Griechische Insel liebäugelt mit Österreich-Beitritt

Das Ägäis-Eiland Ikaria hat die Nase voll von den Pleitiers in Athen. Deshalb soll der Bürgermeister "über eine Angliederung an Österreich" nachdenken. Die griechische Regierung nimmt das bierernst. Von Thomas Schmoll

An Samos, Delos und Lebinthos kam Ikarus locker vorbei mit der für ihn fatalen Folge, dass ihn der Übermut packte. Er stieg ungeachtet der väterlichen Warnung vor der immensen Kraft der Sonne immer höher. Zu hoch. Die Sonne ließ das Wachs seiner Flügel schmelzen, die Federn lösten sich und Ikarus krachte ins Meer.

Bestattet wurde er auf einer kleinen Insel, die sein Vater dem Sohnemann zu Ehren Ikaria nannte. Das Eiland liegt in der Ägäis, die zu weiten Teilen zu Griechenland gehört, also jenem Land, dem nach wie vor die Pleite droht.

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Inselbewohner wollen der Pleite entgehen
Die Bewohner von Ikaria wollen - wie der Rest ihrer griechischen Landsleute - nicht das Schicksal des Insel-Namensgebers erleiden und haben deshalb das Motto ausgegeben: Absturz vermeiden. Die Insulaner - laut Wikipedia exakt 8.354 an der Zahl - haben die Nase voll vom Finanzchaos und den politischen Pleitiers in Athen. So weit, so gut. Irgendjemand auf der Insel kam auf den Gedanken, sich vom griechischen Staat loszusagen und sich einem anderen Land anzuschließen. Da auch die Griechen auf Ikaria mehrheitlich keine Lust auf die ungeliebte Türkei haben, richtet sich das Augenmerk auf Österreich. Von einer Volksabstimmung ist die Rede. "Athen hat uns schon vor Jahren vergessen", wird ein Sprecher von Ikarias Bürgermeister Stafrinadis Christodoulos in diversen österreichischen und italienischen Zeitungen zitiert. "Deshalb denken wir über eine Angliederung an Österreich nach."

Den Insulanern kommt ein Jubiläum entgegen. Sie verweisen darauf, dass ein 1912 abgeschlossenes und auf 100 Jahre befristetes Annektierungsabkommen mit Athen in Bälde auslaufe. Auch wenn bislang kein hochoffizielles Statement der Inselregierung vorliegt, geschweige denn eine Unabhängigkeitserklärung: Die Regierung in Athen nimmt die Sache bierernst. "Ikaria ist ein untrennbarer Teil des griechischen Staatsgebiets und es besteht kein auslaufendes Abkommen zwischen der griechischen Regierung und der Insel", ließ die griechische Botschaft in Wien wissen. Gefeiert werde das 100-jährige Jubiläum der Revolution, mit der Ikaria ihre Selbstständigkeit vom Osmanischen Reich erlangt habe. "Der Vertrag von Lausanne aus dem Jahr 1923 bestätigt in Artikel 12, dass die Inseln der Ostägäis, darunter auch Ikaria, zu Griechenland gehören." Der Wiener "Kurier" meldet: "Der österreichische Gesandte in Athen stuft die Berichte als Sommermärchen ein." Der Diplomat wird mit den Worten zitiert: "Bei uns gab es dazu auch noch keine offizielle Anfrage." Aber was heißt das schon? Nicht jede Drohung wird mit einem "offiziellen Antrag" bestätigt.

Geht es nur um politischen Druck?
Ob es die Inselbewohner wirklich ernst meinen oder nur Druck auf Athen ausgeübt werden soll: Die Geschichte ist typisch für das Land, das nun schon mehr als zwei Jahre eine tiefe Krise durchleidet. Sie ist Ausdruck der Wut vieler Griechen auf die Politiker in Athen. Der Bürgermeister gibt keine Kommentare dazu ab, vielleicht hat er kalte Füße bekommen. Aber irgendjemand muss ja schließlich diesen einen Satz gesagt haben, der in etlichen Zeitungen wiedergegeben wird: "Wenn man uns jetzt keine neuen Straßen und kein Krankenhaus zusichern kann, können wir die Loslösung von Athen beschließen."

In Österreich schlagen die Gedankenspiele kleine bis mittlere Wellen. Völkerrechtler Franz Leidenmühler von der Uni Linz rechnete in der Zeitung "Heute" vor, welchen Preis die Ägäis-Insel für Austria hätte: "Wien müsste auch die Schulden übernehmen, die Ikaria anteilig an den griechischen Gesamtschulden tragen muss." Bei rund 350 Milliarden Euro und 8.000 Insulanern wären das knapp 250 Millionen Euro.

Allerdings wird in Kommentaren und sozialen Netzwerken augenzwinkernd darauf verwiesen, dass Wien durch die Eingliederung der Insel eine Gegenleistung für all die Milliarden erhalten würde, die aus der österreichischen Staatskasse für die Rettung von Hellas geflossen sind. Vor allem ein Aspekt wird immer wieder hervorgehoben. Österreich, einst im Verbund mit Ungarn eine Weltmacht, hätte endlich wieder Zugang zum Meer, der im Zuge des Ersten Weltkrieges verlorenging. Der Kommentator der Grazer "Kleine Zeitung" führte nebst des Tors zur offenen See diverse andere Argumente an, warum und wie Österreich von Ikaria profitieren würde. "Unliebsame, gestrauchelte und schon gefallene heimische Politiker aller Parteien könnte man auf der fernen Insel endlich zu wirklich wichtigen und sinnstiftenden Aufgaben abseits jeder Verlockung einteilen." Zum Beispiel? Den "Eselzzaner" züchten - eine Kreuzung von griechischem Esel und österreichischen Lipizzaner.
http://www.stern.de/panorama/keine-l...t-1859874.html