Von Ansgar Lange

André F. Lichtschlag ist einer der interessantesten Publizisten in Deutschland Mit seinem libertären Monatsmagazin „eigentümlich frei“ (www.ef-magazin.de) mischt er die deutschen Medienszene auf. Dort liest man Artikel und Kommentare, die man in der sogenannten Qualitätspresse und auch den Regional- und Lokalblättern schmerzlich vermisst und im Ausland zum Beispiel in der „Weltwoche“ von Roger Köppel findet. Für „eigentümlich frei“ schreiben Libertäre, Ordoliberale und Konservative mit nationalem oder christlichem Einschlag und sicher noch viele andere Vertreter bestimmter Denkrichtungen. Lichtschlag selbst plädiert im Zweifel immer für die Freiheit. Sein Editorial endet stets mit dem schönen Satz: „Kein Fußbreit den neosozialistischen Ausbeutern aller Parteien! Mehr netto!“ Sein Ruf möge endlich erhört werden. Doch der Blick auf den eigenen Gehaltszettel belehrt einen eines besseren.

Anders als viele religions- und kirchenfeindliche Journalisten hält er nichts davon, Religionen zu neuen Feindbildern zu machen. Zurzeit ist ja beispielsweise eine ungeheure Hetzkampagne gegen die katholische Kirche im Gange. Es mag manche überraschen, doch Lichtschlag hält überhaupt nichts davon, den Islam zu einem neuen Feindbild zu machen. In seinem knapp über 60-seitigen Essay beleuchtet er vielmehr die „Schauplätze verfehlter Einwanderungs- und Sozialpolitik“. Nach Ansicht des Autors leben wir in einer neosozialistischen Gesellschaft, die ähnlich der realsozialistischen vor 20 Jahren vor dem Offenbarungseid steht. Sozialistische Menschenversuche bestehen in der Regel aus vier Komponenten: Eigentumszerstörung, Religionszerstörung, Familienzerstörung, gekoppelt an die Utopie der sozialen Gleichheit.

Nicht der Islam ist das Problem, unter welchem Deutschland wie auch andere Länder des Westens leiden. „Sarrazin hat trotzdem recht“, schreibt Lichtschlag. „Viele real existierende Einwanderer in Deutschland wie in der Schweiz – und mehr noch in Frankreich oder Belgien – sind ein großes Problem. Der Anteil des ‚Prekariats’ unter den Türken und vor allem Arabern ist insbesondere in Berlin augenfällig höher als unter den ‚Einheimischen’. Doch das ist ein durch Einwanderungspolitik und Sozialstaatlichkeit hervorgerufenes Übel,(…) weniger eines der Religion.“ Viele Menschen in Deutschland empfinden so, doch ihre Meinung wird von den etablierten Medien und den Politikern nicht artikuliert. Sie sind die sprichwörtliche schweigende Mehrheit. Dies ist in unseren Nachbarländern Holland und Schweiz anders. Dort gibt es „rechtspopulistische“ Parteien, die die Sorgen und Ängste und sonstigen Befindlichkeiten ihres Volkes mehr oder weniger ernst nehmen und sagen, was Sache ist. Interessanterweise sind diese „Rechtspopulisten“ in puncto Wirtschaftspolitik (z. B. Geert Wilders in den Niederlanden) oft richtige Sozialisten.

„Klein-Kairo“ oder „Neu-Ankara“, so führt Lichtschlag aus, in Teilen Berlins wurden erst zum Objekt der Wut, weil sich die Bewohner dieser Stadtviertel von der deutschen Mehrheitsgesellschaft über den Sozial- und Umverteilungsstaat millionenfach aushalten lassen. Zahlreiche Deutschen haben es schlicht satt, dass sie zu Fremden im eigenen Land geworden sind und von der vermeintlichen „Elite“ dieses Landes gegenüber „Migranten“ systematisch benachteiligt werden, obwohl dies im deutschen Staatsfernsehen oder den staatstragenden und politisch korrekten Medien regelmäßig anders dargestellt wird. Wenn in Berlin 70 bis 80 Prozent der arabischen Großfamilien von Hartz IV leben, dann wundert es einen schon, dass es nicht schon längst „geknallt“ hat und die Mehrheitsgesellschaft diese für sie unmögliche Situation weiterhin so lammfromm „erduldet“. Nicht ohne Grund erpresst man den deutschen Michel permanent mit der Vergangenheit (der berühmte Mohlersche „Nasenring“), die einfach nicht vergehen will oder erklärt zum Beispiel die Griechenlandhilfe quasi zu einer Frage von Krieg und Frieden. Doch wie lange kann man die immer mattere Melkkuh noch melken? Wann wird sie keine Milch mehr geben, weil die Mittelschicht immer mehr unter den Lasten ächzt, die man ihr aufdrückt und viele besonders kluge Köpfe das Land frustriert verlassen?

Aber ist es nicht vielleicht doch die Religion – in diesem Fall der Islam – das Problem, denn nur Gutgläubige leugnen, dass wir in Deutschland vorwiegend ein Problem mit Türken haben, während die Franzosen mit den Arabern und die Engländer mit den Pakistanis ihre liebe Not haben? Mit Religion hat dies alles nicht viel zu tun, macht Lichtschlag mit einem Blick auf die amerikanischen Verhältnisse deutlich: „Fragen wir einen weißen, durchschnittlichen US-Amerikaner, stoßen wir auf einen irritierenden Hinweis. Auch in den USA nämlich ist diesseits politisch korrekten Flüstertons eine Bevölkerungsgruppe ähnlich unbeliebt, weil sie weit mehr als andere bezuschusst und systematisch bereits in der Schule sowie zunehmend auch durch Sondergesetze am Arbeitsplatz bevorzugt wird und gleichzeitig weit überdurchschnittlich die dort etwas kleinere soziale Hängematte in Beschlag hält. Auch sie scheffelte weidlich die Zuchtprämien und erhöhte fauststark und messerscharf die Kriminalitätsrate. Auch der weiße US-Amerikaner lernt dabei von klein auf, für die Seinen am zivilreligiösen Schamaltar Buße zu tun. Allerdings sind die Türken Amerikas nicht nur schwarzhaarig, sonder auch in kräftigeren Tönen dunkelhäutig. Und sie sind meist Christen, keine Moslems.“

Lichtschlag ist voll und ganz zuzustimmen: Die westeuropäische Einwanderungs- und Sozialpolitik ist im Kern zutiefst asozial – zumindest gegenüber der einheimischen Mehrheitsgesellschaft und hat sich „in historischem Ausmaß schuldig gemacht“. Mittelfristig sei ein Bürgerkrieg in Europa nur zu verhindern, wenn die sozialstaatlichen Anreize wie in den USA massiv beschnitten werden und die systematische kulturelle, soziologische, politische, rechtliche und wirtschaftlichte Bevorzugung von „Migranten“ gegenüber Einheimischen eingestellt wird. Dabei käme eine Kürzung und am Ende Abschaffung von Sozialhilfe, die in der Praxis nur schrittweise erfolgen kann, am Ende insbesondere auch den Einheimischen zugute. „Menschen, die selbst täglich für ihren Unterhalt aufkommen müssen, haben weder Zeit noch Interesse, in brutalen Banden die Straßen unsicher zu machen, islamistische Terrorideologien zu studieren oder den ganzen Tag vor dem Fernseher zu gammeln und dabei die eigenen Kinder zu vernachlässigen – jene jüngsten, allzu oft auch deutschen Opfer des hiesigen Irrsinns, die zuweilen lediglich aufgrund der Prämien des Sozialamtes und nicht etwa aus Liebe in die Welt gesetzt wurden“, so Lichtschlag. Sein knackig formulierter Essay hat es verdient, dass man über seine Thesen diskutiert. Es ist nämlich höchste Zeit für Klarheit und Wahrheit in der Debatte über unsere verlogene und verantwortungslose Sozial- und Einwanderungspolitik.

André F. Lichtschlag: Feindbild Muslim. Schauplätze verfehlter Einwanderungs- und Sozialpolitik. Manuscriptum: Waltrop 2010, gebunden, 63 Seiten, 7,80 Euro.




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