Hassprediger in Schweizer Moscheen

Von Christian von Burg. 26.10.2009

Immer wieder versuchen islamische Fundamentalisten hierzulande in Moscheen Fuss zu fassen. Die meisten Schweizer Muslime mögen nicht darüber sprechen. Sie fürchten, als Verräter dazustehen.

Die Schweizer Muslime sind es leid, sich dauernd verteidigen zu müssen. Seit den Terrorattacken vom 11. September 2001 stehen sie unter Verdacht, mit islamistischen Fanatikern unter einer Decke zu stecken. Die Minarett-Initiative nimmt die in der Schweizer Bevölkerung latent vorhandene Angst vor zunehmendem Fundamentalismus und möglichen Anschlägen auf. Dabei fällt es selbst den meisten Schweizer Muslimen schwer, einzuschätzen wie weit der Fundamentalismus unter ihren Glaubensbrüdern verbreitet ist. Fragt man sie danach, so sind die Antworten oft verharmlosend.

Farhard Afshar etwa, einer der führenden Köpfe unter den Muslimen in der Schweiz, spricht von «Islamophobie» und «stereotypen Vorstellungen», die bei gewissen Schweizern gegenüber den Muslimen immer wieder auftauchten. Niemand komme auf die Idee, dass katholischer oder protestantischer Terror aus Nordirland auf die Schweiz überschwappen könnte – beim islamischen Fundamentalismus sei dies aber ständig ein Thema, sagt Afshar. Er präsidiert die Koordination Islamischer Organisationen in der Schweiz und lehrt in Bern Soziologie. «Ich will nicht behaupten, dass es keinerlei radikale Umtriebe gibt», sagt er, «aber in den Zentren der organisierten Muslime sind mir keine solche Fälle bekannt.» Es gebe in der Schweiz keine Moscheen, in denen zum Extremismus aufgerufen werde.


«Musik hören streng verboten»

Dem «Tages-Anzeiger» liegen jedoch glaubwürdige Informationen vor, dass auch in Schweizer Moscheen immer wieder fundamentalistische Prediger auftauchen. Sie lassen etwa Zettel mit wahhabitischen Glaubenssätzen anschlagen: «Musikhören ist streng verboten im Islam» ist dann zu lesen, oder: «Ein guter Muslim sollte sich den Bart wachsen lassen und den Schnauz rasieren.» Der Wahhabismus ist eine konservative und dogmatische Richtung des sunnitischen Islams, der in Saudiarabien als Staatsdoktrin gilt.

Strenggläubigkeit darf nicht mit Gewaltbereitschaft verwechselt werden. Doch auch den hiesigen Muslimen gehen entsprechende Predigten zu weit – wenn etwa der Westen vollkommen dämonisiert wird: In Sitten wurde vor sechs Jahren das Arbeitsgesuch eines wahhabitischen Predigers abgelehnt, weil er einen zu radikalen Hintergrund hatte. Vertreter der Moschee reichten gar Strafanzeige gegen radikale Exponenten ein, welche die Moschee besuchten.

Gemässigte Schweizer Muslime versuchen immer wieder, sich zu wehren gegen drohenden Einfluss extremistischer Prediger. Der Inlandgeheimdienst, Dienst für Analyse und Prävention (DAP), bestätigt: «Auch in anderen Kantonen und in jüngerer Zeit gab es Hinweise von Besuchern und Verantwortlichen von Moscheen auf radikale Aktivitäten und Exponenten.» Der Geheimdienst spricht von einer «Strategie islamischer Extremisten, in gemässigten Moscheen aufzutreten, den Imam als inkompetent zu verleumden und durch aggressive Präsenz zu versuchen, die Kontrolle über die Moschee zu übernehmen». Diese Strategie stosse aber «in den meisten Moscheen der Schweiz» auf wirksamen Widerstand.


Kaum Selbstkritik bei Muslimen

Wer mit gläubigen Muslimen über dieses Thema sprechen will, stösst auf grosse Zurückhaltung. Denn gegen aussen ist eine Verteidigungshaltung vorherrschend. Meist siegt die Angst davor, die eigene Ehre zu verletzen und als Verräter dazustehen. Dabei könnten gläubige Muslime die soziale Kontrolle in den Moscheen gerade im Zusammenhang mit der Minarett-Initiative unter Beweis stellen. Dazu müssten sie aber zugeben, dass es Extremismus in den Moscheen gibt.

Zu Wort melden sich höchstens Immigranten mit muslimischem Hintergrund, die sich von ihrem alten Glauben weitgehend distanziert haben, Mitglieder des Zentralrats der Ex-Muslime etwa, oder Einzelpersonen wie Ali Tunali, ein 42-jähriger Slawist, Taxifahrer und Dolmetscher, dessen Eltern in den 60er-Jahren aus der Türkei in die Schweiz gekommen sind. Für Tunali ist klar, dass die Zahl der strenggläubigen Muslime hierzulande wächst. Auch unter hiesigen Türkinnen sei das Kopftuch immer mehr ein Thema geworden. Körperkontakt zwischen Frauen und Männern würden zunehmend gemieden, und noch immer könnten türkische Mädchen nur in seltenen Fällen einen christlichen Schweizer heiraten. «Und wenn, dann muss er zum Islam konvertieren», sagt Tunali.

Dies alles habe mit Radikalismus und/oder gewalttätigem Islamismus nichts zu tun, räumt Tunali ein. Es sei jedoch unbedingt nötig, «die säkularen, modernen und demokratischen Muslime» zu stärken, sonst steuere auch die Schweiz auf «muslimische Parallelgemeinschaften» zu. Tunali will die Minarett-Initiative unterstützen: «Sie setzt das richtige Zeichen», sagt er, «bis hierhin und nicht weiter.»

http://bazonline.ch/schweiz/standard...story/25912759

und weitere »