PADERBORN
nw-news: Wenn Toleranz Angst macht

Muslime und Deutsche diskutieren in Paderborn über Minarettbauten - VON ANDREAS GÖTTE

Paderborn. Eigentlich sollte das Minarettverbot in der Schweiz diskutiert werden - durch den geplanten Bau eines Minaretts in Bad Lippspringe (die NW berichtete) bekam die Diskussionsveranstaltung des Arabisch-Deutschen Freundeskreises und der Deutsch-Türkischen Gesellschaft in der Kulturwerkstatt am Freitagabend eine ganz aktuelle Note.

Eines wurde schnell klar: Ein Mix aus Ängsten, Vorurteilen und Halbwissen hilft nicht weiter und kocht im Gegenteil die Emotionen eher hoch.

Referent Gerhard Duncker, Kirchenrat der Evangelischen Kirche in Westfalen, steht der Haltung der Schweizer ablehnend gegenüber. "Wir halten uns hier an den Rechtsstaat und haben Religionsfreiheit. Wenn das Baurecht eingehalten wird, ist dagegen erstmal nichts einzuwenden", führte der Gast aus Bielefeld aus. Es müsse jedoch im Einzelfall nach Lösungen gesucht werden, mit denen alle leben könnten.


Situation für Christen im Islam verbessern

Dennoch könne er auf der anderen Seite die Ängste der Deutschen verstehen. Wegen negativer Schlagzeilen in den Medien habe der Islam ein schlechtes Image. "Und das macht den Menschen Angst", betonte Duncker, der seine vier Jahre in der Türkei als "schön und glücklich" bezeichnete. Er habe allerdings nur vorübergehend dort gelebt und sich dabei - durch den diplomatischen Dienst - eher in einem geschützten Raum bewegt. Nach Meinung Dunckers könnte eine Verbesserung der Situation von Christen in islamischen Ländern für den Umgang miteinander in Deutschland hilfreich sein. Das würde die Integration vereinfachen. Die vielen Muslime unter den rund hundert Zuhörern wollten im Verlauf des Abends vor allem mehr über die Ängste der Deutschen erfahren.

Doch Moderatorin Susanne Stork (Radio Hochstift) hatte vor allem muslimische Gäste vor ihrem Mikrophon. Die Einheimischen hielten sich vornehm zurück - vielleicht aus eben dieser vielzitierten Angst, die Wolfgang Weigel zu konkretisieren versuchte. "Es ist die Angst der Deutschen vor einem politischen Islam, vor einer Verschmelzung von Staat und Kirche", erklärte der Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Gesellschaft. Er forderte die hier lebenden Muslime auf, sich an der Demokratie zu beteiligen, damit sie nicht nur als Repräsentanten der Religion gesehen würden. Eine gute Möglichkeit dazu sei beispielsweise die Wahl zum Integrationsrat in Paderborn am 7. Februar.

Ömer Karaca, Sprecher der ins Rampenlicht geratenen Moschee in Bad Lippspringe, betonte, nicht brachial das Recht durchsetzen zu wollen, sondern mit den Kirchen und der Politik zu reden. Ein Minarett sei kein Machtsymbol. "Ich frage mich nur, ob bei den Deutschen auch die Bereitschaft zur Integration da ist", so der Sprecher. Diese Vermutung wies Duncker zurück. An Tagen der offenen Tür würden fünf Mal mehr Christen in die Moschee gehen als Muslime in die Kirchen. Das Exekutivkomitee-Mitglied der Mitte-Ost-Kommission der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) macht sich deshalb auch für islamisch-theologische Fakultäten und mehr Lehrer für islamische Religion an öffentlichen Schulen und Universitäten stark.


Religion ist wieder präsent

Ein Gutes hat aber auf jeden Fall die Diskussion um den Minarettbau in Bad Lippspringe - und darin waren sich alle Beteiligten einig - das Thema Religion ist wieder öffentlich präsent und bekommt dadurch eine neue Chance. Denn eines macht auch Gerhard Duncker Angst und nennt es die "negative Religionsfreiheit": "Viele verstehen unter der Religionsfreiheit, dass Religion aus der Öffentlichkeit verschwindet", so der evangelische Theologe.