Bitte selber ergänzen.

BILD: Sarrazin verlässt Bundesbank freiwillig

Es sollte eigentlich nur um sein Buch gehen, doch dann kam eine andere Meldung dazwischen: Sarrazin schmeißt hin! Zum Ende des Monats zieht er sich aus dem Vorstand der Bundesbank zurück.

Potsdam, Donnerstagabend, kurz nach 20 Uhr: Thilo Sarrazin (65) stellt im „Nikolaisaal“ sein Buch Deutschland schafft sich ab vor. 20.38 Uhr läuft die erste Eil-Meldung über die Nachrichtenagenturen: Sarrazin verlässt freiwillig die Bundesbank.

Er hat Bundespräsident Christian Wulff selbst darum gebeten, ihn von seinem Amt zu entbinden.

Das Statement der Bundesbank: „Mit Blick auf die öffentliche Diskussion werden die Beteiligten ihre Zusammenarbeit zum Monatsende einvernehmlich beenden.”

LANGE KEIN WORT DAVON WÄHREND SARRAZINS LESUNG!

Erst will er dazu keine Stellung nehmen, sagt, ihm wäre „diese Meldung nicht bekannt“, aber dann antwortet Sarrazin doch:

„Der Bundesbank-Vorstand hält die gegen mich erhobenen Anwürfe, ich hätte mich gegenüber Ausländern diskriminierend geäußert nicht aufrecht, sondern zieht sie zurück. Zweitens: Der Bundesbank-Vorstand hat beim Bundespräsidenten seinen Antrag, mich aus dem Amt zu entlassen, zurück gezogen. Drittens: Ich habe den Bundespräsidenten gebeten, mich zum 30. September von meinem Amt zu entbinden.“


BUCH-LESUNG

Der Saal in Potsdam ist brechend voll, die Tickets (9 Euro pro Stück) für Sarrazins Lesung seit Tagen ausverkauft. 700 Gäste sind gekommen, um ihn zu hören und mit ihm zu diskutieren.
Alarmbereitschaft bei der Polizei. Vor dem Veranstaltungsort demonstrieren ca. 150 Linke. Auf ihren Plakaten steht: „Deutschland schafft sich ab – endlich!“ oder „Sarrazin schafft sich ab“.

Im Saal herrschen strenge Sicherheitsvorkehrungen. Zwölf Bodyguards schirmen das Podium ab, auf dem Thilo Sarrazin Platz genommen hat. Das Gebäude musste er durch den Hintereingang betreten.

Sein erstes Anliegen: Er will sich erklären, will die Frage beantworten, die ihm so oft gestellt wurde: „Warum machst Du das?“

Sarrazin antwortet mit seiner Biographie. „Wenn man so lange dem Staat dient, bleibt nicht aus, dass man ihn liebt“, sagt der Ex-Finanzsenator von Berlin. Und fügt für seine Kritiker hinzu: „Illoyal war ich nie, unabhängig war ich zu jeder Zeit.“


TOSENDER APPLAUS!

Ralf Schuler, Politik-Chef der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ (MAZ), Mit-Organisator der Lesung, stellt Sarrazin vor. Entspannt antwortet der Autor, plaudert mit Schuler. Sarrazin über …

- … seine Familie: „Meine Familie ist Kummer gewohnt.“

- … seine Frau Ursula: „Sie hat mich mein Leben lang gebremst nach dem Motto: Muss das denn jetzt schon wieder sein!“

- … seine Karriere: „Ich gehöre nicht zu den Besten meines Faches.“

- ... seinen möglichen Partei-Ausschluss: „Ich finde auf den 460 Seiten nichts, was zu den Grundwerten der Sozialdemokratie in Widerspruch steht. Niemand wird dort etwas finden.

- ... die Gründung einer eigenen Partei: „Wichtige Diskussionen müssen in den Volksparteien geführt werden.“

Und dann zu seinem seinen Rückzug aus dem Bundesbank-Vorstand:Das war für mich nicht einfach. Ich habe letztlich überlegt, ob ich es mir leisten kann, mich mit der gesamten politischen Klasse in Deutschland anzulegen (...). Und ich habe mir gesagt: Diese Situation hält auf Dauer keiner durch. Das muss ich ehrlich sagen.“


DER RÜCKTRITT SCHOCKT!

Aber das Publikum in Potsdam zollt Sarrazin viel Applaus, endet mit stehenden Ovationen.

Die Soziologin Necla Kelek, die Sarrazins Buch in Berlin vorgestellt hatte, zu BILD: „Ich bedauere das sehr – für die Bundesbank, die einen guten Vorstand verliert! Die Entscheidung von Thilo Sarrazin kann ich jedoch sehr gut verstehen – bei all dem, was über ihn hereingebrochen ist.”


Freiwilliger Rücktritt


Tagesspiegel: Sarrazin verlässt die Bundesbank

Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin beendet seinen Vertrag vorzeitig. Man werde im gegenseitigen Einvernehmen die Zusammenarbeit zum Monatsende beenden, teilte die Bundesbank in Frankfurt mit.

Thilo Sarrazin wird Ende des Monats aus dem Vorstand der Bundesbank ausscheiden. Eine entsprechende Meldung der Bundesbank bestätigte Sarrazin am Abend in Potsdam. „Ich habe den Bundespräsidenten gebeten, mich mit Ablauf des 30. September vom Amt des Bundesbankvorstands zu entbinden“, sagte der frühere Berliner Finanzsenator. Der Vorstand habe den Entlassungsantrag beim Bundespräsidenten zurückgezogen und „Anwürfe, ich hätte mich gegenüber Ausländern diskriminierend geäußert, nicht aufrechterhalten“. [...]

Sarrazin machte in Potsdam, wo er am Donnerstagabend seine Lesereise durch Deutschland begann, klar, dass er sich weiter im Recht sieht. Er trete einen „strategischen Rückzug“ an, weil er keine Chance sehe, sich „gegen das Establishment aus Politik und großen Teilen der Medien durchzusetzen“. Er sehe sich angesichts der großen Zustimmung aber nicht als Außenseiter, „selbst in der SPD nicht“. Die Partei habe er auch nicht geschädigt; sein Buch sei „in großen Teilen eine sachliche Analyse“: „Trotz des Furors der letzten Tage ist kein einziger Fehler gefunden worden.“ Der SPD-Vorstand und Sarrazins Berliner Kreisverband betreiben seinen Ausschluss aus der SPD. [...]

Im ausverkauften Potsdamer Nikolaisaal wurde Sarrazin mehrfach von heftigem Applaus unterbrochen; vor der Tür protestierten etwa 150 Demonstranten gegen ihn.

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ORF: Einvernehmlicher Rückzug

[...] Wulff begrüßte die Bitte von Sarrazin nach seiner Entlassung. Wulffs Sprecher Olaf Glaeseker sagte am Donnerstag: „Der Bundespräsident wird dem Antrag von Herrn Sarrazin entsprechen und begrüßt die einvernehmliche Lösung mit der Deutschen Bundesbank.“

Keine weiteren Äußerungen


„Mit Blick auf die öffentliche Diskussion werden die Beteiligten ihre Zusammenarbeit zum Monatsende einvernehmlich beenden“, ließ die Bundesbank verlauten. Den Antrag auf eine vorzeitige Entlassung Sarrazins zog sie zurück.

„Der Vorstand der Deutschen Bundesbank und das Vorstandsmitglied Dr. Thilo Sarrazin sind sich ihrer Verantwortung für die Institution Deutsche Bundesbank bewusst“, hieß es in der Mitteilung. Der Bankvorstand dankte Sarrazin „für die von ihm als Mitglied des Vorstands geleistete Arbeit“. Beide Seiten würden sich in dieser Angelegenheit nicht mehr äußern, hieß es weiter.

Sarrazin hatte mit seinen Thesen zur angeblich mangelnden Integrationsfähigkeit von Migrantengruppen und weiteren provokanten Äußerungen für Kritik gesorgt. Die Bundesbank hatte daraufhin vergangene Woche seine Abberufung beantragt.


Debatte über Abfindung


Nach Angaben der Linkspartei, die sich auf ein Schreiben des Finanzministeriums bezog, steht Sarrazin bei einer Vertragsauflösung keine Abfindung zu. Der parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, Steffen Kampeter (CDU), habe mit seinen Auskünften zu der Abfindung auf eine Anfrage des Linken-Chefs Klaus Ernst reagiert, sagte ein Linken-Sprecher.

Linken-Vizeparteivorsitzende Katja Kipping mahnte die Bundesregierung dennoch, keinerlei finanzielle Entschädigungen für Sarrazin in Betracht zu ziehen: „Alle Verantwortlichen in Regierung und Bundesbank sind in der Pflicht, einen goldenen Handschlag für Sarrazin auszuschließen“, sagte sie dem „Hamburger Abendblatt“. Sie forderte die Offenlegung aller diesbezüglichen Angebote und Absprachen. [...]


Umstrittene Lesereise

Sarrazin startete unterdessen seine deutschlandweite Lesereise. Im ausverkauften Potsdamer Nikolaisaal las der ehemalige Berliner Finanzsenator vor etwa 700 Gästen aus seinem umstrittenen Buch „Deutschland schafft sich ab“. Das Publikum im Saal empfing den 65-Jährigen überwiegend mit Applaus; einige jubelten und begrüßten den Redner mit „Standing Ovations“.

Vor dem Gebäude protestierten dagegen zahlreiche Menschen unter dem Motto „Keine Toleranz gegen Rassisten“ gegen den Leseabend. „Sarrazin schafft sich ab“ stand auf einem Transparent an der Fassade eines Nachbarhauses.

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WELT: Sarrazin verlässt freiwillig die Bundesbank

[...] Sarrazin sagte, er habe in den vergangenen 14 Tagen «massiven Druck» gespürt. «Das war für mich nicht einfach.» Er habe sich überlegt, ob er es sich leisten könne, sich «mit der gesamten politischen Klasse in Deutschland anzulegen», sagte Sarrazin. «Diese Situation hält auf Dauer keiner durch.» Jetzt könne er noch auf vielen Veranstaltungen auftreten, ohne dass man sage, da spreche der Bundesbankvorstand. [...]