Das Erdogan die von Atatürk laizistisch geprägte Türkei islamischer machen möchte, hat er nie verhehlt. Eine Reihe von kleinen Schritten, die von der türkischen Bevölkerung eher am Rande wahrgenommen wurde, hat in der Summe schon vieles verändert. Nun kommt ein dickes Geschütz. Ein Fernsehsender, der religiöse Positionen verbreitet und ein Gegengewicht zur westlich geprägten Lebensart sein soll.

In der Türkei wurde der neue Fernsehsender TRT Diyanet TV eröffnet, der aus staatlichen Mitteln finanziert den sunnitischen Islam propagieren wird. Ein Ziel des Senders wird es sein, ein vorbildliches islamisches Familienleben darzustellen und dem amerikanischen und europäischen Vorbild des Zusammenlebens ohne Trauschein und der freizügigen Sexualität etwas entgegen zu setzen. Letzteres gab der stellvertretende Direktor des neuen Senders Bülent Arinc bei der Eröffnungsfeier zu verstehen.Der Herausgeber der armenischen Tageszeitung Agos und die Medien-Dozentin an der Bilgi-UniversitätDr. Esra Arsan kritisieren diese einseitige Verwendung von Steuergeldern, die nur den sunnitischen Islam propagieren wird. Sie fragen sich, welches Familienbild dieser Sender wohl propagieren wird, eine staatliche Eheschließung oder die religiöse islamische Eheschließung. Oder wird der TV-Sender gar die islamische Vielehe verteidigen, die durch viele Unterstützer der momentanen türkischen Regierung vertreten wird, so die beiden Kritiker. Für sie ist ein solcher Kanal nur sinnvoll, wenn er all die verschiedenen Glaubensrichtungen wie Aleviten, Christen und andere zu Wort kommen lässt. Sie kritisieren auch die Existenz des türkischen Religionsministeriums, das eines der größten Budgets im Gesamthaushalt der Türkei ausmacht.Weiter argumentieren Dr. Arsan und der Herausgeber von Agos: Wenn die armenischen Kirchen 30 neue Priester anstellt, zahlt die Türkei und das Religionsministerium keinen Cent dazu, ebenso wenig, wenn ein Kirchendach repariert werden muss. Bis heute akzeptiere dieses islamische Religionsministerium alevitische Versammlungsräume nur als Kulturzentren und strafe so die Aleviten mit Verachtung. Für eine laizistische Türkei, in der die Trennung von Staat und Religion festgeschrieben ist, sei es nicht statthaft, solch ein islamisches Religionsministerium aufrecht zu erhalten, so die Kritiker. Der TV-Kanal sei auch deshalb überflüssig, weil es für die verschiedenen Religionsgruppen wie die Sunniten bereits genügend private Fernsehkanäle gäbe.Quelle: www.bianet.org/bianet/azinliklar/138228-tek-din-tek-mezhep-icin-kamu-kanali-diyanet-tv vom 10.05.2012