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    AW: Türkei anno 1844/45 - Betrachtungen

    Türkische Cafés, türkische Unterhaltungen (S. 44/45)



    Alle Cafés sind ungefähr auf gleichem Fuß eingerichtet. Ein viereckiges, ausgeweißtes Gemach mit möglichst vielen Fenstern; an den Wänden hölzerne Sofas mit Matten oder Teppichen belegt; an der Hinterwand der Herd und Plätze für das Geschirr; in der Mitte des Fußbodens eine kleine Fontäne; niedrige Schemel, gar europäische Stühle vor der Tür; das ganze reinlich und ärmlich;

    wenn es hübsch ist unter einem großen Weinstock liegend, dessen Reben eine Vorhalle bilden oder unter einem schönen schattigen Baum: so sind die Cafés in Konstantinopel, und lassen es sich nicht träumen, daß sie sehr wenig Ähnlichkeit mit denen in Paris und Mailand haben. Armenier und Griechen sitzen viel auf den kleinen Schemeln; die Stühle sind wohl eigentlich für die Franken nur bestimmt.

    Zuweilen, wenn die Plätze alle besetzt sind, versucht aber auch ein Türk sich auf ihnen zu etablieren, und da sieht es lächerlich genug aus, wie ihm das eine Bein so kläglich herabhängt, während das andere auch gar nicht gehörigen Raum findet, um zusammengeklappt auf dem Sitz zu liegen. Mitunter findet man einen redenden Mann in einem Café: das ist ein Märchenerzähler. Er spricht meistens mit näselnder Stimme, und da ich ihn nicht verstand, war ich wirklich höchst überrascht die ganze ernsthafte Gesellschaft lächeln, gar lachen zu sehen.

    Je lasziver diese Erzählungen, umsomehr gefallen sie, und hauptsächlich müssen sie Weiber zum Gegenstand haben; - sagte der Dragoman. Und außerdem hörte ich, daß, wenn sich die Türken je auf eine Unterhaltung einlassen, so sei sie beständig über Frauen, und in jener Manier. In den Vergnügungen eines Volks liegt so viel Charakteristisches!

  2. #12
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    AW: Türkei anno 1844/45 - Betrachtungen

    Tänze und Sittlichkeit (S. 45/46)

    Ich wünschte Tänze zu sehen: man sagt mir das sei nicht wohl möglich; und als ich glaubte es sei nur die Rede davon, daß ich nicht hingehen dürfe, wo man tanze, und unbefangen vorschlug die Tänzer ins Haus kommen zu lassen, wie einst in Sevilla: ergab sich das als noch weit unmöglicher.

    Die Türken stehen im Ruf großer Sittenreinheit. Ich will diesen nicht schmälern, nur bemerken, daß man dabei vom europäischen Begriff ausgehen muß, der es unsittlich nennt außer der Ehe und ohne Ehe Kinder zu haben. Aber der Türke, der jede Sklavin kaufen und in seinen Harem führen darf, die ihm gefällt, hält die Kinder von zwanzig Sklavinnen für ebenso rechtmäßig, als von seiner Frau, und ich denke, wenn man die Mode der Harems in Europa einführte, würde auch dort die Unsittlichkeit der natürlichen Kiinder wegfallen - nur freilich auf Kosten dieser noch größeren Unsittlichkeit des Harems selbst. Ich glaube nicht, daß in diesem Punkt der Türk einen Vorzug vor dem Europäer hat. Die Frauen besonders sollen trotz Schleier, Gitterfenster und Eunuchen, Liebeshändel genug anzuspinnen wissen - hauptsächlich beim Besuch des Besastan.

    Daher existiert auch ein Gesetz, daß sie nicht in die Buden hineingehen dürfen, sondern vor denselben ihre Einkäufe machen müssen. Ferner ein anderes, das den Kaufleuten befiehlt möglichst unschöne Kaufdiener in ihrem Laden zu haben. Das alles zeugt nicht von wundervoller Sittenreinheit - sollte ich meinen.

  3. #13
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    AW: Türkei anno 1844/45 - Betrachtungen

    Das Aussehen der Türken und Türkinnen (S. 46,47)

    Hauptsächlich war ich (Anm: ins öffentliche Bad f. Frauen) gegangen um, wo möglich, schöne Frauen zu sehen. Aber sie waren tour comme chez nous nicht schön nicht häßlich, sondern Mittelschlag; nämlich die jungen; die alten waren affrös.

    Das Alter fängt hier früh an. Man heiratet bei vierzehn, auch schon bei zwölf Jahren, zwanzig findet man schon zu alt dazu. Das Alter spricht sich später im Gesicht, als in der Gestalt aus, sie ist bei einigen dreißig Jahren schon zum Erschrecken welk, schwammig, aufgedunsen. Die ewig sitzende Lebensart, die ewigen heißen Bäder, der ewige Genuß von Zuckerwerk, Süßigkeiten und Bäckereien, nehmen den Gestalten den Nerv. Wie Fleischklumpen sehen sie aus, die sich nicht aufrecht halten können, und in sich selbst zusammen sinken.

    Aber Du kannst Dir nicht vorstellen was man für einen Wunsch hat auf der Straße Frauen gewahr zu werden, statt dieser plumpen braunen Bären mit weißen Köpfen! Gott weiß daß die Frauen bei uns nicht sonderlich schön sind, aber daß sie, wie sie nun einmal sind, doch viel besser aussehen, als diese vermummten Gestalten, und das Leben auf den Straßen lustiger machen, daß weiß man, sobald man hier ein paar Tage gewandelt ist

    In Pera sieht man freilich genug fränkische und griechische Frauen - jene nach französischer Mode, diese nach ihrer eigenen gekleidet d.h. mit einem Röckchen...

    Noch mehr als der Mangel an Frauengesichtern fällt mir vielleicht der an jungen Männern auf. Alle Türken sehen alt aus. Einen weißen Bart zu haben, gilt bei ihnen für schön: so brauchen sie denn ebenso eifirg Mittel um ihn weiß zu machen, als man in Europa braucht um ihn schwarz zu färben: namentlich ein in den Tabak gestreutes Pulver, das diese Wirkung übt.

    Haar haben sie nicht, es wird abgeschoren; den Fez drücken sie auf die Augenbrauen, das rote fleischige Gesicht umgibt der graue Bart, die Gestalt ist breit und schwer - nirgends eine Spur von jugendlicher kräftiger Schönheit!

    Im höheren Alter sehen sie besser aus. Merkwürdiger ist es wohl, alt und schön zu sein; doch hübscher ist es jung und schön! Und als ich neulich einem wunderschönen jungen Zigeuner in phantastischer Tracht mit einer Zither unter dem Arm begegnete, stand ich still, sah ihm nach und dachte: der gebildete Mann braucht Intelligenz, der Barbar Schönheit - sonst sind beide unausstehlich. Nicht wahr, mein lieber Dinand?

  4. #14
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    AW: Türkei anno 1844/45 - Betrachtungen

    Türkische Gastfreundschaft - Frauen und Fremde auf den Strassen (S. 48, 49)

    Zweimal wöchentlich finden die Tanzandachten der Mewlewi (Anm. Derwischorden) statt, öffentlich, in der Moschee. Jedermann hat Zutritt, nur muß der Franke die türkische Sitte beobachten seine Schuhe aus- oder über dieselben Pantoffel zu ziehen. Für die türkischen Frauen ist eine besondere, vergitterte, kleine Emporkiche angebracht. Ich ging zuerst dahin; ich bin nun einmal neugierig auf die türkischen Weiber. Bei dergleichen Expeditionen habe ich eine sehr freundliche Gefährtin an Fräulein Balbiani, welche der Sprache des Landes mächtig und mit allen Sitten und Gebräuchen bekannt ist.

    Frauenzimmer allein - ich meine fränkische - sind im Grunde sicherer als in Begleitung eines Mannes, weil es nach türkischem Gegriff unanständig ist, daß beide Geschlechter sich öffentlich zusammen zeigen.

    Der Gipfel der Unsitte ist - wenn der Mann dem Frauenzimmer den Arm gibt! Als ein rauhes Volk das es ist begreift der Türk nicht, daß man Aufmerksamkeit und Sorgfalt für eine Frau haben, daß man wünschen könne ihr den Weg zu erleichtern; seine ganze Aufmerksamkeit für sie beschränkt sich darauf, daß er sie wie einen wesenlosen Schatten ungefährdet an sich vorbeigleiten läßt.

    Den Arm zu geben hält er für ein Zeichen von Verliebtheit und bestraft diese vermeintliche Schamlosigkeit mit Steinwürfen, so daß manche arme Fremde, trug sie vollends einen grünen Schleier, insultiert (Anm.: beleidigt, verletzt) worden ist. Ich trug einen blauen, und hüte mich, sehr einen hilfreichen Arm anzunehmen, denn obgleich es mir unendlich gleichgültig ist, ob Pöbel hinter mir drein schreit oder nicht, so habe ich doch eine große Aversion vor Steinwürfen, weil sie weh tun, und trotz aller Vorsichtsmaßnahmen entgeht man ihnen doch kaum.

    "Steine her! Wir wollen Hunde steinigen!" riefen sich neulich in einer abgelegenen Straße von Scutari Kinder vor den Haustüren zu; und der Dragoman mußte sie heftig bedrohen um sie zur Ruhe zu bringen.

    In der Vorstadt Cassim-Pascha, wo die Hafenarbeiter wohnen, verfolgten uns die Kinder mit höhnendem Geschrei, und bei einer Moschee ärgerten sich kleine giftige Mädchen dermaßen über mich, daß sie mich mit Sand bewarfen, weil sie nichts anderes hatten - was ihnen aber ein alter Türke ernsthaft verwies. Ich habe bei dem allen nur das Gefühl, daß ich der Brut von Herzen die Rute gönne und die Überzeugung, daß ich durchaus nicht zur Märtyrin tauge. Immer wünsche ich unwillkürlich mich verteidigen zu können.

    Dafür rufen die Weiber aber auch öfter bei Promenaden auf den Gottesäckern (Anm: türkische Friedhöfe, auf denen aber auch Wäsche aufgehängt und gehandelt etc. wird) wenn wir vorüber gehen: "Ach wie sind die fränkischen Weiber glücklich, daß sie mit Männern spazieren gehen dürfen! - Sie mögen sich wohl gräßlich langweilen immerfort unter einander leben zu müssen.

    Bei den Mewlewi, bevor die Zeremonie begann, waren sie von unermeßlicher Fraglust, aber immer in der alleroberflächlichsten Weise. Woher? - Aus Frankistan - Das genügt ihnen vollkommen, Darunter verstehen sie Europa von Malta bis Spitzbergen. Keine einzige Frage über das fremde unbekannte ferne Land! Fragen nach Kleidern, nach Kindern - unerhört stupid. Sie langweilten mich, hübsch waren sie auch nicht, durch die Gitter sah ich schlecht - wir gingen hinab.

  5. #15
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    AW: Türkei anno 1844/45 - Betrachtungen

    Besuch eines Harems in Konstantinopel (S. 68 ff.)


    ...Ich schöpfte Atem als wie den Berg und die morsche Brücke überwunden hatten, und suchte mich des Gedankens an die Rückkehr zu entschlagen. Um elf Uhr langten wir in des Paschas Wohnung an, wo die Einfahrt in den inneren Hof wiederum aufs Allerkünstlichste bewerkstelligt werden mußte.

    Ein Dutzend Diener, natürlich lauter Eunuchen, befanden sich in der unteren Halle. Die Treppe war mit feinsten Matten belegt, auch der achteckige Vorsaal, zu dem sie führte, wo eine große Menge von Sklavinnen sich befanden, aus denen ein Frauenzimmer uns entgegentrat und uns willkommen hieß indem sie uns die Hand gab und mit dem Kopf nickte. Es war die Schwester Rifat Paschas, Witwe und Mutter von zwei kleinen Mädchen. Dann kam seine Frau, begrüßte uns auf die nämliche Weise, und man führte uns in einen Salon neben dem Vorsaal, wo die Mutter, die Frau und die kleine Tochter von Muchbar-Bey, dem türkischen Gesandten in Wien, sich aufhielten. Dieser Salon war ganz türkisch: Fenster bei Fenster dem Eingang gegenüber, und abermals Fenster bis zur Hälfte der beiden Seitenwände; unter ihnen ein breites Sofa mit Perkar bezoge, worauf bunte Blumen mit Wolle und einer Tambournadel gestickt waren. Vor diesem Sofa lagen zwei lange Matratzen, mit rot und weiß gestreiftem Baumwollstoff bezogen, für diejenigen, welche ganz niedrig sitzen möchten, und endlich seitwärts ein europäisches Kanapee und Stühle mit gelben Velours d´Utrecht ud von unmodischer Form. Die grell bemalten Wände, die Menge kleiner zerschlitzter Fensterdraperien, die Matte des Fußbodens, das kleine schrankartige Möbel in einer Nische neben der Eingangstür - alles war wie im Kiosk des Großherrn bei den süßen Wassern.

    Der ganze Salon war nun voller Frauen, von denen sich die beiden Damen des Hauses, und die europäischen und türkischen Besucherinnen auf den verschiedenen Sofas neiderließen, während die Sklavinnen zum Teil an der Hinterwand des Salons standen, oder auf dem Boden kauerten, oder den Dienst verrichteten, der darin bestand, daß man zuerst Konfitüren herumreichte, von denen der Gast einen Löffel voll nimmt und dazu etwas Wasser trinkt, und darauf Kaffee in den bekannten kleinen bunten Porzellantäßchen, die in einer Art von silbernem Eierbecher ruhen. Der Kaffee wird nicht wie die Konfitüren auf einem Präsentierbrett herumgereicht, sondern jedes Täßchen wird einzeln gebracht, wird sauber und vorsichtig mit zwei Fingern gereicht, und muß ebenso vorsichtig mit zwei Fingern in Empfang genommen werden, denn die winzigen Schälchen sind stets voll bis zum Rande. Hat man sie ausgetrunken, so darf man die Augen aufschlagen und aus der Reihe der wartenden Sklavinnen tritt alsbald eine heran und hält ihre flache Hand hin. Man stellt den Becher darauf; sie legt die andere Hand flach auf denselben, ein Manöver wodurch jede Kollision der Finger gemieden und das kleine Geschirr sicher fortgetragen wird, und das jeder Aufwärter in dem gemeinsten Café sehr geschickt macht. B

    ei Bedienung der Gäste waren die kleinen Nichten und das zwölfjährige Schwiegertöchterchen des Pascha sehr tätig, aber nicht aufdringlich und ungeschickt - wie das oft der Fall bei unseren Kindern ist - sondern mit dem ruhigen Takt der Sklavinnen; denn das gehört zu ihrer Erziehung. Hätten wir geraucht, so würde das den Sklavinnen sehr viel Beschäftigung gegeben haben. Jetzt nahm nur Muchdar-Beys Mutter einen tschibuk; die übrigen Damen rauchten nicht - vielleicht aus Rücksicht auf uns.

    Wie sie aussehen, wirst Du ganz neugierig wissen wollen,....


    (Fortsetzung folgt)

  6. #16
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    AW: Türkei anno 1844/45 - Betrachtungen

    Besuch eines Harems in Konstantinopel (S. 68 ff.)
    Teil 2 - Kleidung und Aussehen

    Wie sie aussehen, wirst Du ganz neugierig wissen wollen; und da tut es mir wahrhaft leid sagen zu müssen, daß wir auch nicht eine Spur von Schönheit gefunden haben.

    Die Schwester des Pascha hat ein überaus gutes und wohlwollendes Gesicht, aber es ist dermaßen fett und kugelrund, und die ganze Gestalt ist überhaupt von so frappanter Rundung, daß ich beständig an den Vollmond denken mußte.

    Sie trug einen lilafarbenen Taftspenzer und einen buntgeblümten Rock, der unten zu beiden Seiten und vorn aufgeschlitzt ist, und dessen Hinterteil in einem Schlepp ausläuft, beide Bekleidungsstücke so unbegreiflich eng, daß man sich wundert wie diese Fülle der Formen darin Platz finden könne.

    Faltenreich war nichts am Anzug, als die ungeheuren Pantalons von goldgelbem Taft, die so tief und faltig herabfielen, daß sie den ganzen Fuß unsichtbar machten und nicht beurteilen ließen ob er ganz oder halb oder gar nicht chaussiert war.

    Auf dem Kopf trug die Dame das rote Mützchen mit dem blauen Quast, unter welchem mitten auf der Stirn ein Büschel falscher Locken hervorquoll, und das mit Haarzöpfen umwunden und mit drei großen Blumen von Diamanten geschmückt war.

    Die engen Ärmel des Spenzers waren am Handgelenk aufgeschlitzt, und die Unterärmel von weißem Musselin mit Fransen und Schnürchen von lilafarbener Seide, hingen gleich enormen Manschetten darus hervor.

    Die Hände hatten keinen anderen Schmuck als die mit Henna orangefarben gemalten Nägel. So, nur schon in verschiedenen Farben, und nicht alle Sklavinnen in Seide, waren sämtliche Frauenzimmer gekleidet und Diamanten trugen nur die Damen.

    Am meisten herausgeputzt waren die Kinder, bei denen sich die seidenen Schleppröcke und die Diamanten und Federn auf einer - ich vermute künstlichen Fülle von Haarzöpfen und Locken recht seltsam ausnahmen.

    Nicht alle Spenzer waren bis zum Halse hinauf mit Häkchen geschlossen, sondern - gar nicht. Namentlich präsentierte Muchdar-beys Mutter ihre volle Büste in einer Weise, die uns für eine bejahrte Dame in Europa recht komich erscheinen würde.

    Der Hauptgegenstand der Unterhaltung....

    (Fortsetzung folgt)

  7. #17
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    AW: Türkei anno 1844/45 - Betrachtungen

    Besuch eines Harems in Konstantinopel (S. 68 ff.)
    Teil 2 - Unterhaltungen und Freizeitvergnügen

    Ein Hauptgegenstand der Unterhaltung war die Verschiedenheit der europäischen und türkischen Anzüge, und besondes lebhaft sprachen sich die Damen gegen Korsetts aus. Aber ihre Spenzer sind dermaßen kanpp und fest umschließend, daß sie ungefähr die Stelle jener vertreten.

    Natürlich blieb die Konversation ziemlich auf Äußerlichkeiten beschränkt, denn Fragen die sie nicht beantworten wollten und die mich am meisten interessierten, zum Beispiel wie das Verhältnis einer Favoritsklavin zur Frau des Hauses sei, ließen sie fallen - als unser Dolmetsch darauf hindeutete.

    Hingegen sprachen sie über andre Dinge, die in Europa grauenhaft, verbrecherisch, unerhört sind, wie von einer allgemeinen Gewohnheit, und so erfuhr ich denn, daß die Frauen, wenn sie ein oder zwei Wochenbetten gehabt und derselben müde sind, die ungebornen Kinder töten.

    Nach ihren Beschäftigungen fragten wir wohl auch, und sie sagten, sie hätten außerordentlich viel zu tun; aber andererseits hieß es doch immer, Stickereien oder Beschäftigungen im Haushalt wären Arbeiten der Sklavinnen, so daß ich nicht weiß womit sie eigentlich ihre Zeit ausfüllen.

    Viel Besuch empfangen, je vornehmer man ist um desto mehr, und immer auf einen ganzen Tag, das - sagte unser Dolmetsch - sei eine der Hauptbeschäftigungen der türkischen Damen.

    Zeitraubend ist das nun freilich ganz entsetzlich, aber uns kommt es doch nur wie ein schläfriger Müßiggang vor. Am liebsten hätte ich gefragt: "Aber vergeht Ihr denn nicht vor Langeweile in Eurer einförmigen Abgeschiedenheit,die Euch aller Teilnahme am Leben Eures Gatten beraubt? Ihr kennt nicht seine Freunde noch Feinde, nicht seinen Wirkungskreis, nicht seine Beschäftigungen, überhaupt nicht die Welt und die Verhältnisse in denen er lebt.

    Nichts teilt er mit Euch, und Ihr müßt ihn selbst mit Euren Sklavinnen teilen, - seid Ihr denn nicht einer so herabwürdigenden Existenz zum Sterben überdrüssig?" - Vermutlich würden sie mit Nein geantwortet haben, denn das Leben im Gleis uralter herkömmlicher Gewohnheit ist auch ein Leben.

    Und dann haben sie auch das Surrogat aller Frauen zu ihrer Disposition, denen ein großes Interesse im Leben fehlt, und das man ebenso häufig in der europäischen Gesellschaft, als im türkischen Harem findet: die Intrige. Natürlich beschränkt sich diese auf den allerengsten, ich möchte sagen niedrigsten Kreis, aber in demselben versuchen sie doch hundert und tausend Kreuz- und Quergänge um zu ihrem Zweck zu gelangen.

    Und damit Du siehst, lieber dinand, daß man hier ebenso gut wie in unserer zivilisierten Gesellschaft über die intimsten Verhältnisse des lieben Nächsten spricht, werde ich dir erzählen, was man uns aus Rifat Paschas Harem erzählt hat...


    (Fortsetzung folgt)

  8. #18
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    AW: Türkei anno 1844/45 - Betrachtungen

    Besuch eines Harems in Konstantinopel (S. 68 ff.)
    Teil 3 - Favoritsklavinnen und Intrigen

    Und damit Du siehst, lieber Dinand, daß man hier ebenso gut wie in unserer zivilisierten Gesellschaft über die intimsten Verhältnisse des lieben Nächsten spricht, werde ich dir erzählen, was man uns aus Rifat Paschas Harem erzählt hat und was uns neugierig auf "l´objet aimé" machte.

    Also: Rifat Pascha hat eine ganz besonders begünstigte Favoritsklavin, welche die Eifersucht seiner Frau dermaßen erregte, daß diese alles versuchte um die Nebenbuhlerin von ihrer Höhe herabsteigen zu lassen. Natürlich umsonst! So lange man geliebt ist schaden die fremden Machinationen nichts, und oft sogar befestigen sie eine bereits wankende Liebe von neuem: so ungern erträgt der Mensch in der sphäre der gefühle den Widerspruch; denn es gehört Vernunft dazu um diesem Gehör zu geben und Liebe und Vernunft liegen nun einmal nicht in derselben Sphäre. "Eine Liebe die nicht Wunder ist, ist keine" - steht im Kaiser Oktavianus, und ist das Schönste was Tieck je gesagt hat; die Vernunft hat aber wie männiglich weiß, und wie die Rationalisten vielfach bewiesen haben, nichts mit Wundern zu tun.

    Um den Zauber jener Favoritin zu brechen, verfiel die Frau auf ein wahrhaft verzweifeltes Mittel: sie ließ die allerschönste und reizendste Sklavin kaufen, die in Konstantinopel zu finden war und schenkte sie ihrem Gemahl, bereit die neue Rivalin zu dulden um nur die andre zu stürzen. Ist das nicht ein echtes Haremsmittel? So eigensinnig und so trostlos? Jede andre, nur nicht die! Nur nicht die! - Und ist es nun eine andre, so kann man von neuem intrigieren.

    - Auf den Erfolg jenes Mittels wirst Du ebenso gespannt sein wie wir es waren. Nun, auch das war umsonst. Die Favoritin blieb auf ihrem Platz. -

    Diese befand sich übrigens heute zwischen den dienenden Sklavinnen und war duch nichts ausgezeichnet, als durch ihre wunderschöne Figur - lang und schlank wie eine Nymphe, und schmieg- und biegsam wie eine Gerte, fiel sie sehr neben den unbeholfenen Gestalten der meisten auf.

    Indessen würden wir sie doch vielleicht kaum bemerkt haben, wenn nicht nach dem Diner - von dem ich sogleich berichten werde - die Damen sich bei ihren Abwaschungen (Anm: die türkische Tischsitte kennt kein Besteck, man ißt mit den Fingern, die man sich anschließend in einer gereichten Wasserschüssel am Tisch wäscht) im Speisesaal aufgehalten hätten, und wir von einigen Sklavinnen in den Salon zurückgeführt worden wären. sie war unter diesen, und auf einmal frappierte uns die hübsche Person, denn sie sprach, sie lächelte, sie wurde lebhaft, und das machte sie hübsch.

    Sie hatte eins von den Gesichtern bei denen man sagt: Aber sie ist ja häßlich! Die kleinen Augen, der große Mund tc.! Plötzlich werden die unregelmäßigen Züge gleichsam von ihrer Unschönheit entschleiert, und das gesicht scheint verwandelt.

    Eine Griechin, welche das Amt einer Schaffnerin im Harem zu bekleiden schien, und mit welcher unser Dolmetsch griechisch sprach, sagte dies sei die Favorittkavin; doch wo die schöne begieben - ob man sie uns nicht zeigen wollte, ob man sie fortgeschickt, weil sie ihren Zweck nicht erfüllt hatte? - das erfuhren wir nicht, nd nur so viel ist gewiß, daß kein einziges schönes, und ein einziges interessantes Gesicht unter all den Frauenzimmern war, und daß gerade die Favoritin letzteres hatte.

    So lebhaft und freundlich sie noch eben mit unserem Dolmetsch gesprochen, so ernst und unbeweglich wurde sie als die Damen des Hauses eintraten. Augenblicklich trat sie mit den übrigen Slkavinnen in den Hintergrund dees Zimmers, stand da still und starr ohne eine Miene zu verändern, bedeckte ihre Hände mit ihren langen Unterärmeln - verhüllte Hände sind ein Zeichen von Ehrfurcht bei den Türken - tat den Dienst und kauerte zuweilen auf den Fersen nieder wie die übrigen, und ebenso unschön wie sie.

    Das muß keine beneidenswerte Existenz sein: von dem Mann geliebt und von der frau gehaßt, und dazu dienende Sklavin dieser Frau! Unglücklich oder melancholisch sah sie aber nicht im geringsten aus, denn auch ihr Schicksal ist ein altherkömmliches, schon seit des Erzvaters Abraham Zeit. Verstoßen wie die arme Hagar darf jedoch aus dem Harem keine werden. Sinkt und fällt sie in der Gunst, so tritt in den Kreis der gewöhnlichen Dienerinnen, und macht dem neuen Gestirn Platz.


    Nachdem unser Besuch etwa eine Stunde gedauert hat, wollten wir ihn beenden, wurden aber statt dessen zum Frühstück eingeladen und durch das achteckige Fenster in einen langen Speisesaal geführt, der an seinen beiden kurzen Wänden Fenster hatte, und folglich vortrefflich für seine Bestimmung eingerichtet war, denn keinem schien das Tageslicht in die Augen. Am Eingang standen im Halbkreis Sklavinnen, einige mit Waschbecken, die anderen mit Kannen und Handtüchern, die am Rand mit Gold und bunter Seide gestickt waren...

    (Fortsetzung folgt)

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