Sultan Ulusoy ist kein Emir aus einem Hauffschen Märchen, sondern eine unabhängige Bundestagskandidatin mit türkischen Wurzeln, die in Mannheim von nahezu jeder zweiten Laterne grinst. Zuerst dachte ich, irgendeine dunkelhaarige Opernsängerin gäbe in Mannheim ein Konzert, als ich die ersten Plakate von Frau Ulusoy entdeckte. Doch dann war Sultan Ulusoy auf einmal Stadtgespräch und jeder, also auch ich, wußte, daß diese Frau in den deutschen Bundestag gewählt werden möchte.
Auch wenn auf diversen Mannheimer Spaßseiten Frau Ulusoy bei internen Abstimmungen auf immerhin stolze 11 % kommt, werden ihr von ernsthaften Kennern der politischen Szene keine Chancen eingeräumt, eines der begehrten Mannheimer Mandate zu bekommen.

Wahlplakat von Frau Ulusoy in Mannheim
Schlagzeilen hat Frau Ulusoy in den letzten Tagen vor allem in der BILD-Zeitung gemacht, weil sie während eines Wahlkampfauftritts verhaftet wurde.
Die BILD (dieses Mal auch nicht schlechter informiert als die anderen Mannheimer Quellen) schreibt dazu:
„…soll die Politikerin … einen Strafbefehl in Höhe von 900 Euro nicht bezahlt haben. In dem Verfahren ging es um Mietschulden und eine unbezahlte Arztrechnung.“
Angeblich habe Frau Ulusoy von dem Strafbefehl keine Kenntnis gehabt, sie zeigte sich laut BILD „geschockt“ und „überrascht“. Noch am gleichen Tag wurde die Geldstrafe beglichen und Frau Ulusoy wieder auf freien Fuß gesetzt. Natürlich fragt man sich, warum die Verhaftung so in der Öffentlichkeit stattfinden mußte.

rein gefühlt hängen die Wahlplakate von Frau Ulusoy in Mannheim überall in Massen
Auf Internetseiten mit recht eindeutigem Hintergrund schreien die Benutzer jetzt natürlich schnell „Verhaften und Abschieben!“ und man bedauert mit den Worten, daß Frau Ulusoy „leider Deutsche“ sei, daß man „solange wir in einem Rechtsstaat leben“, der Frau nichts weiter anhaben kann. (Quelle)
Auf solche Quellen stützen sich dann auch diejenigen, die von dort ungeprüft Behauptungen übernehmen, wie zum Beispiel:
Die Alte hat so viele Leute hintergangen… mit schuldet sie auch noch fast € 5.999,– !!
Und sowas darf sich bei uns breit machen und hat auch noch monatelang Stütze kassiert!! und .. und .. und ..
Quelle solcher anonymen Behauptungen, die dann im weiteren nicht weiter mit Beweisen untermauert werden können, ist eine Seite auf der es wenige Zeilen weiter unten heißt:
„Selbstverständlich ist Israel jüdisches Land, ich hoffe nur ich erlebe den Tag an dem Israel von Ungeziefer befreit ist.“
Die Qualität dieser Informationen darf also getrost angezweifelt werden, der Kontext in dem diese Beschuldigungen gegen Frau Ulusoy vorgebracht werden, gibt nichts an wirklichen belegbaren Informationen her.
Frau Ulusoy selbst beteuert in einem Interview mit dem Lokalsender „Rhein Neckar Fernsehen (rnf)“, das alles sei ohne Belang, es handele sich nur um eine nicht bezahlte Rechnung, die vergessen worden sei und zu einer richtigen Verhaftung sei es gar nicht gekommen, man habe sie nur mitgenommen, befragt und nach Bezahlung des geforderten Betrages auf die Verhaftung verzichtet. Nun, das mögen Spitzfindigkeiten sein, die Juristen anders sehen, aber immerhin ist Frau Ulusoy Bürgerin einer Stadt, in der die Gerichtsvollzieher und Schuldeneintreiber nicht gerade von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Manchen Mannheimer steht finanziell das Wasser bis zum Hals und deshalb sehen manche in Frau Ulusoy jetzt umso mehr eine von ihnen, eine der es genauso geht wie vielen arbeitslosen Mannheimer Arbeitern auch.
Die kleine, etwas moppelige Frau mit dem an sich ganz netten Gesicht (40 Jahre alt, geschieden, kinderlos) hat aber auf der anderen Seite nur vage Ideen von dem was sie politisch bewirken möchte. Früher in der SPD engagiert bemüht sie sich, ihre eigenen Ziele zu formulieren.

Mit fast schon esoterisch anmutenden Sprüchen wie „Das großte Ritual ist Arbeiten“ (inkl. Fehler so auf Ulusoys Webseite) und „Such bei Dir Selbst“ geht Frau Ulusoy auf Stimmenfang und auch wenn diese Sprüche wenig Sinn machen, die Frau Ulusoy auch auf Befragen nicht mit Sinn füllen kann (siehe oben verlinktes rnf-Interview), so sind diese Sprüche doch nicht sinnloser als der Quatsch den die anderen Kandidaten auf ihre Wahlplakate schreiben.
Auf ihrer Homepage und in ihrem Informationsmaterial finden wir aber auch keine Antworten auf die Frage, was Frau Ulusoy eigentlich erreichen will und vor allem wie sie das erreichen will.
Bildung, Frieden, Freiheit, Geichberechtigung, das sind die Schlagworte, die Frau Sultan Ulusoy sich auf die Fahnen geschrieben hat, damit hat sie aber weder mehr, noch andere, geschweige denn neue Schlagworte gefunden, das Gleiche wollen alle anderen im Grunde auch. Wie sie das erreichen will? Keine Antwort, Fehlanzeige.
Einfach nur eine Frau aus dem Volke zu sein und einfach nur nett zu sein, das reicht mir nicht aus und das wird vielen anderen auch nicht ausreichen.

Frau Sultan Ulusoy
Auch bei „abgeordnetenwatch“ ist nichts Sinnvolles zu finden, aber immerhin ist Frau Ulusoy ja auch noch keine Abgeordnete:
Angaben zur Person
Jahrgang: 1968
Berufliche Qualifikation: Kommunikations‑ Journalistin
Ausgeübte Tätigkeit: –
Wahlkreis: Mannheim
Öffentliche Äußerungen: –
Sultan Ulusoy hat bisher keine Fragen gestellt bekommen.
Sultan Ulusoy hat keine E-Mail-Adresse bei abgeordnetenwatch.de hinterlegt. Solange dies nicht geschehen ist, können Sie keine Fragen an Sultan Ulusoy stellen.
So ist und bleibt alles um Frau Ulusoy nebulös. Man vermisst die klaren politischen Ziele, mehr als ein paar äußerst bunte Buchstaben findet sich da nicht und vor allem erkennt man keine klare politische Konzeption und weiß nicht, wie die Kandidatin ihre Ziele überhaupt verwirklichen will.
Vor diesem Hintergrund sieht dann das Gezerre um angeblichen Betrug, vergessene Rechnungen und eine angebliche Urheberrechtsverletzung beim Fotomotiv auf ihrem Wahlplakat dann doch wieder so aus, als wolle sich da ins Bild fügen, was ins Bild zu passen scheint.
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