focus.de: Familiendrama: Zweijähriger Junge aus Erkrath wurde zu Tode misshandelt

Düsseldorf, 13.05.2010, Michael Mücke

Hochdahl/Düsseldorf. Der Befund des Gerichtsmediziners war eindeutig: „Durch Verbluten nach innen durch äußere Gewalteinwirkung gestorben.“ Der Körper des zweijährigen Jungen war übersät mit Hämatomen. Das Kind starb an Misshandlungen. Ein Familiendrama in Erkrath.

Zu Tode misshandelt worden ist ein zweijähriger Junge in Erkrath. Die vielen Blutergüsse wurden bei ihm an allen Extremitäten, am Kopf und an den Genitalien festgestellt, berichtet später der Leiter der Düsseldorfer Mordkommission, Ulrich Moll. Am Rücken des toten Jungen fand man „eine „äußerst großflächige Verbrennung oder Verbrühung“. Einige der Verletzungen liegen wohl schon Wochen zurück. Unter Verdacht stehen die 31-jährige Mutter und ihr 22-jähriger Lebensgefährte. Gegen die Festgenommenen beantragte der Wuppertaler Staatsanwalt Heribert Kaune-Gebhardt Haftbefehl wegen Totschlags. Die beiden bezichtigen sich inzwischen gegenseitig.


Was war nur passiert?

Was war nur in diesem mehrgeschossigen Wohnhaus hinter den Türen der Familie am Eichendorffweg in Erkrath-Hochdahl passiert? Bei ersten Befragungen in der Nachbarschaft gab es noch keine eindeutigen Aussagen, dass dort ein Kind immer wieder misshandelt wurde, das dabei laut geschrien haben muss. Auch die Aussagen der Großeltern der beschuldigten Mutter, die im selben Haus wohnen, brachten die Ermittler erst mal nicht weiter.

Die Mutter und ihr Freund, mit dem sie seit März ein Verhältnis hatte, waren bei der Polizei bisher ein unbeschriebenes Blatt: keine Auffälligkeiten, keine früheren Straftaten. Beide stammen aus Russland. Er kam kurz nach der Geburt nach Deutschland, sie lebt seit fünf Jahren hier. Er hat seinen Job als Werkzeugmechaniker im vorigen Jahr verloren. Zuletzt waren beide arbeitslos. Die Mutter hatte neben dem zweijährigen Sohn drei Töchter im Alter von acht, zehn und zwölf Jahren zu versorgen. Der Vater, der sich vor einem Jahr von ihr trennte, hatte nur noch unregelmäßigen Kontakt zu seinen Kindern. Den Jungen sah er vor wenigen Wochen das letzte Mal.


„Uns hat das alles sehr erschüttert“

Über Gewaltausbrüche in der Familie war dem Jugendamt nach ersten Erkenntnissen nichts berichtet worden. „Uns hat das alles sehr erschüttert“, sagte Landrat Thomas Hendele auf einer Pressekonferenz am Donnerstag.

Tags zuvor, gegen 13.30 Uhr, alarmierte der Lebensgefährte der Mutter die Feuerwehr über den Notruf 112. Sofort rückten Rettungskräfte und der Kinder-Notarzt zum Eichendorffweg unweit der Sandheide aus. Das Kind lag leblos in der Wohnung der Großeltern. „Es war bereits tot“, sagte Kriminalhauptkommissar Udo Moll. Nach 35 Minuten gab der Notarzt die Wiederbelebungsversuche auf.

Routinegemäß wurde die Kripo Mettmann informiert, um den Leichnam in Augenschein zu nehmen. Schon auf den ersten Blick lag die Vermutung nahe, dass die zahlreichen Verletzungen des Kindes durch „stumpfe Gewalt“ herbeigeführt wurden. Sofort wurde eine Mordkommission mit Düsseldorfer und Mettmanner Kripobeamten gebildet.


Kind habe sich selbst verletzt

Die Mutter und ihr Freund bestritten im Verhör zuerst jegliche Tatbeteiligung. Das Kind, so deren erste Version, habe sich selbst verletzt. Es sei immer wieder gefallen, gestürzt und habe sich die Verbrennungen am Rücken mit einem Wasserkocher zugefügt.

Der Leiter der Mordkommission schüttelte den Kopf: „Der Junge ist viel zu klein, um den Wasserkocher zu erreichen“
, so Moll.

Die beiden Verdächtigen verwickelten sich in Widersprüche, zuletzt beschuldigten sie sich gar gegenseitig. Der Lebensgefährte behauptete, sie habe das Kind geschlagen und gegen die Tür gestoßen. Die 31-Jährige beteuerte ihre Unschuld, sagte schließlich: „Wenn ich es nicht gewesen bin, dann muss er es gewesen sein.“

Die Ermittlungen dauern an - auch im unmittelbaren Umfeld der Familie. Dass die Großeltern von den Verletzungen nichts gewusst hätten, bezweifelt die Polizei. Die Geschwister des toten Jungen werden in den nächsten Tagen sehr behutsam und vorsichtig befragt, versichert die Mordkommission. Die schockierten Mädchen wurden sofort in einer Jugendschutzeinrichtung untergebracht und damit der Familie bis auf Weiteres entzogen.