Kommentar

Griechenland - ein Fass ohne Boden

Von Christoph Grabenheinrich, SR, ARD-Hauptstadtstudio

Schaut man sich die Teilnehmerliste der Krisengespräche zur Finanzhilfe für Griechenland an, könnte man meinen, es sei um nichts gegangen. Wie anders lässt sich erklären, dass die Fraktionschefs von Union, FDP und SPD offenbar wichtigeres zu tun hatten, als sich zu informieren? Gerade weil längst klar ist, dass auch Deutschland zur geplanten Rettung beitragen wird und zwar rund 25 Milliarden Euro in einem Drei-Jahres-Zeitraum, wäre das aber doch wohl das Mindestmaß an politischer Professionalität gewesen.

Doch das Verhalten reiht sich nahtlos ein ins Regierungshandeln. Wochenlang tat die Regierung so, als ob Finanzhilfen für Griechenland so gut wie ausgeschlossen seien. Entweder war das die Vogel-Strauß-Taktik vor der Landtagswahl in NRW oder kalkuliertes Zocken der Kanzlerin, um den Spardruck auf Athen zu erhöhen.

Überhaupt: Es wurde gemahnt, gezögert, nach Sündenböcken gesucht, auch die Opposition machte keinesfalls eine gute Figur, missbrauchte das Thema genauso für den Wahlkampf. Getreu dem Motto: Krise? Welche Krise? Dabei geht es um nicht weniger als die Zukunft des Euro. Der Währung, die uns in der Finanzkrise vor Schlimmeren bewahrt hat, die stabiler ist, als Kritiker je gedacht hatten, von der vor allem die Exportnation Deutschland profitiert hat.

Die geplante Rettung Griechenlands ist dabei ein Experiment mit völlig offenem Ausgang, miesen Erfolgschancen und in meinen Augen ohnehin der falsche Weg. Oberstes Ziel hätte sein müssen, die Zukunft des Euro zu sichern, notfalls ohne Griechenland, statt sämtliche Stabilitätskriterien aufzuweichen, dem Euro so weiter zu schaden. Denn der Niedergang der Gemeinschaftswährung begann, als Athen sich mit gefälschten Zahlen den Beitritt zur Eurozone erschlich - Vorspiegelung falscher Tatsachen zum Schaden aller. Egal, ob sich Griechenland mit frischen Milliarden noch für einige Monate zahlungsfähig und somit künstlich am Leben erhalten lässt, Schaden hat der Euro längst genommen.

Wie also weiteren abwenden? Ich glaube, dass uns Finanzhilfen dabei nicht helfen, schon allein, weil sie zu spät kommen. Dafür werden sie uns deutlich teurer zu stehen kommen als alles andere. Die Milliarden werden fließen und erfolglos versickern. Nun rächt sich, dass auch Europa aus der Finanzkrise nichts gelernt hat, weder Leerverkäufe noch den Handel mit Kreditausfallversicherungen verbot, die Rating-Agenturen nicht stärker einschränkte, dem Finanzmarkt und seinen zügellosen Spekulanten keine Fesseln anlegte.

Griechenland hingegen ist für eine neue Schockwelle im Banksektor wirtschaftlich zu unbedeutend, für ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone oder gar den Niedergang des Euro ebenfalls. Das mag zynisch klingen, ist aber ökonomische Realität. Kaum ein Experte sieht noch echte Chancen, dass die Milliarden je zurückgezahlt werden, nicht nur, weil die EU-Kreditgeber lediglich als nachrangige Schuldner gelten werden, als letzte ihr Geld zurück bekämen, sogar erst nach Zockern und Spekulanten.

Viele Ökonomen bezweifeln zudem, dass das geplante Rettungspaket überhaupt ausreicht, glauben, dass es bestenfalls dazu dient, die griechische Tragödie zu verlängern, nicht aber, um sie zu stoppen. Längst ist klar, dass der griechische Finanzbedarf erneut höher liegt als gedacht, bis zu 120 Milliarden Euro muss Athen allein in den nächsten drei Jahren tilgen.

Ein Fass ohne Boden, das kaum noch abzudichten ist. Schlechtem Geld gutes hinterher zu werfen, war noch nie eine gute Idee. Auf hohe Ausfälle müssen sich deutsche Wirtschaft und Banken ohnehin einstellen. Auch die internationalen Finanzhaie werden sich kaum beeindrucken lassen, sich schon bald im Blutrausch auf das nächste potentielle Spekulationsopfer stürzen. Seien es Portugal, Italien oder Spanien.

Und dann? Die Rettung Griechenlands könnte sich die EU eventuell so gerade noch leisten, die größerer Mitglieder keinesfalls. Nahezu alle Europäer sind sich deshalb längst einig: Künftig wäre es das Beste, wenn diejenigen, die sich nicht an Stabilitätspakt und Euro-Regeln halten können oder wollen, die Euro-Zone verlassen würden. Was also soll daran heute falsch sein?

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