Etwas spät entdeckt, aber immer noch interessant: Weniger Zuwanderung zum Umweltschutz und für mehr Lebensqualität.

Grüne Initiative gegen Zuwanderung

Von Iwan Städler. Aktualisiert am 07.04.2011

Die Umweltschutzorganisation Ecopop will per Volksinitiative die jährliche Zuwanderung auf 0,2 Prozent der Bevölkerung begrenzen. Das könnte der Migrationsdebatte einen neuen Drall geben.

Seit 40 Jahren kämpft Ecopop aus Umweltschutzgründen gegen das Bevölkerungswachstum – und dagegen, in die fremdenfeindliche Ecke gestellt zu werden. Bisher mit wenig Erfolg. Das Anliegen wurde von der Politik kaum aufgenommen. Auch Ecopop selbst blieb weitgehend unbekannt, obwohl unter den 700 Mitgliedern nicht wenige emeritierte Uniprofessoren wie etwa der renommierte HSG-Umweltökonom Hans Christoph Binswanger sind.

Das soll nun ändern. Nachdem man bis anhin auf Vorträge, Wanderausstellungen und Tagungen setzte, lanciert Ecopop jetzt eine Volksinitiative. «Wir haben gesehen, dass Aufklären zu wenig bringt. Man muss politisch eingreifen», sagt Ecopop-Sprecher Albert Fritschi. Die Initiative ist radikal: Sie will den Wanderungssaldo auf 0,2 Prozent der Bevölkerung begrenzen. Mit der Personenfreizügigkeit ist dies nicht zu vereinbaren. Denn seit der Öffnung der Grenzen für EU-Bürger beträgt die Zuwanderung Jahr für Jahr rund 1 Prozent oder mehr. «Damit entsteht jedes Jahr eine neue Stadt von der Grösse St. Gallens», monieren die Initianten. Dies führe zu noch mehr Stau auf den Strassen, überfüllten Zügen, steigenden Mieten, überbautem Kulturland und einem Artensterben. Die Natur werde so an den Rand gedrängt.


Thema nicht Rechten überlassen

Auch im Ausland will Ecopop das Bevölkerungswachstum dämpfen. Die Initiative verlangt daher auch, dass 10 Prozent der Schweizer Mittel für Entwicklungszusammenarbeit in die freiwillige Familienplanung fliessen müssen. Ende Februar hat Ecopop den Initiativtext bei der Bundeskanzlei eingereicht. Sobald er veröffentlicht wird, wollen die Initianten mit Unterschriftensammeln starten.

«Wir wollen die Themenführerschaft bei der Migrationspolitik nicht den Rechten überlassen», sagt Fritschi. Die Asylproblematik hält Ecopop für «hochgespielt». Das Zuwanderungsproblem hingegen sei «enorm virulent», sagt Mathematiker Benno Büeler, der sich selbst als «Primus inter pares» im Initiativkomitee bezeichnet. Das spüre man an den vielen Reaktionen. Auch in einer Umfrage des «Beobachters» hätten sich zwei Drittel der Leser dafür ausgesprochen, die Zuwanderung zu reduzieren. Weniger gut kommt die Initiative bei den Politikern an – jedenfalls bei jenen, die Ecopop gerne mit im Boot hätte. Der Grüne Bastien Girod findet zwar: «Die Stossrichtung ist grundsätzlich richtig.» Aber die Forderungen seien zu starr. Auch seine Parteikollegin Yvonne Gilli begrüsst, «wenn jemand das Thema enttabuisiert». Aber es fehlten zum Beispiel Ausnahmebestimmungen für den Fall einer grossen Flüchtlingswelle. Den Präsidenten der Grünliberalen, Martin Bäumle, konnte Ecopop ebenfalls nicht gewinnen. Dies, obwohl viele Ecopop-Mitglieder sich den Grünliberalen verbunden fühlen. Einer der prominentesten Ecopop-Kämpfer, Ex-Calida-Manager Walter Palmers, ist gar Vizepräsident der Grünliberalen in Luzern.


Weniger Wirtschaftswachstum erwünscht

Sehr gerne mit Ecopop zusammenspannen würden die Schweizer Demokraten – aber Ecopop nicht mit ihnen. Auch SVP-Präsident Toni Brunner, der nach Fukushima die Zuwanderung mit der Umweltbelastung verknüpfte, hegt Sympathien für die Initiative. Unterschriften sammeln will er dafür zwar nicht, aber vielleicht einst zustimmen. Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse warnt dagegen vor «nicht abschätzbaren Folgen», da die Initiative nicht mit der Personenfreizügigkeit vereinbar sei. Man müsse mit der EU «neu verhandeln», findet Ecopop. Sollte dies zulasten des Wachstums gehen, wäre dies der Vereinigung wohl recht. Im Internet plädiert sie jedenfalls für weniger Wirtschaftswachstum. Ansonsten werde das Wohlstandsgefälle zum Ausland grösser – und damit auch der Migrationssog und die Umweltbelastung.

Noch ist jedoch fraglich, ob Ecopop die nötigen 100'000 Unterschriften zusammenbringt. Albert Fritschi hat ausgerechnet jetzt als Geschäftsführer demissioniert und tritt nur noch als Sprecher auf. Ein neuer Geschäftsführer fehlt – auch weil Ecopop nicht viel zahlt. Benno Büeler hofft nun, dass zusätzlich zu den von Ecopop gesprochenen 75'000 Franken Spenden hereinkommen, damit er Studenten anstellen kann. Das Know-how, wie man erfolgreich Unterschriften sammelt, sollte bei Ecopop vorhanden sein. «Wir wissen, was es braucht», sagt Fritschi. Im Vorstand sitze nämlich auch Hans Minder, Vater von Thomas Minder und damit sozusagen der Grossvater der Abzockerinitiative. (Tages-Anzeiger)


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http://www.ecopop.ch/joomla15/index.php

PDF: Eidgenössische Volksinitiative «Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen»

20min.ch:

Die etwas anderen Umweltschützer

von Ronny Nicolussi - 40 Jahre praktisch unbekannt, gerät die Organisation Ecopop nun ins Scheinwerferlicht - weil sie die Beschränkung des Bevölkerungswachstums fordert. Wer steckt dahinter?

Zuwanderung als Problem zu thematisieren, galt lange als Tabu. Wer es dennoch wagte, riskierte in die rassistische Ecke gestellt zu werden. Was das bedeutet, weiss Albert Fritschi, Mediensprecher der Vereinigung Umwelt und Bevölkerung (Ecopop) nur zu gut. Bis heute muss er regelmässig gegen das fremdenfeindliche Image der Umweltorganisation ankämpfen. Die Medien schreiben im Zusammenhang mit Ecopop von einer «grün angehauchten», einer «umstrittenen», einer «obskuren» Umweltschutzorganisation. [...]


Taktischer Namenswechsel

Tatsächlich war bereits die SAfB ein parteipolitisch durchmischter Verein. Je nach Leseart ist er auch als Reaktion auf die Aufsehen erregende Studie «Grenzen des Wachstums» des Club of Rome entstanden. Trotzdem hatte die SAfB Mühe, den Rechtsaussen-Mief der Gründerjahre abzuschütteln. Laut «WOZ» war das der Grund für den Namenswechsel 1987 zu Ecopop – auf französisch Association ECOlogie et POPulation. Seit den 1980er-Jahren ist der Verein sichtlich bemüht, sich von fremdenfeindlichen Strömungen abzugrenzen. [...]

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20min.ch:

Überbevölkerung 5. Mai 2011

Krieg der Initiativen

von Ronny Nicolussi - Die Umweltorganisation Ecopop und die Schweizer Demokraten wollen je mit einer Initiative die Zuwanderung beschränken – jedoch nichts miteinander zu tun haben. [...]

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20min.ch:

Die Schweiz im Banne der «Überfremdung»

von Lukas Mäder - Zu viele Ausländer lebten in der Schweiz. Dieser Meinung war James Schwarzenbach, der mit seiner Initiative vor 40 Jahren die Schweiz bewegte.

Die Schweizer Bevölkerung war mobilisiert angesichts der Frage: Sollten hierzulande maximal 10 Prozent Ausländer wohnen dürfen? Dies forderte die Überfremdungsinitiative von James Schwarzenbach, über die vor 40 Jahren abgestimmt wurde. Am 7. Juni 1970 strömten 74,7 Prozent der Stimmberechtigten an die Urnen — so viele, wie nie in der Nachkriegszeit ausser bei den Abstimmungen über die AHV 1947 und über den EWR-Vertrag 1992. Der Entscheid fiel relativ knapp aus: Nur gerade 54 Prozent stimmten gegen die sogenannte Schwarzenbach-Initiative. Die restlichen 557 517 Schweizer waren der Meinung, es gebe zu viele Ausländer im Land.

Die Überfremdungsinitiative kam in einer Zeit zur Abstimmung, in der die Arbeitsmigration in die Schweiz nach ununterbrochener Zunahme seit dem Zweiten Weltkrieg riesige Ausmasse angenommen hatte. Als Folge der Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte — bis Mitte der 1960er-Jahre noch überwiegend aus Italien — begann in der Schweiz eine heftige Diskussion um eine sogenannte «Überfremdung». Zu Protesten führte der Abschluss des sogenannten Italiener-Abkommens 1964. Die italienischen Saisonniers erhielten damit nach fünf Jahren Arbeit in der Schweiz eine Aufenthaltsbewilligung, und die Frist für den Familiennachzug wurde auf anderthalb Jahre halbiert. [...]