Box-Promoter Ahmet Öner spricht beim SPIEGEL darüber, dass er nie von den Jungs aus gutem Hause eingeladen wurde, die ihm später auch noch die Mädchen wegschnappten, was Wut erzeugt, dass er preußische Disziplin und das Bildungssystem in Deutschland gut findet und sein Sohn in eine internationale Schule geht, dass er bestimmte türkische Cafés meidet und Probleme im Umgang mit kubanischen Boxern mit zehn Goldkettchen um den Hals hat. Aufgewachsen ist er in Marxloh, was ist 'nicht die freundlichste Ecke Deutschlands' sei.

***

SPIEGEL-Gespräch

"Los, Ahmet, Rache!"

Box-Promoter Ahmet Öner, 38, über Schlägereien bei Kampfabenden, parteiische Ringrichter, seine Verstrickungen im Hamburger Milieu und die schwierige Aufgabe, kubanischen Profiboxern Disziplin beizubringen.

SPIEGEL: Herr Öner, der preisgekrönte Hamburger Regisseur Fatih Akin will Ihre Geschichte verfilmen. Er beobachtet Sie seit Wochen bei Kampfabenden, führt lange Gespräche mit Ihnen. Was wird das für eine Story?

Öner: Ich denke, die eines Gewinners, eines Mannes, der es von ganz unten nach oben geschafft hat, der als Profi im Ring stand, der jetzt als Promoter Verträge mit TV-Anstalten hat, der es all den Lackaffen im deutschen Boxen gezeigt hat.

SPIEGEL:
Es könnte auch die Geschichte eines Mannes werden, der kein Boxklischee auslässt: mit einem Ruf als Rüpel, der Rolex am Handgelenk, den Bodyguards, dem Bentley.

Öner: Ach, der Bentley. Wissen Sie, ich bin als Sohn türkischer Einwanderer im Duisburger Stadtteil Marxloh aufgewachsen, das ist nicht die freundlichste Ecke Deutschlands. Ich habe mir als Junge geschworen, wenn ich mal Geld habe, leiste ich mir auch mal was Besonderes. Ich habe jetzt Geld. Ich finde Sportwagen affig. Ich wollte eine Limousine. Bei Mercedes in Hamburg habe ich Hausverbot. Deshalb fahre ich jetzt eben Bentley.

[...]

SPIEGEL:
Sie waren als Jugendlicher Chef einer Gang, es gab verschiedene Drogendelikte, oft Ärger mit Türstehern.

Öner:
Aber ich habe die Kurve gekriegt. Ich habe das Abitur nachgemacht, sogar angefangen zu studieren. Und ich habe das Boxen für mich entdeckt. Das hat mich gerettet.

[... über Aggressivität und deren Ursachen:]

SPIEGEL:
Was ist los mit Ihnen?

Öner:
Es kommt alles aus meiner Jugend. Ich war immer der dumme Türke, der nie von den Jungs aus gutem Hause eingeladen wurde, später schnappten einem die guten Jungs die Mädchen weg. So entsteht die Wut. Ich habe das mit meinem Psychologen durchgesprochen.


SPIEGEL:
Sie gehen zum Psychologen?

Öner: Ich mache seit einigen Monaten eine Anti-Aggressions-Therapie. Es hilft. Ich raste heute nicht mehr aus, wenn ich mal im Stau stehe.

SPIEGEL:
Sie wurden im Februar vom Hamburger Amtsgericht zu einer 22-monatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt, unter anderem wegen Erpressung, Nötigung und Körperverletzung. Funktioniert das Boxgeschäft so, dass man mit Gewalt nach oben kommt?

Öner:
Nein. Der Boxsport wird heute vom Fernsehen gesteuert. Da kommt das Geld her. Und die Leute von den TV-Anstalten arbeiten nicht mit der Halbwelt.

[...]

SPIEGEL:
Sie haben in den vergangenen Jahren die Boxszene aufgemischt. Sie hatten Geldgeber, die Ihnen 20 Millionen Euro zur Verfügung stellten, um einen Boxstall aufzubauen. Sie gründeten ein Luxus-Trainingszentrum in Hamburg, buhlten bei Promoter-Kollegen um Talente, Sie halfen kubanischen Champions bei der Flucht und nahmen sie unter Vertrag. Irgendwann beschwerte sich Fidel Castro persönlich über Sie. Haben Sie viele Feinde?

Öner:
Es gibt in der Tat einige Leute, die mir meinen Erfolg nicht gönnen.

SPIEGEL:
Zwei dieser Leute lauerten Ihnen vorigen August in einem Hamburger Hinterhof auf. Es fielen Schüsse, Sie wurden im linken Bein getroffen.

[...] Wer hat geschossen?

Öner:
Darüber möchte ich nicht spekulieren.

[...]

SPIEGEL:
Sie haben Deutschland mittlerweile verlassen. Das Trainingszentrum gibt es nicht mehr. Die Geldgeber auch nicht. Sie arbeiten jetzt hauptsächlich in Florida und in der Türkei, wo Sie jetzt auch leben. War es eine Flucht?

Öner:
Man kann es als eine Art Flucht bezeichnen. Aber nicht vor den Leuten, die mich angegriffen haben. Sondern vor meinem früheren Leben.

SPIEGEL:
Was war das für ein Leben?

Öner:
Ich habe mich in einer Schattenwelt bewegt. Ich kannte das Milieu. Ich war da nicht aktiv. Aber ich war präsent. Ich war ein Zocker: Poker, Fußballwetten. Ich hing rum in Casinos, war Everybody's Darling. Es hieß immer: "Ja, da kommt der Öner, der ist cool, hat immer die Scheine locker in der Tasche."

[...]
Aber ich habe mich verabschiedet aus dieser Welt. Für mich gibt es das alles nicht mehr. Ich will es nicht mehr. Ich gehe auch in bestimmte türkische Cafés in Hamburg nicht mehr. Weil es nur Probleme bringt.

SPIEGEL:
Was war dort los?

Öner: Wenn man wie ich in der Color-Line-Arena verprügelt wird, dann heißt es in diesen Cafés: "Komm, Ahmet, Rache!" So geht das los. Und irgendwas bleibt hängen. Setzt sich in dir fest. Ich konnte damit nicht umgehen, ich wurde immer aggressiver, irgendwann dachte ich auch: "Okay, Rache!" Und das ist nicht gut. Weil es mich in meinem Beruf als Geschäftsmann natürlich behindert. Ich musste die alte Welt hinter mir lassen.

SPIEGEL:
Wann haben Sie gemerkt, dass Sie zu tief drinstecken?

Öner: Zum Ende meiner Verhandlung. Da hat es klick gemacht. Ich dachte mir: Lieber Gott, lass mich mit Bewährung davonkommen! Nun gehe ich meinen eigenen Weg. Ohne Einflüsterer, Ratschlaggeber. Aus Selbstschutz.

SPIEGEL: Sie sind nur noch selten in Deutschland, meist nur zu kurzen Geschäftsterminen. Haben Sie Angst vor einem Rückfall?

Öner:
Nein. Aber Deutschland ist für mich momentan kein gutes Pflaster. Die Staatsanwaltschaft in Hamburg hat mich, glaube ich, noch auf dem Kieker. Es ist schwierig. Aber ich werde zurückkehren. Ich würde gerne in München leben. Ich mag Deutschland, die preußische Disziplin, das gute Bildungssystem.

SPIEGEL:
Wirklich?

Öner:
Mein Sohn besucht die gleiche Internationale Schule im Hamburger Stadtteil Othmarschen, auf die auch der Sohn von Vitali Klitschko geht. Ich würde sogar meinen Bentley verkaufen, um meinem Sohn auch in Zukunft eine erstklassige Schulausbildung in Deutschland zu gewährleisten.

[...] Wobei mir manchmal der Spaß an der Sache [dem Promoten] ]schon abhandenkommt.

SPIEGEL: Wieso?

Öner: Ich glaube, ich will diesen Job nicht ewig machen. Es ist anstrengend, zermürbend. Es macht einen wahnsinnig, ständig mit kubanischen Boxern umgehen zu müssen. Die haben zehn Goldkettchen um den Hals hängen und jeden Tag eine neue Freundin.

[...]

Das ganze Interview beim SPIEGEL