist die Grundaussage des Buches, und sie wird von der ersten Seite an eindrucksvoll, kon-kret und sehr anschaulich für verschiedene Kriminalitätsbereiche belegt. Wenn den Ermittlern in Lahr vom Innenministerium Baden-Württemberg ein Maulkorb verpasst wird, weil die Bevölkerung nicht erfahren soll, wie die dort lebenden Russlanddeut-schen in kriminelle Machenschaften verwickelt sind (S. 11), dann kann es dafür zwei Gründe geben: Man will die Bevölkerung nicht unnötig (?) beunruhigen, oder aber man will nicht, dass wirklich und intensiv ermittelt wird. Im ersten Fall ist es Verdum-mung der Bevölkerung, im zweiten könnte man Korruption vermuten; in Wirklichkeit dürfte es aber darum gehen, dass man keine Unruhe haben möchte, dass alles sei-nen ruhigen und geregelten Gang gehen soll – zumindest nach außen hin.
    Die Verbindung zwischen illegalen Geschäften und den dafür Verantwortlichen, den legalen Geschäftemachern, die wiederum Kontakte zu illegalen Geldgebern haben und den „richtigen“ Mafiosi, die auch in Deutschland unbehelligt herumlaufen (glaubt man Roth´s Darstellung) ist im Prinzip längst bekannt; die vielen Beispiele, die Roth zusammenträgt, schockieren in den Menge und in der Intensität der Recherche. Al-leine das Kapitel „Das fidele Leben in Baden-Baden oder Einblicke in die moralische Demenz“ (S. 176 ff.) macht deutlich, wie verwickelt die Beziehungen zwischen Politik und Wirtschaft sind. Roth zeigt aber auch auf, wie offensichtlich diese Verbindungen manchmal zutage treten, wenn man nur richtig hinsieht oder hinsehen will.
    Auch die Verbindungen zwischen dem Rotlicht-Milieu, der Politik und der Justiz sind seit Jahren bekannt oder werden vielerorts vermutet. Ein Zitat wie das folgende (aus einem vertraulichen Hinweis der Polizei) findet man aber selten in allgemein zugäng-lichen Quellen: „Der hier ... geführte Informant erklärte, dass bei der Eröffnung des neuen Eros-Centers in der Luxemburger Strasse in Trier Personen aus dem Bereich der Justiz, der Politik und der Polizei zu einer Eröffnungsparty eingeladen wurden (bei der) Frauen „kostenlos“ gewesen sein (sollen), es wurden Betäubungsmittel ver-abreicht“. Und im Zusammenhang mit dem – ebenfalls politischen Druck ausgesetz-ten - Verfahren gegen Michel Friedman wird ein Ermittler mit den Worten zitiert: „Die betroffenen Frauen sind zermürbt worden. Wenn sie wirklich einmal auspacken soll-
    ten, wird es in Berlin ein Erdbeben geben“ (S. 69). Ähnlich, aber ausführlicher be-schreibt Roth die Hamburger Szene, vor allem um den ehemaligen Innensenator Ro-nald Schill und dessen Verwicklungen mit dem „Albaner-Clan“ (S. 69 – 94). Für die Kenner der Hamburger Szene sind die Darstellungen keine Überraschung, andere fragen sich, ob dies wirklich die politische Landschaft des 21. Jahrhunderts präsen-tiert. Erschreckend in jedem Fall ist der Eindruck, wie leicht es offensichtlich ist, in politisch wichtige Positionen zu kommen (oder dorthin gebracht zu werden), und von dort aus nach Belieben (auch) im Bereich der Polizei schalten und walten zu können, weil Polizeiführer keine Zivilcourage besitzen oder Angst davor haben, abserviert zu werden.
    Wenn Politiker nicht von Kontakten zu führenden Mitgliedern der OK lassen können, obwohl sie sowohl von der Polizei, als auch von ihren Kollegen darauf hingewiesen werden (auch hier nennt Roth diverse Namen aus Baden-Württemberg, Thüringen und anderen Bundesländern), dann kann man dies als Ignoranz der Macht abtun, als Dilettantismus oder als Hinweis darauf, dass der Geruch und die Faszination des Geldes und derjenigen, die es im Überfluss haben, so stark ist, dass (auch) Politiker davon angezogen werden. In jedem Fall bleibt mehr als ein „Geschmäckle“, wie der Schwabe sagt. Es wird das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit und Integrität der Politik untergraben. Vielleicht sollte man daher das Buch von Roth in den „Gift-schrank“ stellen, zusammen mit dem Gutachten zu den Folgen der Ost-Erweiterung der EU, das dem BKA (angeblich nicht) vorliegt und zusammen mit als „VS-NfD“ ein-gestuften Studien zu banalen polizeilichen Alltagsfragen, die man geheim zuhalten für nötig erachtet – manchmal offensichtlich, um sich oder anderen zu beweisen, dass es tatsächlich noch etwas „Geheimes“ bei der Polizei gibt.
    Spannend dürfte es sein, wenn jetzt die (Landes-) Polizeipräsidenten, LKA-Präsidenten oder Polizeiabteilungsleiter in den Ministerien beginnen, die Namen der in dem Buch zitierten „leitenden Kriminalbeamten in B.“, „leitenden Kriminalisten im PP D.“ oder „Abteilungsleiter im LKA S.“ herauszufinden (sofern sie nicht selbst dazu gehören und inquisitorische Nachfragen befürchten müssen). Roth belegt an mehre-ren Stellen seines Buches eindrucksvoll, dass oftmals solche Recherchen nach In-formanten intensiver betrieben werden als die eigentliche Polizeiarbeit, und dass man auch vor unberechtigten, meist indirekten Sanktionen nicht zurückscheut. (An-gebliche) Nestbeschmutzer mag man bei der Polizei nicht, und bislang hat das Sys-tem der „Mauer des Schweigens“ auch meist gut funktioniert, weil man die Mitarbeiter im System mit Aufstiegschancen geködert und zum Schweigen gebracht hat. Polizei-beamte lernen vom ersten Tag ihrer Ausbildung an, wie sie sich an dieses System anpassen müssen, um zu überleben – eine im letzten Jahr erschienene empirische Studie zur Polizeiausbildung in Australien hat dies eindrucksvoll gezeigt (s. dazu die Besprechung von Chan u.a., Fair Cop, im Polizei-Newsletter). Diese Studie aus Australien belegt aber ebenso wie das Buch von Roth, dass das Grundsystem des Verbergens, Verdeckens und Versteckens nur noch bedingt funktioniert: Zum einen, weil eine neue Generation von Polizeibeamten heranwächst, die sich nicht mehr um jeden Preis ihre Zivilcourage nehmen lassen und für die „Gerechtigkeit“ mehr ist, als die kleinen Diebe zu fangen; zum anderen deshalb, weil das System dann nicht mehr funktionieren kann, wenn die beteiligten Akteure nichts mehr zu verlieren haben oder derart frustriert sind, weil sie ihre Arbeit nicht mehr verrichten können, wie es offen-sichtlich zumindest einige der in dem Buch zitierten deutschen Polizeibeamten sind.
    Roth beschreibt insgesamt anschaulich, welche politischen und wirtschaftlichen Inte-ressen verhindern, dass Organisierte Kriminalität und Wirtschaftskriminalität effektiv verfolgt werden; er geht dazu auch kritisch mit den geplanten oder bereits erfolgten
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    Personalkürzungen oder neuen Steuerungsmodellen sowie Reorganisationen in der Polizei um – und genau dieser Zusammenhang ist es, der mich an dem Buch stört. Roth erweckt den Eindruck, dass es einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Entwicklungen gibt, was aber eindeutig nicht richtig ist. Auch die Polizei muss sich der Tatsache der knapper werdenden Ressourcen und der Forderung nach moder-ner Verwaltung stellen. Dahinter quasi ein geheimes Schema oder einen „Geheim-bund“ zu vermuten, der die Polizei ineffektiver machen soll, ist eine Verschwörungs-theorie, die Roth nicht belegen kann und auch nicht ausdrücklich ausspricht (er be-tont aber auch nicht das Gegenteil). Im Gegensatz zu ihm bin ich der Auffassung, dass es keine zentrale Steuerung dieser Entwicklungen gibt; vielmehr sind es blau-äugige oder betriebsblind gewordene Politiker, die sich verführen lassen vom Geruch des großen Geldes; hinzu kommt, dass die Vermittler zwischen Politik und Polizei zu oft in blindem Gehorsam Anweisungen oder auch nur vermutete Anweisungen um-setzen. Mehr Zivilcourage wäre hier gefragt – und vor allem eine andere Politikermo-ral. Insgesamt einen Zerfall unseres politischen Systems zu analysieren, ist vielleicht zu weit gegriffen; einen allgemeinen Verfall von Werten auf dieser Ebene kann und muss man jedoch attestieren.
    Roth selbst zeigt zum Abschluss seines Buches Richtungen auf, in die sich eine Ver-änderung hin ergeben könnte und wohin man sich im Ausland auch schon entwickelt hat (S. 259 ff.). Somit könnte das Buch auch vielen in der Polizei und einigen in der Politik Mut machen, sich gegen diesen Verfall der Sitten zu stellen, wenn man die Lektüre bis zum Schluss durchhält. Aber wie schrieb schon Bert Brecht: „Erst kommt das Fressen, und dann die Moral...“.
    Thomas Feltes, September 2004

  2. #2
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    AW: Ermitteln verboten!

    Die Rezension stammt aus 2004! getan hat sich nichts, die öffentliche Aufregung hielt sich in engen Grenzen. Inzwischen wird auch ganz offen zugegeben, dass Anzeigen gegen Araber keine Aktivitäten der Polizei nach sich ziehen. Der Staat ist zunehmend damit beschäftigt seine Bürger zu kriminalisieren und Falschparker gnadenlos zu verfolgen
    Alle Texte, die keine Quellenangaben haben, stammen von mir.

  3. #3
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    AW: Ermitteln verboten!

    Das Innenministerium hat längst alle Fäden in der Hand und bestimmt, was ermittlungstaktisch verfolgt werden darf und was nicht.
    Ich kenne persönlich Leute bei der Polizei und weiß, dass diese angewiesen werden, Straftaten mit Migranten abgeschwächt zu protokollieren und die Herkunft der Täter zu umschreiben, eben Südländer.
    Viele Großfamilien aus arabischen Ländern und der Türkei haben praktisch Narrenfreiheit, und werden kaum noch belangt, wenn einer ihrer Clanmitglieder straffällig geworden ist.
    Die Polizei hat teilweise richtig Angst vor diesen Clans, da nur mit Einsatz von Hundertschaften gegen diese Banden vorgegangen werden kann.
    Und das alles nur um die Stimmung gegen die Migranten nicht zu vertiefen.
    Dafür wird unser Recht zugunsten dieser Banditen gebeugt.
    Was die großen Gangster angeht, die in allen großen Konzernen sitzen, allen voran in Banken und Versicherungen, da tun sich unsere exekutiven Ordnungshüter immer noch schwer, wenn gegen sie ermittelt werden soll.
    Mittlerweile hat sich das gebessert, aber nur wenn etwas publik wird, was nicht mehr zu verbergen ist.
    Aber auch da spielen machtpolitische Dinge mit, die nicht nach außen zu erkennen sind.
    Bananenrepublik Deutschland hat schon einiges zu bieten für Kriminelle aus aller Welt.
    Organspenden-Skandale sind da nur die Spitze des Eisberges.
    Demokratie ade, kann ich da nur sagen!

  4. #4
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    AW: Ermitteln verboten!

    Die lauern nur darauf, dass mal jemand zu Selbstjustiz greift. Dann können sie Grundgesetze aushebeln und den Notstand ausrufen. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende! Allons, mes enfants! (Los, meine Kinder!)

  5. #5

    AW: Ermitteln verboten!

    Contre nous de la tyrannie?
    Jeder glaubt eine eigene Meinung zu haben, nur woher hat er vergessen.
    Medien sind das was man über Religionen sagte, Opium fürs Volk.


  6. #6
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    AW: Ermitteln verboten!

    Es wird Zeit, 1989 zu wiederholen, auf eine Wiederholung von 1789 habe ich nicht so viel Lust. Zumal das ja einem gewissen Korsen zur Macht verhalf.

  7. #7

    AW: Ermitteln verboten!

    oder die Sache von 48/49 richtig machen:





    Man könnte meinen, dass das Lied neu wäre (reißt die Konkubine aus dem Pfaffenbett), ist es aber nicht
    Jeder glaubt eine eigene Meinung zu haben, nur woher hat er vergessen.
    Medien sind das was man über Religionen sagte, Opium fürs Volk.


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