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  1. #1

    Gegen die Verengung des deutschen Widerstands auf Graf von Stauffenberg

    Die Verengung des deutschen Widerstandes auf Graf von Stauffenberg ist mir schon seit längerem ein Dorn im Auge. Abgesehen davon, daß von Stauffenberg ja durchaus Angriffsflächen bietet, spielte er auch (wenn man die politische Vorbereitung des Umsturzes und die Zusammenführung der verschiedenen Widerstanskreise als Maßstab nimmt) eine vergleichsweise unwichtige Rolle.



    Als "Außenminister" des Kreisauer Kreises hatte Adam zu Trott zu Solz im Schattenkabinett Beck/Goerdeler eine äußerst wichtige Schlüsselrolle inne. Schließlich war ja Krieg und bei der Wehrmacht wollte man natürlich wissen, wie dieser Krieg ausgehen würde, wenn man sich bei dem Umsturz beteiligen würde …

    Aus einer Rezension zu Doppelspiel - Adam von Trott zu Solz im Widerstand gegen Hitler:

    Adam von Trott zu Solz gehört zumindest in Deutschland zu den weniger bekannten Widerstandskämpfern. Das ist in England und den USA deutlich anders: Dort verbindet man den Widerstand gegen Hitler nicht mit Graf von Stauffenberg, sondern mit Adam von Trott und damit zugleich mit der Frage, ob die westlichen Alliierten dem deutschen Widerstand genügend Unterstützung zukommen oder ob sie ihn auflaufen ließen, da sie längst auf eine bedingungslose Kapitulation Deutschlands setzten. In Großbritannien spricht man in diesem Zusammenhang von einer “Trott-Kontroverse”.

    Wer ist dieser Adam von Trott zu Solz? Innerhalb des Kreisauer Kreises war er einer der wichtigsten Köpfe; das außenpolitische Programm der Aufständischen geht vor allem auf ihn zurück. Wäre der Aufstand des 20.Juli 1944 gelungen, wäre er voraussichtlich Staatssekretär im Außenministerium geworden. Der Autor Henric L. Wuermling, langjähriger Fernsehredakteur beim Bayerischen Rundfunk, schreibt in dieser ersten deutschen Biografie über von Trott:

    "Ich glaube nicht, dass bei der ganzen Aktion irgendein einzelner Mann so viele Fäden in seiner Hand gehalten hat wie Adam von Trott."

    Ebenso wie Graf von Stauffenberg begreift von Trott den Umsturzversuch nicht nur als militärischen Staatsstreich, sondern knüpft die Fäden zum politischen Widerstand, wobei er auf die Gesamtheit des politischen Spektrums setzt - angefangen von konservativen, christlichen, sozialdemokratischen bis hin zu kommunistischen Widerstandsgruppen. Doch anders als Stauffenberg stand von Trott von Jugend an den Nationalsozialisten kritisch gegenüber; bereits vor 1933 trat er öffentlich gegen Hitler auf.

    Von Trott ist ein aufstrebender, junger, kritischer Student, dem seine hessische Heimat bald zu eng wird. In München erlebt er in seinen ersten Studienjahren mehrfach Adolf Hitler und wundert sich, wie es diesem gelingt, das Publikum in seinen Bann zu ziehen.

    ...


    Sehr interessant ist auch Carl Friedrich Goerdeler, der als Reichskanzler vorgesehen war! Zum Verhältnis zwischen Kreisauer Kreis und Goerdeler Kreis heißt es in der WP'ia in dem Artikel zu von Trott:

    Mit Hassell und Johannes Popitz vereinbarten Trott und Gerstenmaier eine Begegnung zwischen den Wortführern des jungen, idealistischen Kreisauer Kreises und den konservativen Widerstandskämpfern um Goerdeler. Zwischen den Gruppen gab es erheblich Vorbehalte: Goerdeler nannte Moltke bisweilen einen „Salonbolschewisten“, während dieser der Gruppe Beck/Goerdeler den Titel His Majesty's most loyal opposition gab.
    Hinsichtlich der Positionen Goerdeler ist dieser Artikel von der bpb recht aufschlußreich. Man findet darin z.B. eine Denkschrift Goerdelers an die Generalität aus dem Jahre 1943, in der es heißt:

    Das deutsche Volk hat in allen seinen Schichten, insbesondere in der Arbeiterschaft, dies erkannt. Stalingrad, die Zerstörungen durch Luftangriffe und die Schließungen von Geschäften haben diese Erkenntnis wesentlich gefördert. Das Volk hat, von Teilen der Intellektuellen abgesehen, das Vertrauen zu Hitler verloren, soweit dies je wahrhaftig vorhanden und nicht durch Demagogie erschlichen war. [...] Ein Mann kann führen, entweder durch die Stärke seiner sittlichen Kraft oder durch Erfolge. Fehlt, wie hier, jene vollkommen und hören diese auf, so ist er erledigt. Das Volk ist nicht nur reif, sondern es wartet, daß eine rettende Tat geschieht. [...]

    Wie ist es möglich, daß das so anständige deutsche Volk so lange ein so unhaltbares System trägt? Die Erklärung ist einfach: nur weil sich alle Verstöße gegen Recht und Anstand im Schutze der Geheimhaltung und unter dem Druck des Terrors vollziehen. Dies ändert sich mit einem Schlage, wenn das Licht der Wahrheit in aller Öffentlichkeit auf die unhaltbaren Zustände gerichtet wird. Man stelle dem deutschen Volk in klaren Worten, aber öffentlich, dar, was es im geheimen schon weiß und bespricht: nämlich die Folgen unfähiger militärischer Führung, das Übermaß von Korruption, die zahllosen Verbrechen, die mit unserer Ehre nicht vereinbar sind, und richte dann öffentlich an alle die Frage, wer bereit ist, diesen Zustand gutzuheißen, und wer es für richtig hält, daß er bestehen bleibt. Ich übernehme die Bürgschaft dafür, daß niemand dann vortritt; denn es gibt in der ganzen Welt niemand, selbst keinen geborenen Verbrecher, der sich öffentlich zu einem System der Verbrecher bekennt.

    Es ist ein großer Irrtum anzunehmen, daß die seelische Kraft des deutschen Volkes erschöpft sei; sie ist nur geradezu planmäßig verschüttet. Es ist also die Aufgabe einer rettenden Tat, die Deckmasse, d. h. das Geheimnis und den Terror, hinwegzuräumen, Recht und Anstand wiederherzustellen und damit einen ungeheuren seelischen Kraftzuwachs frei zu machen.
    Hier noch eine Rede zum 100. Geburtstag von Trotts auf den Seiten des Auswärtigen Amts. Staatssekretär Reinhard Silberberg (SPD) betrachtet zu Trotts Biographie und seine Überzeugungen im Lichte des 60. Jubiläums des Grundgesetzes und nutzt zu Trott dazu, die heutige Ordnung entsprechend zu preisen und zu loben ...
    Denn die Waffen unsres Kampfes sind nicht fleischlich,
    sondern mächtig im Dienste Gottes, Festungen zu zerstören.
    Wir zerstören damit Gedanken und alles Hohe, das sich erhebt gegen die Erkenntnis Gottes,
    und nehmen gefangen alles Denken in den Gehorsam gegen Christus.
    (2. Kor. 10, 4-5)

  2. #2

    AW: Gegen die Verengung des deutschen Widerstands auf Graf von Stauffenberg

    „Warum wurde die Opposition in Deutschland nicht gestärkt?“, fragte kürzlich die EKD-Ratsvorsitzende Frau Dr. Käßmann in der Berliner Zeitung.:

    Von diesem Land ist ein schrecklicher Krieg ausgegangen. Wie hätte man dem anders begegnen können, als mit Gewalt?

    Das Argument lautet immer: Hätten die Alliierten nicht eingegriffen, hätte es keinen Frieden gegeben. Warum gab es vorher keine Strategien? Warum wurde die Opposition in Deutschland nicht gestärkt? Warum wurden die Gleise, die nach Auschwitz führten, nicht bombardiert? Schließlich heißt es immer: Jetzt müssen wir Waffen einsetzen. Der Preis, der dafür zu zahlen ist, ist enorm hoch.

    Appeasement-Politik hat Hitler wenig beeindruckt.

    Dennoch: Krieg setzt ein Gewaltpotenzial frei, für das ich keine Rechtfertigung sehe. Krieg hat Unrecht, Zerstörung, Vergewaltigungen im Schlepptau. Krieg zerstört alle, die an ihm beteiligt sind. Ich hatte in jüngster Zeit Soldaten zu Besuch, die mit ihren Erlebnissen nicht fertig werden. Es ist gut, dass es zu diesen Weihnachten ein verstärktes Bewusstsein dafür gibt.
    Eigentlich eine gute Frage!

    Mein Versuch zu einer Antwort: http://wp.me/pzNay-3Q
    Denn die Waffen unsres Kampfes sind nicht fleischlich,
    sondern mächtig im Dienste Gottes, Festungen zu zerstören.
    Wir zerstören damit Gedanken und alles Hohe, das sich erhebt gegen die Erkenntnis Gottes,
    und nehmen gefangen alles Denken in den Gehorsam gegen Christus.
    (2. Kor. 10, 4-5)

  3. #3

    AW: Gegen die Verengung des deutschen Widerstands auf Graf von Stauffenberg



    Eine streitbare Patriotin: Margret Antonie Boveri

    Eine Kurzzusammenfassung zu einer ebenfalls bemerkenswert geradlinigen deutschen Biographie ;)

    Hier ein Satz aus ihrem Hauptwerk:

    “England braucht in Deutschland keinen Secret Service mehr; die Deutschen selbst kommen ja in Scharen zu uns und erzählen alles,” stellte Robert Vansittart 1939 zynisch fest.
    Das sagte er, weil er vom deutsche Widerstand offenbar mehr relevante Informationen bekam, als von seinem depperten Geheimdienst. Auf Vansittart geht der Vansittartismus zurück, der in Großbritannien bis heute kontrovers diskutiert wird. Bei uns nennen sich die Vansittartisten "Antideutsche".
    Denn die Waffen unsres Kampfes sind nicht fleischlich,
    sondern mächtig im Dienste Gottes, Festungen zu zerstören.
    Wir zerstören damit Gedanken und alles Hohe, das sich erhebt gegen die Erkenntnis Gottes,
    und nehmen gefangen alles Denken in den Gehorsam gegen Christus.
    (2. Kor. 10, 4-5)

  4. #4

    AW: Gegen die Verengung des deutschen Widerstands auf Graf von Stauffenberg

    Bezeichnend ist übrigens auch, daß man es den Deutschen nach Kriegsende verbot, sich ein eigenes Bild über den deutschen Widerstand zu machen:

    Amerikaner und Engländer ließen es nicht zu, daß in ihren Besatzungszonen Bücher über den Widerstand erschienen. Sie hatten sich nach vielen Gesprächen mit Verschwörern ein Bild über das „andere Deutschland“ gemacht. Robert Vansittart, Berater der britischen Regierung, erkannte in ihnen, wie viele englische und amerikanische Politiker, den „alten Adam“ – Junker des abscheulichen Preußentums, das es zu bekämpfen galt – wie den Hitlerismus.

    Fabian von Schlabrendorffs Buch „Offiziere gegen Hitler“, Rudolf Pechels „Deutscher Widerstand“, sogar die Studie „Verschwörung in Deutschland“ von Allen W. Dulles, der während des Krieges als amerikanischer Spionage-Resident für Europa in Bern mit Männern vom Widerstand Kontakt gehabt hatte (und später Chef des US-Geheimdienstes CIA wurde), standen auf dem alliierten Index. Erst das Buch „Die deutsche Opposition gegen Hitler“ des in die USA emigrierten Königsberger Historikers Hans Rothfels, das 1948 drüben herausgekommen war, durfte, ein Jahr danach, auch in der Bundesrepublik erscheinen.

    Das erzwungene Schweigen über dieses Kapitel jüngster deutscher Vergangenheit brachen Männer vom Schlage des einstigen Kommandeurs Remer vom Wachbataillon „Großdeutschland“, das dem Widerstand, als er schon zusammengebrochen war, den letzten Stoß versetzt hatte, auf ihre Weise.
    Denn die Waffen unsres Kampfes sind nicht fleischlich,
    sondern mächtig im Dienste Gottes, Festungen zu zerstören.
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    und nehmen gefangen alles Denken in den Gehorsam gegen Christus.
    (2. Kor. 10, 4-5)

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