Es kam, wie es kommen mußte: Die Vertreter der großen Koalition, Kanzlerin Merkel und Vizekanzler Steinmeier, führten, von vier Moderatoren unterfordert und in die Irre geführt, beim groß angekündigten TV-Duell, zwei Wochen vor der Bundestagswahl, eine wahre Gespenster-Veranstaltung auf. Die wirklichen Probleme des Landes kamen nicht zur Sprache. Der Kandidatentalk zwischen Merkel und Steinmeier – da ist sich die Nation blitzartig einig – endete gestern Abend mit einem 0:0, mit einem Unentschieden. Eine schonungslose Zuammenfassung der unfassbaren Farce, die hier komplett zitiert wird, veröffentlichte Bettina Röhl im Blog-Bereich von Welt-Online. Wer das Elend erneut sehen möchte, warum auch immer, kann dies auf ARD.de tun.


Wie schön muss es doch sein, wie Merkel und Steinmeier über 50 Lenze zu zählen. In dem Alter geht einen das, was die Zukunft der heute jungen Leute oder der jetzt geborenen Menschen in diesem Land betrifft, offenbar nichts mehr an und man kann sich mit Phantomgequatsche getrost für die nächste große Koalition der Jahre 2009 bis 2013 einrichten.

Wichtig war nicht, was Merkel und Steinmeier stets unkonkret bis zum Anschlag bleibend redeten. Viel wichtiger war, was sie zu besprechen unterließen.

Die mit Abstand wichtigsten Grundsatzthemen Bildung, (Schulpolitik), Integration, Türkeibeitritt zur europäischen Union, Bundeswehr, Asyl, die Kriminalisierung in den Städten, demographischer Faktor und die Linkspartei als nicht zu übersehendes Symptom für die notdürftig abgewürgte Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit, das Thema Globalisierung und innnere Sicherheit wurden schlichtweg, eiskalt, wie nicht existent, ausgeblendet: eine wahre Gespensterveranstaltung aus dem Kabinett der Madame Tussauds.

Das Leben der Deutschen wird in wenigen Jahren erkennbar mit dem Gefasel, das hier zwei Kanzlerkandidaten abgeliefert haben, nichts mehr zu tun haben. Deren Gequatsche bildet weder die Gegenwart noch gar irgendeine Auseinandersetzung der Gestaltung der Zukunft ab.

Der Zerfall des Gemeinwesens in teils antagonistisch agierende Parallelgesellschaften fand als Thema nicht statt. Das sogenannte „Duell“ hatte in toto mit dem täglichen Leben und Erleben eines Schülers, eines Studenten, eines Lehrlings und auch eines Kindes und Kleinkindes in dieser Republik nicht das Geringste zu tun. Stattdessen hohles Gelaber über die Weltwirtschaftskrise von zwei Nicht-Ökonomen, die sich gegenseitig über in der Tat zu hohe Managergehälter unterhielten.

Die Weltwirtschaftskrise wird sicher noch einige Probleme mit sich bringen, aber sie wird auch hoffnungslos überschätzt. In der Realität sind viel weniger Werte vernichtet worden, als dass es nämlich in Wahrheit auch eine segensreiche Korrektur von aufgeblasenen Phantomwerten gegeben hat. (siehe hierzu die Analyse der Finanzkrise von der Autorin: Text über die Finanzkrise)

Die Wirtschaftskrise ist auch eine heilsame Wertberichtigung von Finanztiteln, die nur auf dem Papier standen. Die Weltwirtschaft war, nur nicht erkannt, schon vor der Krise weniger wert als alle glaubten. Es wird auch völlig unabhängig von Merkel und Steinmeier wieder bergauf gehen. Das kann also nicht das Thema sein, wenn es um Weichenstellungen geht, die zukunftsentscheidend sind.

Welcher Teufel hat die Fernsehanstalten geritten eine derart wertlose Wahlveranstaltung beim Souverän, dem Wähler, abzuliefern? Eine Entscheidungshilfe, ob jemand überhaupt zur Wahl geht und wenn ja, wem er sein Kreuzchen schenken soll, war das nicht.

Die Weltwirtschaftskrise gilt offenbar Merkel und Steinmeier als Ablenkung von den wirklich brennenden Zukunftsfragen:

Zum Dialog mit dem Islam kein Wort. Nicht einmal die Islamkonferenz wurde erwähnt.

Das Erstarken einer linksradikalen Basis, die sich – siehe Berlin und Hamburg -organisiert und weiterradikalisiert und die auch von der Linkspartei (leider) nicht beherrscht wird, kein Wort.

Zum Thema soziale Gerechtigkeit: außer herablassendem, außerordentlich abgehobenem Zeug zu sozialem Ausgleich demonstrierter Konsens, nach dem Motto: Lagerwahlkampf würden die Menschen nicht mögen, politische Auseinandersetzung käme nicht an.

Thema Überwachung der Menschen, Datenschutz, Minimierung des Rechtsstaates, Menschenrechte, alles kein Thema. Alles null und nichtig und nicht existent.

Themen wie Singlegesellschaft, eine Realität, Gender Mainstreaming, ein feministischer Irrsinn, der sich europaweit durchsetzt, auf den Spuren der Inquisition. Alles kein Thema, oder was?

Das Buch des amerikanischen Autors Christopher Caldwell die gescheiterte Integrationspolitik der letzten sechzig Jahre in Europa, dessen Thesen man so oder so beurteilen mag, hätte Anlass zur Diskussion gegeben, aber Merkel und Steinmeier soffen lieber ab in dem, was man üblicherweise politische Korrektheit nennt.

Merkel verschwieg lautstark ihre Meinung zur Atomkraft in ihrem abschließenden, vorbereiteten Statement und konterkarierte sich damit selbst, was ihre lauwarmen Bekenntnisse zu längeren Laufzeiten der Meiler anbelangt.

Nichts sagen, unsichtbar bleiben, Ideenlos agieren ist allerdings das Profil beider Kandidaten.

Steinmeier sympathischer und dafür Merkel mit Amtsbonus ausgestattet.

Der deutsche Wähler ist an diesem schwarzen Tag der Demokratie schlicht und ergreifend betrogen worden, da kann einem wirklich der Kragen platzen. Das war Wählerbetrug, Publikumsverarsche. Die Bürger wurden im Stich gelassen, ihnen wurde Sand in die Augen gestreut. Das war nicht angenehm sachlich, wie es hier und da heißt, das war gar nichts. Natürlich hat es etwas Angenehmes, auch für die Wähler, wenn man die teils massiven Probleme der Zukunft einfach schlicht vergessen macht.

Alle Themen, aber auch wirklich alle, die wichtig sind und folglich im ideologisch-ideellen Diskurs, den es ja trotz aller schöner neuer Welt in der Realität gibt, haben Merkel und Steinmeier erstickt.

Und die deutschen Fernsehanstalten haben eine Leistung abgeliefert, die man nur als unter aller Sau bewerten kann. Die Realität der Bundesrepublik Deutschland blieb draußen und irgendwelche höchst marginale Randprobleme wurden als das verkauft, was für die Entscheidung der Zukunft der Menschen relevant sei.

Natürlich sind die Wirtschaftskrise und auch das völlig überschätzte Thema Opel und die Frage, wie lange deutsche Truppen in Afghanistan bleiben, alles tagesaktuell und auch über den Tag hinaus mittelfristig wichtige Themen, aber es handelt sich dabei nicht um die zukunftsentscheidenden Kriterien und Politikfelder.

Die Frage heißt nach der Diskussion (noch mehr als vorher) nicht: Merkel oder Steinmeier, sondern die Antwort wird mutmaßlich heißen: Merkel und Steinmeier, ein zweites Mal.

Merkel ist politisch profillos und überzeugungslos. Ihr scheint es völlig egal zu sein, ob sie mit der FDP oder der SPD Politik macht. Ihre Stärke liegt in ihrer Überzeugungslosigkeit, liegt in ihrer fehlenden Bindung an Werte.

Mit der SPD zu koalieren, macht ihren Job als Kanzlerin außerordentlich bequem. Dass sie womöglich immer mehr konservative Stammwähler an die FDP verliert, ist ihr egal, solange der Vorrat reicht. Und dass die SPD in der nächsten Legislaturperiode unter der Last einer erneuten großen Koalition zusammenbrechen könnte oder zumindest essentiellen Erosionen ausgesetzt ist, ist ihr auch egal.

Geistig-politischer Stillstand

Dass die große Koalition die geistig-politische Auseinandersetzung nicht nur langweilig macht, sondern erstickt, mag eine Weile gut gehen, führt aber wohl zwangsläufig dazu, dass es Eruptionen geben wird, die den uralten linksradikalen Ideen in den Köpfen junger nachwachsender Menschen gefährlichen Raum verschaffen.

Mit den jungen Leute muss diskutiert werden! Mit den Leuten muss gerungen werden, das muss fetzen, das muss Spaß machen und neue Ideen müssen auf diese Weise eine Chance bekommen.

Merkel und Steinmeier for ever wird es nicht geben, aber die beiden handeln nach dem Prinzip: nach mir die Sintflut. Und besoffene Medien machen das uneingeschränkt mit. Was Merkel und Steinmeier heute im Fernsehen abgeliefert haben, ist morgen Schnee von gestern und interessiert bis in alle Ewigkeiten Niemanden mehr.

Der notorisch irrlichtende Theater-Opi Claus Peymann hatte völlig recht, als er in einer der vielen Wahlsendungen sinngemäß sagte, dass Merkel und Steinmeier doch nicht das Non plus Ultra sein könnten, das 84 Millionen Bundesbürger als Kanzlerkandidaten hervorbringen könnten.

Wer von den beiden Kandidaten „mehr lachte“ und wer „mehr Familie oder Emotionen“ zeigte und „wer wie dastand“ und „welchen Gesichtsausdruck“ brachte, solche Nebensächlichkeiten werden dann in der Tat wahlentscheidend, wobei jetzt schon feststeht, dass die CDU die stärkste Partei und Fraktion bleiben wird.

Es war auch weiß Gott keine Sternstunde der Moderatoren. Es war langweilig und öde. Und eine wirklich schwarze Stunde für die deutsche Demokratie. Es rächt sich eben immer wieder, wenn teils millionenschwere Journalisten, die teilweise seit Jahren selbst in einer abgehobenen Luxus-und Promiwelt leben, Politiker (die in eben einer solchen Welt leben) gar mit dem erhobenen Zeigefinger danach fragen, was sie denn nun für den kleinen Mann tun wollen und dies in einer Art, als seien sie die Rächer der Enterbten.

Wenn nicht mal eine auch noch so überschätzte Weltwirtschaftskrise in der Lage ist, Wettbewerb unter den Kandidaten zu erzeugen, dann kann die Demokratie ala longue einpacken.

Demokraten müssen konsensfähig sein, aber Konsens ist kein Ersatz für Demokratie.



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