Griechische Politiker sind wohl eine Spezies für sich. Wie sonst sollte man die Ausführungen des griechischen Botschafters in den USA bewerten?


Die Griechen träumen schon wieder...
Top-Politiker fantasieren von „wirtschaftlicher Wiederauferstehung“ und „nachhaltigem Wachstum“. Pech, dass sich gerade erst der dreiste Betrug auf der „Insel der Blinden“ ereignete....
Wir haben nun schon einiges erlebt in diesem Euro-Drama – dessen Ursprung im dreisten Schuldenanhäufen eines Landes liegt, das mit „G“ anfängt... Doch manchmal geschehen Dinge, die auch abgeklärte Krisen-Beobachter an ihrem Verstand zweifeln lassen.

Unter der Überschrift „Griechenland unternimmt historische Reformen“ veröffentlicht die amerikanische Finanzzeitung „Wall Street Journal“ den Namensbeitrag eines griechischen Top-Politikers: Vassilis Kaskarelis, Botschafter in den USA. Wenn man dem Mann folgt – und wie wir wissen, sollten wir den Griechen unbesehen alles glauben – ist die große Finanz-Katastrophe aus dem Nichts über das kleine, fleißige Land hereingebrochen. Als eine Art Meteoriteneinschlag. Dann aber, obwohl ohne jede Schuld, haben die charakterfesten Hellenen die Ärmel hochgekrempelt, freiwillig den heroischsten Sparpakt der Weltgeschichte beschlossen – und wandeln längst wieder auf dem Pfad der wirtschaftlichen Wiederauferstehung.

Der Botschafter erzählt die „wahre Geschichte“

Sie glauben das nicht? Dann sollten wir Herrn Kaskarelis für sich selbst sprechen lassen. Der Botschafter des Wortes klagt bitterlich über das böswillige Zerrbild, das vor allem deutsche Medien von seiner Heimat zeichnen: Die „wahre Geschichte“ sei, dass Griechenland die „am weitesten reichenden Veränderungen einer Volkswirtschaft der modernen Geschichte“ erkämpft habe. Das Land habe seine „Wettbewerbsfähigkeit verbessert und nachhaltiges Wachstum geschaffen“.

Botschafter Kaskarelis muss ein anderes Land meinen. Denn Griechenlands Wirtschaft schrumpft nun schon das dritte Jahr in Folge. Außerdem: Wirklich wettbewerbsfähig wird das Land erst, wenn es den Euro aufgibt – und dank der dann drastisch abgewerteten Drachme seine Produkte auf den Weltmärkten wieder billiger anbieten könnte.

Doch der Träumer im Diplomatenrock lässt sich nicht beirren: „Griechenland gibt mit seinen strukturellen Reformen den Weg vor – noch vor allen anderen krisengeschüttelten Ländern.“ Die Griechen seien ein fleißiges Volk – „sie arbeiten mehr Jahres-Stunden als irgendjemand sonst in der EU, eingeschlossen Deutschland“. Außerdem seien die beschlossenen Reformen für Arbeitsmarkt, Steuergesetzgebung sowie Gesundheitswesen „unvergleichlich und revolutionär“.

Die Blinden von Zakynthos

Soso. „Unvergleichlich“. Damit könnte Vassilis Kaskarelis sogar Recht haben. Sogar bei dem von ihm so hoch gelobten griechischen Gesundheitswesen. Denn erst vor kurzem erschütterte der Betrugsskandal auf der „Insel der Blinden“ die Öffentlichkeit: Auf dem beschaulichen Urlaubseiland Zakynthos (37 000 Einwohner) sind gut neunmal so viele Menschen blind wie im europäischen Durchschnitt. Das fiel irgendwann sogar den griechischen Behörden auf – schließlich beziehen die angeblich um ihr Augenlicht gebrachten Menschen staatliche Unterstützungsgelder. Amtsärzte wollten nun die 700 angeblich blinden Inselbewohner überprüfen. Doch nur 100 erschienen – und nur 60 von ihnen hatten wirklich ihr Augenlicht verloren.

Wie das? Im gerade erst „revolutionär“ reformierten griechischen Gesundheitswesen ist es eben weiterhin möglich, dass selbst ein Taxifahrer und ein Jäger auf Zakynthos Blindenhilfe beziehen. Vermutlich weil sie zuvor ihrem Arzt einen der berühmten Umschläge mit Schmiergeld („Fakelaki“) zugesteckt haben. Und der örtliche Politiker ihren Blindenantrag unterzeichnet, um seine Wähler nicht zu enttäuschen....
http://www.focus.de/finanzen/doenchk...id_738331.html