Sauerland-Prozess
Yilmaz nutzte Nachbarn aus


Von Achim Ritz und Stefan Behr

Die Polizei kam beim Fastenbrechen. Mitten im Ramadan saß Familie T. am Mittwochabend im südhessischen Langen beim Abendessen, als fünf Beamte des Bundeskriminalamtes in Uniform den 24-jährigen Sohn festnahmen. Die Generalbundesanwaltschaft wirft Kadir T. vor, für die Terrorgruppe Islamische Dschihad-Union (IJH) ein Nachtsichtgerät und eine Videokamera gekauft zu haben. Außerdem habe er geplant, in ein Terror-Ausbildungscamp zu reisen.

Das BKA glaubt, dass Kadir T. zum erweiterten Kreis der so genannten Sauerland-Gruppe gehört. Der 30-jährige Adem Yilmaz, einer der im September 2007 im Sauerland festgenommenen mutmaßlichen Terroristen, kannte Kadir T. sehr gut. Er wohnte in Langen nur zwei Häuserblocks von Kadir T. entfernt.

"Ich habe meinem Sohn aber immer gesagt, halte Abstand von dem", sagt der Vater wütend. Er lebt seit 30 Jahren in Deutschland. Als Handwerker ging er mit seiner Firma pleite. Derzeit bekommt er Hartz IV. Der 50-Jährige hat zusammen mit seiner deutschen Frau auch eine 21-jährige und eine 17-jährige Tochter. Er sitzt auf dem Ecksofa im Wohnzimmer, ist fassungslos und kämpft mit den Tränen.

Der Vater beschreibt Kadir als einen stillen und naiven jungen Mann. "Er wurde von den anderen ausgenutzt." Sein Freund Yilmaz habe Kadir angestiftet, "im Internet dieses Nachtsichtgerät zu bestellen", sagt der verzweifelte Vater. "Wir sind eine ganz normale Familie, mein Sohn ist gläubig, aber kein Fanatiker. Der macht nichts Böses. Kadir hat immer gesagt, der Islam ist eine friedliche Religion. "

Im Zimmer des 24-Jährigen hängt ein Bild von Mekka und ein Ramadan-Kalender, der die Uhrzeiten nennt, wann in diesen Tagen gefrühstückt und zu Abend gegessen werden darf. Kadir T. ist offenbar ein unaufälliger Typ. Nachbarn aus dem Acht-Familienhaus des Wohnblocks aus den 60er Jahren kennen ihn kaum. "Gegrüßt hat er. Freundlicher Kerl soweit", sagt ein Mann, aus dem Erdgeschoss. Hobbys, Vereine? "Nein, nix, er blieb nach der Arbeit meist zu Hause und saß am Computer", sagt der Vater.

Noch in diesem Jahr wollte Kadir in den Iran fliegen. Um sich dort als Attentäter ausbilden zu lassen, glaubt das BKA. "Nein, er wollte seine Frau besuchen", so der Vater. Vor eineinhalb Jahren hätten die beiden geheiratet. Die Frau sollte nach Deutschland kommen, doch es habe Probleme mit den Papieren gegeben. Jetzt wollte Kadir selbst rüberfliegen, um sich darum zu kümmern. "Kein Terrorcamp, mein Sohn ist gut erzogen, aber naiv", sagt der Vater Seine Frau, mit der er wieder zusammenziehen wollte, sei gestern dreimal ohnmächtig geworden.

"Er ist freundlich, redet nicht viel und sitzt meistens an der Kasse", sagt der Arbeitgeber des 24-Jährigen. Im Discounter verdiente der gelernte Einzelhandelskaufmann seit rund drei Jahren sein Geld. "Sein Vater hat ihn krank gemeldet", sagt der Chef. "Ich hoffe, er kommt bald wieder."

Derweil herrschte gestern im Prozess um zwei mutmaßliche Unterstützer der Sauerland-Gruppe vor dem Frankfurter Oberlandesgericht großes Schweigen. Dort werden dem 27 Jahre alten Türken Hüseyin Ö. und dem 28 Jahre alten Deutsch-Afghanen Omid S. vorgeworfen, die angehenden Terroristen mit Geld und Ausrüstungsgegenständen versorgt zu haben. Der unter großen Sicherheitsvorkehrungen extra aus Wuppertal eingeflogene Adem Yilmaz verweigerte ebenfalls die Aussage - während sein Nachbar jetzt auch in U-Haft sitzt.

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