Landesregierung entscheidet über Bestattung ohne Sarg

Wer die Telefonnummer von Bahri Deniz wählt, schickt seine Toten meist auf eine weite Reise. Rund 70 Prozent der Verstorbenen, schätzt der islamische Bestatter, überführt er jährlich von Berlin aus nach Istanbul, Tunis oder Ankara.

"Hicret" heißt sein Unternehmen, was auf Deutsch "Auswanderung" bedeutet. Um Muslime eine Bestattung nach ihrer Tradition auch in Deutschland zu ermöglichen, will Berlin jetzt die Bestattung ohne Sarg im Leichentuch aus religiösen Gründen erlauben. Mit dem Vorhaben, das Teil des neuen Integrationsgesetzes ist, wird sich der Senat morgen erstmals befassen.

Die Aufhebung des Sargzwangs stößt dabei vor allem bei Bestattern auf Kritik. Problematisch sei die praktische Umsetzung, sagt Fabian Lenzen, Sprecher der Berliner Bestatterinnung. In der Türkei etwa steigt ein Verwandter bei der Beerdigung in das Grab, übernimmt dort den Leichnam und richtet ihn nach Mekka aus. Mit Blick auf Deutschland verweist Lenzen unter anderem auf die übliche Grabtiefe von 1,80 Meter und die damit verbundene Schwierigkeit, den Leichnam in das Grab zu betten. Durch das Austreten von Körperflüssigkeiten bestünden zudem Risiken für die an der Bestattung beteiligten Personen.

Kritik kommt aber auch aus den Reihen der Muslime. So ist Volkan Coskun, Direktor der islamischen Abteilung des Bestattungsunternehmens Ahorn-Grieneisen, entschieden gegen eine Bestattung nur im Tuch. Er bezieht sich auf ein islamisches Rechtsgutachten aus dem Jahr 1985, das gläubigen Muslimen die Bestattung auch in einfachen Särgen erlaubt.
MoPo

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"Hicret" = "Auswanderung"