Datenschützer, Grüne, DIE LINKE, TAZ, SPIEGEL und die SÜDDEUTSCHE sind natürlich besorgt, aber nicht wegen der schweren Krawalle mit 112 verletzten Personen.

Den ebenfalls kontrollierten und erfassten Politikern von Linken, Grünen und SPD auch aus anderen Bundesländern werden wegen der Blockaden Verstöße gegen das Versammlungsgesetz vorgeworfen, weil die Aufzüge der Rechten genehmigt waren.


Dresden: Polizeichef abberufen


Dresden – Wegen der massenhaften Handy-Daten-Erfassung in Sachsen ist der Dresdner Polizeipräsident Dieter Hanitsch abberufen worden. Dies teilte Innenminister Markus Ulbig (CDU) in Dresden mit. Als Grund für die Entscheidung nannte er interne „Informationsdefizite”. Am Rande der Demonstration mit 17.000 Menschen gegen geplante Neonazi-Aufmärsche am 19. Februar war es zu schweren Krawallen gekommen, bei denen 112 Polizisten verletzt wurden. Die Polizei sammelte mehr als eine Million Handydaten.

Sachsens Polizei spähte mehrere Stadtteile aus Am Rande der Demonstrationen war es zu schweren Krawallen Links- und Rechtsextremer gekommen, bei denen mehr als hundert Polizisten verletzt wurden. Die Staatsanwaltschaft leitete daraufhin Ermittlungen wegen schweren Landfriedensbruchs und der Bildung einer kriminellen Vereinigung ein. Mit diesen Ermittlungen rechtfertigen Innen- und Justizminister die massenhafte Datenerhebung, die von der "taz" aufgedeckt wurde.

***

SÜDDEUTSCHE:

Demonstrationen gegen Nazis in Dresden

Polizei sammelt eine Million Handy-Daten

Unmengen von Daten: Die Dresdner Polizei hat nach Protesten gegen die Neonazi-Aufmärsche im Frühjahr weitaus mehr Handy-Verbindungen ausgewertet als bislang bekannt. Die Landesregierung räumte erstmals Fehler ein.

Bei der massenhaften Auswertung von Handydaten nach teils gewalttätigen Protesten gegen Nazis in Dresden hat es Fehler gegeben. Das geht aus einem am Freitag in Dresden vorgelegten Bericht des sächsischen Innen- sowie Justizministeriums hervor. Zudem wurden dem Bericht zufolge mehr Daten ausgewertet, als zunächst von der Polizei eingeräumt. In 45 Fällen hätten Ermittler Daten an die Staatsanwaltschaft übergeben, die letztlich zu weiteren Strafverfolgung nicht geeignet waren.

Das sei zu spät korrigiert worden, monierte der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) nach Angaben seines Sprechers. Dennoch habe sich die Aktion "innerhalb eines Rechtsrahmens" bewegt. Insgesamt sei die Auswertung von mehr als einer Million Daten angesichts der Übergriffe bei der Demonstration am 19. Februar verhältnismäßig gewesen, sagte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU). Damals seien 106 Polizisten durch Attacken von Demonstranten verletzt worden.

Die 45 monierten Fälle betrafen unter anderem Abgeordnete, die sich an friedlichen Blockaden der Neonazi-Aufzüge beteiligt hatten. Einige von ihnen haben rechtliche Schritte gegen die umfangreiche Datenauswertung angekündigt. Den Politikern von Linken, Grünen und SPD auch aus anderen Bundesländern werden wegen der Blockaden Verstöße gegen das Versammlungsgesetz vorgeworfen, weil die Aufzüge der Rechten genehmigt waren. Auch Journalisten, die von den Protesten berichtet hatten, haben Beschwerden angekündigt. Sie sehen die Pressefreiheit angegriffen.

***
DER SPIEGEL:

Eine Million Handy-Daten für 406 Verdächtige


Nachdem die Handy-Daten-Ausspähung bundesweit für Empörung gesorgt hatte, legten Ulbig und Martens nun dem Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU) einen Bericht vor und präsentierten ihn danach der Öffentlichkeit. Demnach erfasste die Polizei am 19. und bereits auch am 18. Februar mit einer sogenannten Funkzellenauswertung weitere 896.000 Daten. Ulbig bestätigte, dass Handy-Daten nicht nur in dem Stadtteil gesammelt wurden, wo es zu Ausschreitungen kam, sondern auch in anderen Stadtbezirken.

Gesammelt wurden unter anderem Handy- und Gerätenummern. Ins Visier gerieten dabei auch Blockierer, friedliche Demonstranten, Anwohner, Politiker und Journalisten. Telefongespräche oder SMS-Nachrichten wurden nach Angaben der Minister von der Polizei nicht abgehört oder mitgelesen. Herausgefiltert worden seien schließlich 460 Handy-Nummern, die man an Orten schwerer Straftaten lokalisiert habe. 406 Anschlussinhaber seien festgestellt worden.



Datenschützer besorgt über massenhafte Erfassung


Sachsens Datenschutzbeauftragter Andreas Schurig überprüft seit Freitag die Rechtmäßigkeit der massenhaften Sammlung. Es bestehe durchaus die Möglichkeit der Zweckentfremdung der Datenerhebung, sagte Schurigs Sprecher Andreas Schneider. Außerdem werde geprüft, ob bei der Datenerhebung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten worden sei. "Diese beiden Problemkreise bilden sich heraus", sagte Schneider.

Die Zweckentfremdung komme in Betracht, weil nur im Zusammenhang mit einer Straftat von erheblicher Bedeutung, wie beispielsweise bei schwerem Landfriedensbruch, Handy-Daten gesammelt werden dürften. Fraglich sei aber, ob diese Informationen auch in anderen Verfahren genutzt werden dürfen, die sich mit leichteren Vergehen wie dem Verstoß gegen das Versammlungsgesetz beschäftigen.

"Viele Betroffene waren unbescholtene Bürger", sagte Schneider. Daher stelle sich die Frage, ob die Aktion verhältnismäßig gewesen sei. Ausgewertet würden derzeit Stellungnahmen der Polizeidirektion Dresden und der Staatsanwaltschaft. Das Landeskriminalamt habe sich bislang nur mündlich zu den Vorfällen geäußert, auf eine Stellungnahme des Innenministerium werde gewartet.



Minister verteidigen Datenerhebung

Ulbig und Martens verteidigten die Aktion. Die Erhebung der Daten zur Aufklärung der schweren Straftaten sei notwendig und verhältnismäßig gewesen, sagte Ulbig. Martens sagte, es handele sich um eine erhebliche Anzahl gesammelter Daten. Der weitere Verfahrensablauf werde zeigen, ob die Erhebung verhältnismäßig war. Die Ermittler seien aber auf Grundlage richterliche Beschlüsse und auf rechtsstaatlicher Grundlage vorgegangen. Das Ausmaß der Datenerhebung sei nicht einschätzbar gewesen. Nicht benötigte Daten dürften nicht verwertet werden und würden gelöscht.

Tillich kritisierte, dass der Umgang mit den nicht benötigten Daten zu lange offen gelassen worden sei. Sachsen werde nun eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel starten, den unbestimmten Rechtsbegriff der "erheblichen Straftat" zu konkretisieren. Damit soll mehr Klarheit für die Befugnisse der Polizei geschaffen werden.

Die Opposition kritisierte die Aktion scharf. Die Grünen bezeichneten die massenhafte Datenerfassung als rechtswidrig und verlangten eine Entschuldigung der Minister bei den unschuldigen Betroffenen. SPD-Fraktionschef Martin Dulig sprach von einem Schreckensszenario. Linke-Chef André Hahn forderte eine rückhaltlose Aufklärung des Vorfalls.

ore/dapd