Ein guter Artikel in der WELT, mit Bildern die die israelische Armee zur Verfügung stellte

Israels Botschafter stellt Gysi zur Rede

Nach der scharfen Kritik der Linkspartei am Sturm Israels auf die "Mavi Marmara" fordert Yoram Ben-Zeev Gregor Gysi auf, den Ton zu mäßigen.

Von T. Vitzthum und C. Wergin

Yoram Ben-Zeev ist ein Mann, der oft hinter den Kulissen das Gespräch sucht. „Ich rede mit allen Parteien, nur nicht mit den Nazis“, sagt Israels Botschafter WELT ONLINE. Deshalb ist es nicht das erste Mal, dass er sich mit Gregor Gysi von der israelkritischen Linken trifft. Diesmal ist es aber eine besonders heikle Mission. Denn Ben-Zeev begibt sich in die Fraktionsräume der Linken, die in den letzten Tagen zu so etwas wie der Zentrale der deutschen Israelkritik geworden sind.

Am Vortag hatten Abgeordnete und Mitglieder der Partei, die mit der „Mavi Marmara“ gereist waren, ihre Version der israelischen Kommandoaktion erzählt, bei der neun Menschen ums Leben kamen. Obwohl Bilder von israelischen Kamerateams die schweren Angriffe einer Gruppe von so genannten „Friedensaktivisten“ dokumentieren, sahen sie alle Schuld für die Eskalation auf Seiten Israels und brachten schwere Anschuldigungen vor. Attacken, die Ben-Zeev schwer akzeptieren kann. Deshalb ist er zu Gysi gekommen: Um Israels Position zu erläutern.

Eine Stunde dauerte das Gespräch. „Es war eine Unterredung in angenehmer Atmosphäre“, sagt Ben-Zeev. Er versuchte Gysi darzulegen, warum Israel den Konvoi für eine Propagandaaktion hält und nicht für eine humanitäre. Schließlich hätte man angeboten, die Ladung zu kontrollieren und sie dann auf dem Landweg nach Gaza zu bringen, was die Aktivisten abgelehnt hatten.

Ben-Zeev ist bereit, zuzugestehen, dass manche auf den Schiffen sich wirklich für die Menschen in Gaza einsetzen wollten. Aber ein Teil würde ganz andere Ziele verfolgen. Ben-Zeev wirft der Linken vor, sich an Israels Delegitimierung zu beteiligen. „Ich habe Gysi gefragt, wo denn die Linkspartei war, als moderate Palästinenser in Gaza von der Hamas abgeschlachtet oder aus Strafe in die Beine geschossen wurden. In diesen Fällen habe ich nie von der Linkspartei gehört, dass sie humanitäre Einwände gehabt haben und sicher nicht von denen, die am Konvoi teilgenommen haben.“ Er habe auch nie gehört, dass die Linke sich dafür einsetzte, die Menschen in Gaza von der Unterdrückung durch die Hamas zu befreien. Die Botschaft ist eindeutig: Euch geht es weniger um die Menschen in Gaza als um Kritik an Israel.

Aber Ben-Zeev ist Realist: „Ich kann nicht sagen, dass ich ihn überzeugt habe.“ Gysi sei dabei geblieben, dass die Blockade von Gaza aufgehoben werden müsse. Und er habe dem Botschafter einen langen Vortrag über linken Antizionismus gehalten. Gysi selbst wollte sich gegenüber WELT ONLINE nicht zum Gespräch äußern. Die Presseerklärung der Linken liest sich aber eher wie eine internationale Protestnote als eine Gesprächsnotiz.

Am Tag nach ihrer Rückkehr scheint die Wut über den Vorfall im Mittelmeer bei denen, die dabei waren, eher noch zuzunehmen. „Das Video ist zusammengestückelt worden, was weiß ich, woher das kommt“, sagt die Bundestagsabgeordnete der Linken, Annette Groth, im ZDF über die Aufnahmen von gewalttätigen Aktivisten und bezeichnet den israelischen Einsatz als Massaker. Auch Jan van Aken, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Partei und Leiter für internationale Politik sagt, dass die Aufregung weiter steige: „Solange Israel die Hoheit über die Bilder hat und das Material der Beteiligten nicht gezeigt werden darf, glaube ich keinem einzigen Bild.“

Dem Vorwurf, es sei gar nicht darum gegangen, Hilfsgüter nach Gaza zu bringen, sondern die Blockade zu brechen, widerspricht weder die Linke, noch die Organisation Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs (IPPNW), der sich die Linken-Abgeordneten angeschlossen hatten. „Es ging erstens darum, die Blockade zu brechen und zweitens um die Hilfslieferungen“, sagte van Aken. Deshalb habe man das israelische Angebot abgelehnt. „Damit hätte man sich direkt an der Blockade beteiligt.“ Die Vorsitzende von IPPNW, Angelika Claußen, sagte WELT ONLINE: „Es war unser Ziel, auf die Blockade aufmerksam zu machen und Hilfslieferungen nach Gaza zu bringen. Deshalb müssen Schiffe in Gaza anlegen dürfen“.

Türkische Zeitungen berichten, dass mindestens drei der vier Türken, die getötet wurden, zu „Märtyrern“ werden wollten. Alle vier türkischen Todesopfer stammten aus islamistischen Kreisen. Zwei waren demnach freiwillige Helfer der IHH, die den Schiffskonvoi geleitet hatte. Die israelische Regierung wirft der IHH vor, islamistische Terrorgruppen zu unterstützen. Die IHH weist das zurück. Während die Linke vor der Teilnahme am Konvoi keine nähere Recherche zur IHH betrieb, hielt die IPPNW die Organisation nach einer Überprüfung für unbedenklich. „Wir hatten keinerlei Bedenken. Das ist eine Hilfsorganisation. Der Sichtweise des israelischen Militärs schließen wir uns nicht an“, sagt Claußen.

Yoram Ben-Zeev ist derweil bestürzt über den Hass und die antisemitischen Anwürfe, denen auch seine Botschaft ausgesetzt ist. Deshalb hat er Gysi im Gespräch eindringlich zu verstehen gegeben, dass die ungezügelten Angriffe der Linken der Sache nicht dienen. Am Ende verlässt er die Höhle des Löwen mit dem Gefühl, dass Gysi sich zumindest für einen gemäßigteren Ton der Israelkritik einsetzen wird.

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