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AW: Triumph für Erdogan
Es gab 2010 einen Artikel der Welt, der das zu belegen scheint:
Das gefährliche Großmachtstreben der Türkei
Ankara schwelgt in großtürkischen Phantasien, träumt von einem neuen osmanischen Reich. Eine Bedrohung sowohl für Europa als auch die arabischen Länder.
War das abrupte Ende der Flottenexpedition nach Gaza im Grunde kein „Fall Israel“ sondern ein „Fall Türkei“? Die Türkei trat nicht nur als Schirmherrin des Blockadebruchs auf, sondern war auch sofort mit weiteren Eskalationsschritten zur Stelle: überzogenen Anklagen, der Aufkündigung der Zusammenarbeit mit Israel. Damit setzt sich die Regierung in Ankara dem Verdacht aus, sich als Seemacht an der Ostküste des Mittelmeers etablieren zu wollen. Beginnt so, mit Pazifisten an Deck, eine neue Kanonenbootpolitik?
Schon vorher hatte die Türkei dem iranischen Regime Avancen gemacht, just in dem Moment, in dem das Regime die Opposition mit Folter und Mord unterdrückte. Allerdings trifft die Vermutung, am Bosporus entstehe ein islamistisches Regime, die Sache nicht. Etwas anderes droht, und es betrifft alle Länder der Region: Die Türkei versucht, die Stellung eines regionalen Hegemons zu erringen. Sie will die unumgehbare Brücke zwischen Europa und dem Nahen Osten sein. Zu einer solchen Monopolstellung gehört es, Positionen in allen möglichen Himmelsrichtungen zu errichten. In der arabischen Welt ebenso wie in der Europäischen Union, auf dem Balkan und am Schwarzen Meer ebenso wie am Nil. Die Türkei ist auf dem Weg, zu „osmanischen“ Maßstäben und Ansprüchen zurückzukehren.
Man will in die EU und muslimische Führungsmacht sein
Der Gegensatz „islamisch“ gegen „europäisch“ führt die Beobachter in die Irre. Die großtürkische Politik spielt auf beiden Registern, wenn es ihr nutzt. Man will Mitglied der EU sein und zugleich Führungsmacht im muslimischen Lager. Schon in den Neunzigerjahren war eine neue Tonlage in der Außenpolitik zu vernehmen. Man erklärte, die Türkei sei eine „multiregionale Macht“, deren Einfluss sich über den Balkan, den Mittleren Osten, den Kaukasus und Nordafrika erstrecke. Istanbul sei die „eurasische“ Hauptstadt in einer aufstrebenden Weltzone von 400 Millionen Einwohnern.
Bemerkenswert ist, dass solche Stimmen nicht nur von den üblichen Islamismus-Verdächtigen stammten, sondern auch von Politikern mit Atatürk-Tradition und europäischer Bildung. Der Zusammenbruch des sozialistischen Lagers setzte neue Ansprüche frei, manches erinnert an die „großserbischen“ Ideen. Manches erinnert aber auch an die unseligen deutschen „Ideen von 1914“, bei denen mit Kultur Staat gemacht wird: Die weitverzweigten kulturellen Wurzeln, die es überall gibt, werden für Hegemonialansprüche missbraucht. So entdeckt man jetzt in der Türkei die osmanischen Jahrhunderte wieder, die sowohl dem Balkan als auch der arabischen Halbinsel Toleranz und Fortschritt gebracht hätten.
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Versuch, die Migranten als Außenposten zu nutzen
Dagegen wird die eigenständige Staatenbildung der Neuzeit nun gerne als Quelle von Unfrieden und Unheil dargestellt. Angesichts dieser neuen Tonlage sollten daher nicht nur die südosteuropäischen Staaten und Israel aufhorchen, sondern auch arabische Staaten wie Syrien, der Irak oder Jordanien. Ebenso erscheint jene „Kölner Rede“ des türkischen Ministerpräsidenten, in der er vor der „Assimilierung“ in Deutschland warnte, in neuem Licht – als ein Versuch, die Migranten als Außenposten dienstbar zu machen. Der provozierte Zwischenfall der „Friedensflotte“ ist kein singuläres Ereignis.
Doch wird, wo so deutlich ein Machtmonopol angesteuert wird, bei Nachbarn und Partnern ganz unvermeidlich die Frage aufkommen: Wie sehr brauchen wir die Türkei eigentlich? Die anderen Länder werden entdecken, dass es heute viele Wege zwischen Europa und dem Nahen Osten gibt.
Wir brauchen keine "eurasische" Zentralmacht
Die politische Geografie ist pluralistisch geworden, im Norden und Süden des Bosporus gibt es viele Brücken. Auch können die europäischen und arabischen Länder sehr gut direkt miteinander sprechen. Sie brauchen keine „eurasische“ Zentralmacht. So ist jetzt ein Pluralismus der Außenpolitik das Gebot der Stunde. Antiamerikanische oder antirussische Reflexe sind jetzt ebenso schädlich wie eine Unterschätzung der feingliedrigen griechischen oder libanesischen Netzwerke. Gerade Deutschland hat allen Grund, die unseligen Frontstellungen von 1914 nicht noch einmal zu wiederholen.
Brauchen wir also die Türkei? Ja, als selbstbewusstes, maßvolles Land würden wir sie immer schätzen und verteidigen – auch unsere Landsleute türkischer Herkunft. Aber ebenso wichtig ist jetzt ein „Nein“: Wir brauchen die Türkei nicht um jeden Preis. Es geht auch ohne sie. Die Regierung in Ankara sollte sich der Gefahr ihres großtürkischen Kurses bewusst werden. Dieser Kurs wird das Land über kurz oder lang isolieren. Die Türkei könnte leicht zum einsamen Mann am Bosporus werden.
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13.06.2011, 00:38 #12
AW: Triumph für Erdogan
Englische Links zu dem Thema:
- November 24, 2010 : The Jerusalem Post: Why Turkey will emerge as leader of the Muslim world
- November 21, 2010 : Hürriyet News: Why Turkey will emerge as the leader of the Muslim World
- November 15, 2010 : Foreign Affairs: Sultan of the Muslim World - Why the AKP’s Turkey Will Be the East’s Next Leader
- October 27, 2009 : The Guardian: Turkey leads the Muslim world
Was ich schreibe ist meine Meinung und nicht unbedingt die Wahrheit - Regimekritik - WEFers are evil. Im Zweifel ... für die Freiheit. Das Böse beginnt mit einer Lüge.
Kalifatslehre. Darum geht es.
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13.06.2011, 01:48 #13Unregistriert Gast
AW: Triumph für Erdogan
Das sind Erdogans Worte und Ziele
„Die Minarette sind unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme, die Moscheen unsere Kasernen und die Gläubigen unsere Armee“, hatte er bei einer Veranstaltung der später verbotenen Wohlfahrtspartei (RP) ein Gedicht zitiert.
Quelle: http://www.bild.de/politik/ausland/r...0288.bild.html
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